Vorwärts in zwei Takten! – Teil 1

Ich habe Zeit. Ich habe Lust. Ich habe Lust und Zeit auf Schrauben, Rost und Patina!

comp_comp_sam_5168Endlich habe ich Zeit meine alte Zündapp C50 Super zurück auf die Straße zu bringen!

Es ist über ein Jahr her. Da lernten wir uns kennen. Sie räkelte sich lasziv im Grünen und spielte lächelnd mit der Sonne. Ich stand unbedarf ein paar Meter von ihr entfernt und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Es hatte nicht sollen sein. Es wurde nichts mit uns. Ich ärgerte mich, wohl verständlich. Das Jahr verging. Wir trafen uns wieder. Glänzend und herrlich uneben präsentierte sie ungeniert ihre Haut und ihren Körper. Sie wusste, was sie wollte. Sie wollte mich. Ich wollte sie. Es lag Spannung in der Luft, als wir zum ersten Mal auf Tuchfühlung gingen. Ich wusch ihren Körper und rieb jeden Quadratzentimeter ihrer weiblichen Rundungen ab. Wir hofften es würde nie enden. Am Ende stand sie vor mir. Rein und strahlend wie der Sonnenuntergang eines warmen Sommertages an der Nordseeküste.

Wir waren glücklich.

Es ist schon spannend, so ein Moped zu putzen. Besonders, wenn man vorher noch keines hatte. Im August 2016 habe ich mir auf einem Flohmarkt eine alte Zündapp C50 Super gekauft. Mein erstes Moped. Könnt ihr euch daran erinnern? Hier könnt ihr es noch einmal nachlesen. Die gute, alte Dame hatte da bereits 16 Jahre in einem Gartenhaus gestanden. Sie lief gut, …aber auf die Straße konnte ich mit ihr nicht. Die Reifen porös, die Bremse… naja, zumindest hinten ging sie und ein kleiner Service könnte nach 16 Jahre Standzeit ja nun auch nicht schaden.

Es gibt ja Leute, die entspannen, während sie mit Fingern über das Touchscreen glitschen und virtuelles Obst hin und her schieben. Oder an kleinen Klapprechner virtuelle Pudel streicheln. Andere Leute fühlen sich entspannt, wenn sie den ganzen lieben langen Tag damit prahlen, was sie alles können und haben. Wieder andere Leute schreiben ihrer heimlichen, großen Liebe alle paar Wochen einen Liebesbrief, den sie nie abschicken werden. Traurig, aber sie fühlen sich dann entspannter. Oder sind zumindest abgelenkt.

Ich mache das anders. Ich schraube. Ich fahre. Ich gehe an die frische Luft. In die Natur. An die Nordsee. Hinter mir liegen einige sehr stressige Wochen. So ganz ist die stressige Zeit comp_comp_sam_5139noch nicht vorbei, aber sie ebbt schon ab. Ich hatte mir für diesen Moment extra die Arbeiten an der kleinen Zündapp aufgehoben. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was das für ein tolles Gefühl für mich war, das kleine alte Fünfzig-Kubik-Moped aus seiner Ecke zu befreien. Eigentlich wollte ich es ja damals gleich weiter verkaufen. Ein Glück habe ich es nicht getan. Mein Vater sprudelte fast vor lauter Geschichten von seiner silbernen Zündapp damals, Als das Moped noch keinen Tag da war, meinte er noch: „Die machen wir doch wieder flott, oder, Lars?“ – Hätte er gar nicht brauchen. Dass ich die so schnell nicht wieder verkaufen werde, war da schon eigentlich klar. Noch klarer wird es nun, wenn er mir gegenüber am Moped sitzt, über die einfache Technik philosophiert und mit seinen Geschichten loslegt.

Im Winter schrauben ist ja meist immer etwas ungemütlich. Zwei Winter habe ich im comp_comp_sam_5140Carport bei Elsa gesessen, geschraubt und eiskalte Finger bekommen bis ich nicht einmal mehr einen Schraubenschlüssel halten konnte oder meine Fingergelenke eigentlich gar keine Aufgabe mehr hatten. Das war echt ungemütlich. Nein. Falsch. Das war echt scheiße. Ein Glück ist so ein Moped schmal und klein. Ohne das Cabrio aus dem Winterquartier zu vertreiben passt es noch mit in die „Werkstatt“. Und die kann man beheizen. Entweder mit einem großen Kanister Benzin und einem Feuerzeug (Die Alternative ist meist nicht so produktiv) oder mit einer 5-Kilogramm-Gasflasche und einem Heizer. Für die Variante haben wir uns entschieden.

Die Reifen quietschten meist ein bisschen, als ich sie über den kleinen Absatz der Eingangstür in die Garage geschoben habe. „Spiele mir das Lied vom Tod.“ Die Reifen sind so richtig tot. Der hintere Pirelli sieht fast aus als wäre er schon immer auf der Felge gewesen. Wird er comp_comp_sam_2604nicht. Ich finde zwar keine lesbare DOT-Nummer mehr, die nicht auf 1974 hinweist, aber ich glaube, dass 36 000 Kilometer für so einen schmalen Reifen wohl doch etwas zu viel sind. So viele Kilometer hat das Moped nämlich von 1974 bis 2000 gesammelt. Einige Kilometer (vielleicht so drei oder vier) bin ich bisher mit dem Moped auch schon durch den Garten und über Privatwege geknattert. Ein bisschen Gefühl möchte ich für das Zweirad doch haben, wenn ich das erste Mal damit auf die Straße fahre. Meine Zweiradkarriere ist sonst eher kurz.

Bei den vielen Probefahrten war mir aufgefallen, dass die vordere Bremse gar nicht oder nur sehr mau funktionierte. Ein schwergängiger Bowdenzug konnte das nicht wirklich sein. Es comp_comp_sam_5142ließ sich zwar schwer ziehen, aber die Bremsleistung hin davon nicht wirklich ab. Egal, wie ich gezogen habe, mal bremste es vorne ein bisschen, mal gar nicht. Also muss die Bremse ja fest sein. Die Hinterradbremse funktionierte perfekt. Also konnte ich mit der im Garten auch mal anhalten, bevor ich in den Zaun fahre. Dass die Bremse vorne nicht geht, ist eigentlich kein Problem. Doch, schon. Also eines, dass man reparieren sollte. Aber da das Rad vorne eh abgebaut werden muss, um den neuen Reifen aufzuziehen – ein Abwasch.

Das Rad abzubekommen war übrigens gar nicht so das Problem. Anscheinend ist das Moped immer gut gepflegt worden. Ich möchte euch so gerne Horrorgeschichten von abgerissenen comp_comp_sam_5143Schrauben, vergnabbelten Gewinden und runden Muttern erzählen… aber… da war nichts. Alle Schrauben ließen sich leicht lösen, nicht eine war festgerostet. Zwar ein bisschen ärgerlich, dass man da überhaupt keine Herausforderung da ist, aber ich will mich natürlich nicht beschweren! Ist anscheinend gute Qualität, was vor über 30 Jahren in München montiert wurde. Mein Vater wunderte sich auch. An seiner Zündapp war damals alles verpfutscht, verrostet und ging kaputt. Eine Woche in die Nordsee stellen, um doch noch etwas Herausforderung zu haben, wollte ich dann aber doch nicht.

Ich bin froh, einen alten „Alltagskämpfer“ zu haben. Von 1974 bis 2000 war das Moped, wie ich neulich in einem Gespräch mit dem Vorbesitzer herausgefunden habe, in erster Hand. Ein älterer Herr fuhr das Moped im Alltag – er hatte gar kein Auto. Das kleine Moped comp_comp_sam_5146gehörte also wahrscheinlich irgendwo in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein zum Alltagsbild dazu. 26 Jahre. Sowas finde ich klasse. Auch mein Buckelvolvo war (wahrscheinlich) von 1958 bis 1999 im Alltag unterwegs. Zumindest die letzten neun Jahre in der Nähe von Flensburg. Ich mag nicht so gerne „Sammlerobjekte“, die sich in Garagen mit wenigen Kilometern die Reifen eckig stehen. Ich mag meine Autos (und mein Moped) auch fahren. Dafür wurden sie ja schließlich gebaut. Umso besser finde ich, wenn sie dafür auch vorher schon genutzt wurden. Und wenn ich nicht drauf achten muss, dass der Kilometerstand nicht steigt, weil es sonst als Sammlerobjekt ja nicht mehr interessant sein könnte.

Um zu fahren muss man auch bremsen. Zumindest sollte man das können. Als wir die Bremstrommel abgebaut hatten, wussten wir auch, warum es nicht mehr funktionierte. Es comp_comp_sam_5148war nicht so, dass die Bremsbeläge runter waren. Sie waren einfach nur abgelöst. Ich klebe sie aber natürlich nicht einfach wieder auf die Bremsbacke drauf, sondern kaufe neue. Die Dinger sind inzwischen auch so steinhart, dass wohl beim Bremsen Funken fliegen würden. Den Bowdenzug habe ich dann auch gleich nochmal so ohne Gegenzug ausprobiert – der funktioniert gut. Der ist also auch immer gut geölt wurden. In der „Wartezeit“ bin ich zwischendurch auch immer mit der Ölkanne hingegangen. War wohl kein großer Fehler.

 Das Hinterrad abzubauen war auch kein großer Fehler. Das war eindeutig der pörosere (gibt es überhaupt eine Steigerung von „porös“?) der beiden Reifen. Luft gehalten hat er noch, ist ja klar. In dem Reifen ist ja auch noch ein Schlauch drin. Um das Rad abzubauen comp_comp_sam_5154haben wir zuerst einmal das Moped aufgebockt. Vielleicht etwas abenteuerlich, aber es hält. Der Bremszug war leicht abzubauen, auch hier waren alle Schrauben leichtgängig. Fast schon so ein bisschen langweilig. Am Kettenspanner ist schon mal eine Mutter angeschweißt worden. Das ist aber wohl (mit ein paar Ausnahmen fehlender Verkleidungen… der untere Teil vom Kettenschutz fehlt, eine Abdeckung am Motor wohl auch) auch die einzig große Abweichung vom Originalzustand. Aber das wird auch so bleiben. Ich werde das Moped auch nicht neu lackieren. Dieser Zustand nach Jaahren des Alltagsgebrauchs würde ich nie wieder herkommen. Deshalb werde ich wohl auch mit den fehlenden Teilen leben können.

Achja. Fehlende Teile. Wenn zwei Räder an einem Zweirad fehlen, dann fehlt schon mal eine ganze Menge. Die Reifen haben wir mit alten Montiereisen von den Felgen gedrückt. Die comp_comp_sam_5158hintere Felge werde ich versuchen möglichst gut zu entrosten und den Chrom zum glänzen zu bringen. An der vorderen Felge werde ich mal schauen. Die ist schon einmal mit Felgensilber überlackiert worden, also verspreche ich mir dadrunter keinen makellosen Chrom. Ich weiß also noch nicht ganz, ob ich das Felgensilber vorsichtig abtrage… oder einfach neu lackiere. Vielleicht lasse ich es auch einfach so. Nur die Felgenputz-Pfeifenreiniger-Dinger. Die kommen ab. Die finde ich extremst hässlich. Ich hatte mal ein gebrauchtes Fahrrad, bei dem waren auch diese komischen Ringeldinger da angetüddelt. Die fand ich sehr schrecklich.

Die hinteren Bremsen funktionierten noch gut. Nachdem ich den Bremsstaub (wohl noch aus Asbest?) entsorgt hatte, konnte man sehen, dass nicht nur die Trommeln, sondern auch noch die Bremsbeläge gut waren. Nur sind die Bremsbeläge eigentlich gar wie Stahl. Die comp_comp_sam_5157sind total hart geworden. Die werden auch ersetzt. An Sicherheit sollte man nun wirklich nicht sparen. Genauso wenig wie am Umweltschutz. Irgendwo läuft auf einmal Öl aus. Das ist die ganzen Monate, die das Moped in seiner Ecke stand nicht passiert. Getriebe undicht? Ich weiß es nicht. Da müssen wir auf jeden Fall noch einmal forschen. Aus dem Auspuff kam auch schönes Zweitaktgemisch. Aber zumindest da weiß ich die Ursache. Ich hatte vor dem Ausbau vom Auspuff ein paar Mal den Kickstarter durchgetreten. Da war wohl noch etwas Sprit in den Leitungen. Ein Glück war alles weit genug von dem Gasheizer weg.

Zum Schluss, als klar wurde, welche Teile ich brauche (Neue Schläuche, neue Bremsbeläge, neue Reifen) und geschaut habe, was schon da ist (Neue Reifen) bin ich schnell zum comp_comp_sam_5167nächsten Motorradhändler gefahren und wollte bestellen. Mit den Schläuchen klappte das gut, nur die Bremsbeläge, die konnten sie bei ihrem Teilehändler nicht mehr bekommen. Egal. Die kommen nun über ebay zu mir. Zum Abschluss habe ich den Lack und die Chromteile noch einmal ordentlich aufpoliert und versiegelt. Dabei ist mir dann dass Zündappemblem auf der rechten Seite vom Tank abgefallen. Noch eine kleine Baustelle mehr. Beim nächsten Mal werde ich mich dann auch noch um die Flugroststellen kümmern, die sich nach 43 Jahren Gebrauch so angesammelt haben. Weg sollen die auf keinen Fall. Aber konserviert werden.

Das war er erst einmal von der kleinen, blauen Zündapp. Aber keine Sorge, es geht bald weiter. Es juckt schon echt in den Füßen… äääh in den Händen endlich damit zu fahren!

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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1 Response

  1. 31. Dezember 2017

    […] angefangen, die Zündapp nach ihrer siebzehnjährigen Standzeit wieder verkehrstauglich zu machen. „Vorwärts in zwei Takten!“ nannte ich den ersten Teil. Ein zweiter Teil folgte bis heute nicht. Und das hat auch Gründe. Den […]

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