Kolben, frisch gebacken.

Es tut auch einmal gut in andere Schraubergaragen zu schauen, was da so abgeht.Heute geht es um gebackene Kolben, „zynische“ Zylinder und Frusteis in Friedrichsstadt.

Henkelmännchen hustet. Der Vierzylinder ruckelt recht stark. Die Tankanzeige hat seit ein paar Wochen die Angewohnheit, nicht mehr richtig anzuzeigen. Weder mein Vater, mit dem ich mir das Cabrio teile, noch ich hatten bisher Zeit nachzusehen. Bevor ich losfuhr, meinte er noch: „Für 20€ hab ich neulich noch einmal zugetankt.“ Anscheinend war der Sprit da gerade sehr teuer. Mit letzter Kraft erreiche ich die Tankstelle. Glück gehabt. Stehen bleiben wäre schade gewesen, denn Henkelmännchen und ich haben heute noch ein wenig vor. Wir wollen mal in eine andere Schraubergarage gucken. Was wird da eigentlich so getrieben?

„Ich muss den Kolben wechseln. Hast du Lust dir das mit anzuschauen?“ Vor einigen Monaten lernten Elsa und ich den Marek und sein BMW R26-Gespann namens „Lili“ Sonntagsbeschäftigungkennen. Elsa und Lili verstanden sich sofort gut – Elsa hatte eine neue Freundin gefunden. Auch Marek und ich haben in der Zwischenzeit schon einiges unternommen. Er ist halt ein cooler Typ. Inzwischen hat er sogar noch eine zweite BMW R26, die er komplett zerlegt erworben hat. Die möchte er wieder aufbauen. Finde ich cool. Ich mag die alten, bayrischen Einzylinder. Auf seinem frischen und absolut lesenswerten Blog „MarschZylinder“ (Marek, Mensch, du wohnst in der Geest 😉 ) dokumentiert er die Wiederauferstehung „Marleens“ und alle Geschichten rund um Lili.

Fröhlich gluckernd trinkt Henkelmännchen das Super. Bei 25€ lass ich es erst einmal gut sein. So ein Tankgeber (und Spritleitungen) lassen sich wohl schöner erneuern, wenn der Tank nicht ganz so voll ist. Lili ist krank. Vor einigen Wochen machte ihre Zylinderkopfdichtung ein wenig Ärger. Bei der Reparatur derselbigen sah Marek dann, dass Kolben und Zylinder schon starke Schleifspuren hatten – und auch die Kolbenringe alles andere als taufrisch waren. Und das soll nun neu. Ich drehe am Zündschlüssel. Dafür, dass er eben stotterte, springt Henkelmännchen erstaunlich schnell an. Ich lege einen Gang ein und fahre leicht und heiser röhrend von der Tankstelle.

„Du siehst aus wie so’n Rentner mit deiner Mütze“, ruft es durch das offene Verdeck, als Henkelmännchen knirschend auf die Kiesauffahrt des Headquarters von „MarschZylinder“ rollt. Marek ist ein echt cooler Typ. Lange Haare, immer ein Spruch auf den Lippen und die Metal-Musik läuft irgendwie immer im Hintergrund. Ich steige aus, setze meine Kappe ab und gehe mal schauen. „Du hast ja nicht gerade die besten Schrauberklamotten an!“, meint er zu meinem Hemd. Wo er recht hat… Ich ziehe es aus. Es ist eh warm. Also, was machen wir nun?

Der Tank muss weg. Auch eine Arbeit, die mir bei Henkelmännchen noch bevor steht. Wirklich Lust habe ich darauf nicht, weil die Hinterachse dafür wohl auch raus muss. Das geht bei bei der Einzylinder-Maschine mit Stahlrohrrahmen (zum Glück) wesentlich einfacher. Tank trocken legen, Schlauch 1 ab, Schlauch 2 ab und hoch damit. Obwohl… ich glaube, ich habe es jetzt noch einfacher klingen lassen, als es ist 😉 . Aber wenn der Tank raus ist, liegt der 247-Kubikzentimer-Viertakter in seiner kompletten Schönheit vor einem. Kann man Motoren eigentlich als schön bezeichnen? Schon, oder? Wenn man so an einige Doppelnocker denkt? Oder eben an diesen schönen BMW-OHV-Motor?

Schnell zerlegt ist er ja. Ich bin begeistert. Ich habe mal vor einigen Jahren einen chinesischen Rasenmähermotor für ein Referat in der Schule zerlegt – das hat alles wesentlich länger gedauert. Vielleicht liegt es auch daran, dass die BMW immer gut gepflegt wurde und nicht alle Schrauben festgegammelt sind. So ein Stoßstangenmotor ist schon etwas Schönes. Hängende Ventile, seitliche Nockenwelle – schrauber-freundlicher geht es kaum. Außer vielleicht ein Volvo-Motor. Der geht ja nie kaputt, wie alle Volvofahrer immer zu hören bekommen. Genauso, wie Schwedenstahl nie rostet… Der Zylinder wehrt sich nicht und lässt sich abnehmen. Der Kolben sagt uns „Guten Tag“.

Marek ist fleißig. Und ich schraube (mit Sonnenbrille) den Auspuff ab. Niemals mit Sonnenbrille schrauben. So kann man schnell mal Kontermuttern übersehen und für eine Mutter halten. Wie das halt so ist. Die Sprengringe fliegen fröhlich durch die Gegend, der Kolbenbolzen wird sich kaum wehrend aus seinem Versteck gedrückt. Alles bereit für den neuen Kolben! Marek setzt die neuen Kolbenringe rauf, während ich weiter am Auspuff und (geistig) auch schon an meiner Effizienz arbeite.

Backe, backe Kolben, der Bäcker hat.. äh.. Nein. Das passt nicht wirklich. Ich denke über eine andere Umtextung des Kinderliedes nach, während ich Marek unauffällig in seine Küche folge. „Den Kolben auf 80°C erhitzen“ steht im originalen Werkstatthandbuch von BMW. Diese Bücher sind für Do-it-yourself-Schrauber goldwert. Ihr werdet in den nächsten Wochen von zwei Büchern hier bei „Watt’n Schrauber“ lesen können. Eines ist extrem unterhaltsam und das Geld auch wert, bei dem anderen finde ich es schade, dass ich es ausgegeben habe. Ich hatte mir mehr erhofft. Der Ofen geht auf, der Kolben geht rein. Ich muss an ein Solarium denken. Ob der Kolben wenigstens gut schmeckt?

Cut. Der Zylinder ist ein Arschloch. Henkelmännchen fährt heiser röhrend an grünen Bäumen und Wiesen vorbei. Was genau passiert ist, werdet ihr bald bei „MarschZylinder“ lesen. Eigentlich sollte die BMW heute noch für eine Tour herhalten. Daraus wird leider nichts. Marek ist ziemlich enttäuscht. Ich kann es verstehen. Zumindest die kleine Fahrt nach Friedrichsstadt muntert ihn wieder ein bisschen auf. „Der Sound ist ja schon geil!“ Wo er recht hat… Ich mag Autos ohne Katalysator, die noch richtig frei atmen dürfen. Die Landstraßen sind zum Glück recht leer. Das Wetter ist gut. Wir philosophieren etwas über offene Autos und zweirädrige Freiheit. Die Tankanzeige scheint komischerweise wieder zu funktionieren. Kann sich da was verhaken?

Das Eis hat geschmeckt, die Fahrt nach Hause auch. Es ist zwar keine Fahrt mit „Lili“ gewesen, aber ich glaube, Marek hat es trotzdem Spaß gebracht. Ich setze den Blinker und fahre von der Kiesauffahrt herunter. Wieder in Richtung Heimat. Ich habe dieses Mal noch Sprit im Tank und die Straßen sind leer. Einige tolle Kurven liegen vor mir. Das erste Mal, seit ich Henkelmännchen fahre, lasse ich es mal ein wenig flotter angehen. Henkelmännchen röhrt fröhlich und gar nicht mehr so heiser ein Lied in die Sommerlandschaft Dithmarschens. Die Reifen quietschen aber keine Melodie dazu.

Zu Hause stelle ich ihn fröhlich tuckernd in die Garage. Ich schaue auf das Werkzeug. Eigentlich müsste ich auch an meinen Mobilen anfangen, die Macken wegzuschrauben. Irgendwie habe ich sogar mal Lust gefunden. Ich steige aus und bewaffne mich mit dem Werkzeugwagen.

„So, Henkelmännchen. Dann zeig doch mal deinen Tankgeber.“

Schrauben. Es kann motivieren. Und entspannen.

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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3 Responses

  1. spidersnoopy sagt:

    Da geht es ans eingemachte. Ich habe die Geschichte natürlich weitergelesen 🙂

  1. 31. Dezember 2017

    […] Zeit- und auch aus Geldmangel nicht. So genoss ich mit ihm viele Alltagsfahrten, fuhr auch mal mit Freunden eine Runde oder nutzte ihn auch, um mal eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Sechstausend Kilometer […]

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