Trüffelsuche – nicht leicht gemacht.
Wann habt ihr euch das letzte Mal mit einem Gebrauchtwagenkauf herumgeschlagen?
Den richtigen Wagen finden ist nicht schwer. Aber den richtigen Verkäufer umso mehr…
Ich fühle mich ziemlich dreckig. Also nicht krank, sondern unsauber. Vor mir sitzt ein Verkäufer. Er schaut weder dem zukünftigen Autobesitzer noch mir in die Augen. Die Verhandlungen sind hart. Das Autohaus wirbt auf der Internetseite mit familiärer Atmosphäre. Ich möchte dort nicht zur Familie gehören. Kundenservice wird hier klein geschrieben. Ich rege mich über den Verkäufer auf, versuche aber ruhig zu bleiben. Gelingt mir auch. Erst zu Hause werde ich böse. Dafür aber richtig.
Der Autokauf. Einige Leute kaufen oder leasen ihre Autos wie andere Waschmaschinen kaufen. Ihnen sind Autos egal – und genug Geld haben sie auch. Da macht es dann auch nichts, wenn die Ersatzteile so viel wie mein alter Golf Diesel kosten. Aber was ist, wenn man plötzlich ein Auto braucht? Weil der alte, aber treue Volvo V40 nach einem Unfall leider so stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist, dass es sich nicht mehr lohnt?
Siebensitzer, Benziner, Anhängerkupplung.
Das waren die Kriterien. Preislich? Bis zirka 10 000€. Je weniger, desto besser. Und was Ordentliches, kein Seelenverkäufer. Zuverlässig auch. Und sicher. Der Nachwuchs soll ja gut transportiert werden. Ob ich nicht helfen könnte, ich würd mich doch auskennen. Gerne. Ich mag handeln und ich mag helfen. Und ich mag Autos begutachten. Nachdem ein Kia Carens (Termin für die Probefahrt war vereinbart, aber erst als die junge Familie ankam fiel dem Händler ein, dass der Wagen noch gut 60 Kilometer weit weg stehen würde und auch der Schlüssel plötzlich weg wäre) schon einmal herausfiel, sollte ich mich mal mit auf einen kleinen Automarathon machen. Vier Autos standen zur Auswahl.
Ein 2006er Ford S-Max Diesel von einem Privatkäufer. Ein silberner Toyota Corolla Verso von 2008 von einem Neu- und Gebrauchtwagenhandel. Ein schwarzer Toyota Corolla Verso von 2005 von einem Gebrauchtwagenhandel und ein Opel Zafira B von 2011. Ebenfalls bei einem Händler.
Die Sonne schien über Dithmarschen, als wir zu dem Ford S-Max liefen. Silber – mit einem Ticken Blau drin. Winterreifen (Neu…also von 2014) auf Stahlfelgen, Sommerreifen auf Alu. Fast 200 000 Kilometer hatte der Diesel schon abgespult, dafür kamen aber vor einigen wenigen tausend Kilometern ein neuer Zahnriemen, ein neuer Keilrippenriemen und eine neue Wasserpumpe rein. Auch die Bremsen waren rundherum neu. Preis? 6400€. Tüv bis Dezember 2019. Äh?
Ich bin beim Autokauf immer recht skeptisch. Vor allem, wenn die Verkäufer den Wagen über den Klee loben. „Er war immer sehr zuverlässig, wir haben ihn auch immer gepflegt. Scheckheftgepflegt. Bei Ford.“ Leider konnte man mir das Scheckheft nicht zeigen. Innen machte der Wagen einen sehr guten Eindruck, für die Kilometer kaum abgenutzt – er roch sogar noch ein bisschen nach Neuwagen. Außen gab es ein paar Macken. Und Rost. Aber der Wagen war ja immer so zuverlässig. Nach einem Blick unter die Motorhaube (da konnte man auch sehen, dass der Wagen mal leicht einen auf die Nase bekommen hatte) wollte dieselbige nicht mehr schließen. Das Verkäuferehepaar war etwas peinlich berührt. Auf dem Weg in die Werkstatt, die die Haube dann schloss, fielen so keine Sachen auf, außer ein leichtes Knacken in der Lenkung. Da waren zwei Kugelköpfe ausgeschlagen. Die hätten dem TÜV auffallen müssen. Keine Anhängerkupplung, Diesel, nur fünf Sitze, viel gelaufen. Erstmal die anderen anschauen.
Etwas zu früh waren wir beim nächsten Autohaus. Dort werden neben neuen japanischen Allradlern auch Gebrauchtwagen verkauft. Bevor wir zum Verkäufer gingen, wollten wir erst einmal den silbernen Toyota Corolla Verso so anschauen. Bremsen waren runter, die Reifen blanker als mein Konto. Von außen rundherum stark vermackt, aber Autobahnpickerl aus Österreich ließen auf einen Langstreckenwagen vermuten. Der 2008er Verso hatte gut 150 000 Kilometer auf der Uhr, sieben Sitze, eine Anhängerkupplung und mit einem 1.8er Benziner auch ausreichend motorisiert.
„Der Verkäufer ist etwas arrogant“. Solche Verkäufer mag ich gerne. Die sich über den Kunden stellen. Grausam. Bei der Begrüßung gab er nicht einmal die Hand. Frechheit. Kurz die Form für die Probefahrt ausgefüllt und wir durften auf die Piste. Beim Kaltstart lief der Motor bei fast 3000 Touren. Bei zwanzig Grad Außentemperatur? Sollte das so sein? Auch hier fand ich kein versprochenes Scheckheft, wusste aber nun, dass der Wagen seit 2008 in erster Hand war. Der Erstbesitzer (und wohl auch das Autohaus) mochten den Wagen aber wohl nicht sonderlich pflegen. Haare ohne Ende und auch noch ein Fußnagelknipser lagen im Auto. Vielleicht auch noch eklige, gelbe und schimmelige Fußnägel. Wir wollten nicht drüber nachdenken. Irgendwie klebte der Wagen auch von innen. Und roch komisch.
Beim ersten Stop glühte vorne eine Bremsscheibe. Ich dachte zuerst, es wäre Rost und habe sie angefasst. Ich hoffe, das Profil meines Fingerabdrucks wächst wieder nach. Die Ventile (oder Hydrostössel?) des Wagens klapperten extrem – obwohl er warm war. Der Auspuff war neu, aber der Gesamtzustand… naja. Der verbesserte sich auch nicht als wir kratzend (wahrscheinlich lebten in dem Wagen auch irgendwelche Tiere…) vor dem Verkäufer saßen, der bei der Verhandlung niemanden anschaute. 9500€ mit neuem TÜV und Garantie. Viel zu viel. Auf 9000€ konnten wir ihn drücken – dann halt aber so vermackt, wie er wäre. Viel zu teuer für einen 9 Jahre alten Wagen mit Fußnägeln drin. Der Wagen fiel raus. Und ich duschte abends noch einmal extra lange. Urgs.
Eine Stunde vorher sollten wir beim letzten Auto dieses Tages anrufen. Ein schwarzer Toyota Corolla Verso. Drei Jahre älter als der silberne, dafür erst 120 000 km gelaufen. TÜV und Garantie…6950€. Als wir beim Autohaus ankamen, stand der Wagen eingeparkt in der dritten Reihe. Bis sich ein patziger Mann im Blaukittel bemühte, den Opel davor wegzufahren, dauerte es etwas. Dann war die Batterie des kleinen Toyotas auch noch leer. Er sprang nicht an. Nach Starthilfe und gut einer halben Stunde Wartezeit konnten wir auf die Probefahrt aufbrechen. Sofort fiel eines auf. Der Nichtraucherwagen hatte echt viele Brandflecken, einen stark benutzten Zigarettenanzünder und roch sehr komisch nach Duftbaum. Auch das versprochene Scheckheft war nicht wirklich da. Und die Kupplung rutschte extrem, die Spur war verstellt und für knapp über 100 000 Kilometer war er echt abgegrabbelt. Auch außen versprachen komische Spaltmaße und Orangenhaut (und verschiedene Schwarztöne) einen vertuschten Unfallschaden. Zumindest lief der Motor sehr gut. Der Verkäufer, sogar noch um einiges kleiner als ich, nahm meine Verhandlungsargumente nicht wirklich ernst. „Das Alter der Reifen ist egal. Profil ist top!“ – „Unfallschaden? Ja, kann sein, aber nicht schlimmes. Glaub auch nicht, dass da was war.“ Mit Kupplung, Garantie und TÜV neu wollte er 7500€ haben. Nach einiger Zeit fiel er auf 7200€. Dann auf 7000€. Wir bedankten uns und behielten den Wagen im Hinterkopf. Es waren immerhin keine Fußnägel drin.
Mit hoher Erwartung fuhren wir am nächsten Tag zum nächsten Wagen. Opel Zafira B 1.6 ecoflex. Siebensitzer, Anhängerkupplung. Baujahr 2011, 86 000 km, erster Hand, durchgängig bei Opel scheckheftgepflegt. Als wir auf die Selbsthilfewerkstatt mit angeschlossenem kleinen Handel bogen, stach der saubere Zafira sofort ins Auge. Ein paar Kratzer hier, eine kleine Delle da. War halt ein Rentnerwagen. Dieses Mal bekamen wir sogar das Scheckheft zu sehen. Alles voller Opel-Stempel. Innen sauber wie ein Neuwagen (sogar noch mit dem Geruch), auch auf der Probefahrt fiel nichts auf. Bremsen neu, Markenreifen von 2017. Unfallfrei. Die Verkäufer waren total unkompliziert, versprachen neuen TüV und ein Jahr Garantie – auch auf ölführende Teile. Keine Stunde dauerte es und der Wagen war gekauft. Gut 3000€ unter durchschnittlichem Marktwert. Kurz nachdem wir zur Probefahrt aufbrachen, kamen die nächsten Interessenten. Viel Spaß beim Weitersuchen.
Man kann also, wenn man will, noch Trüffel finden. Oder einen guten Gebrauchtwagen. Nur eines dabei ist wirklich nervig. Die Verkäufer.
Einen solchen Auftrag hätte ich aus ästhetischen Gründen niemals angenommen.
Ich habe halt ein großes Herz!
Es soll ja auch Leute geben, die in Städten wohnen. Würde ich aus ästhetischen Gründen nie! 😉
Stell Dir mal vor, wir würden auch aufs Land ziehen. Dann wäre bald keines mehr übrig… 😉
Genauso ist es mit hübschen Autos! Würde sie jeder fahren, würden wir sie langweilig finden ;-).
Dennoch wäre die Welt dann ein besserer Ort.
Ein besserer Ort wäre die Welt dann, wenn Leute, die nicht fahren wollen, nicht fahren müssten. Und die Straßen für Leute, die Fahren wollen und mögen, frei wären… 🙂
Das wäre schön!