Vom Autowäscher zum Wetterfrosch.
Viele Leute lachen immer über die Sauberkeit meiner Fahrzeuge. „Hast du den geteert?“
Warum ich gar nichts dafür kann, dass meine Autos eigentlich immer dreckig aussehen.
Nagut. Ich muss zurückrudern. Zumindest bei einem Auto kann ich etwas dafür, dass der Lack immer so dreckig aussieht, als hätte man ihn eingeteert (Schöne Grüße an Thomas an dieser Stelle!). Mein Alltagsauto ist für mich ein fast ein reiner Gebrauchsgegenstand. Der alte Golf fährt mich in der Woche gut eintausenddreihundert Kilometer durch die Gegend. Geht er kaputt, wird er repariert. Technische Pflege bekommt er auch häufig – und sogar mehr als von Volkswagen vorgeschrieben. Das Aussehen ist mir bei dem Wagen nicht so wichtig. Ab und zu wasche ich ihn mal, wenn ich nicht mehr aus den Seitenscheiben schauen kann. Zwei Mal im Jahr bekommt er sogar eine Kur mit Hartwachs. Aber ansonsten nutze ich ihn dafür, wofür er auch gebaut wurde. Zum Fahren. Jeden Samstag das Auto zu waschen und zu saugen käme mir nicht in den Sinn. Er fährt auch dreckig. Einmal im Jahr ernte ich noch die Radieschen und kippe auch noch die Erde aus dem Fußraum – das war es. Für den Rest ist mir meine Zeit zu schade.
Aber dann sind da noch meine Spielzeuge. Die Zündapp, Elsa, Henkelmännchen und der Elch. Bei denen sehe ich das ein wenig anders. Da genieße ich das Fahren und möchte auch möglichst jeden Meter ausnutzen und das Auto erfühlen. Da finde ich sauberen Lack und gesaugte Innenräume doch wesentlich schöner. Es sind ja keine Nutzfahrzeuge für mich. Die Zündapp, der unzuverlässigste Gegenstand, den ich je gekauft habe (Selbst mein Stuhl mit 3,5 Beinen macht seine Sache besser) wird kaum dreckig. Nach fünf Kilometern muss ich sie eh immer nach Hause schieben. Elsa hat einen wunderbar schmutzunempfindlichen Lack – und man sieht aufgrund der hellen Farbe denselbigen auch nicht so schnell. Henkelmännchen wird bei schlechtem Wetter meist nicht so häufig gefahren. Und silber ist natürlich auch sehr verzeihend, was Dreck angeht. Nur mit einem Elchen, meinem schwarzen 2003er Volvo V40, der seit dem Beginn meines Pendellebens zum „Sonntagsauto“ aufgestiegen ist, ist es irgendwie anders. Ganz anders.
Alles fing damit an, dass ich meinen Kombi-Kumpel von seinen Winterreifen befreite und Sommerreifen aufzog. Um ihn so richtig für das Frühjahr und den Sommer vorzubereiten, ließ ich ihn in einer Auto-Wellness-Oase hier in der Nähe waschen. Dort warten junge, hübsche Menschen mit weichen Putztüchern, die händisch das Auto vorsprühen, es zärtlich mit weichen Microfasertüchern streicheln und hinter den Spiegeln kitzeln, bevor es sich auf einer Liege langmachen darf. Auf dieser Liege wird es dann von Wellness-Station zu Wellness-Station gefahren. Der Unterboden wird gekrault und bekommt eine Versiegelung, der Lack wird gereinigt und bekommt noch eine Heißwachsdusche und eine Nanoversiegelung, nur um ganz zum Schluss nach dem Föhnen noch einmal von ebenfalls jungen und hübschen Menschen mit Microfasertüchern noch einmal zärtlich massiert zu werden. Mein V40 schlief fast, als ich mit ihm (nach dem Bezahlen der 18€) nach Hause aufbrach, wurde aber dann relativ schnell wach. In den zwanzig Minuten, die der Wagen in der Waschanlage verbrachte, bedeckte sich der tiefblaue Himmel. Und ja, ihr habt richtig geraten. Es begann zu regnen. Und ja – die Straßen waren matschig. Und nochmals ja – mein Auto war dreckig, als ich zu Hause war.
Gut zwei, drei Monate später. Die Semesterferien hatten begonnen und ich wollte meinen Fuhrpark mal so richtig auf Vordermann bringen. Waschen, polieren, wachsen, den Innenraum sauber machen, alle Kleinigkeiten wegreparieren und am Ende des Tages der Tage mein Werk stolz begutachten. Der V40 wurde eingestaubt aus der Ecke des Carports geholt, in der er seit zwei Wochen stand und bekam wieder eine Wäsche in der Oase. Ich zahlte wieder meine 18€ und fuhr in Richtung Heimat, um den Wagen noch mehr aufglänzen zu lassen, als er es eh schon tat. Unterwegs traf ich auf eine Schar Möwen, die vor Schreck hochflatternd ihren Schließmuskel (sofern Möwen überhaupt einen haben) nicht mehr so im Griff hatten. Ich hörte es einige Male platschen. Zu Hause angekommen befreite ich mit Wasser, Seife und Lappen den eigentlich noch glänzenden Lack von den HInterlassenschaften der Möwen. Danach machte ich mich an die Arbeit. Einen ganzen Nachmittag polierte, wachste und saugte ich. Als das Lederfett in die Sitze eingezogen war, drehte ich noch eine Genussrunde. Der LKW vor mir musste ausweichen, weil ein Renault mitten auf der Straße fuhr. Er kam mit dem Hinterreifen auf die aufgeweichte Bankette, der Matsch spritzte und traf (natürlich) genau mein Auto. Ich parkte den Wagen danach ins Carport und dachte darüber nach, wie es wohl so ist, wenn es die Lebensaufgabe eines Menschen wäre, weißen Schnee weiß anzumalen.
Im August wollte ich mit dem Wagen die fünfjährige Freundschaft feiern und unternahm eine Tour mit ihm an die Schlei. Um stilvoll zu reisen (und um ihn vom Dreck zu befreien) fuhr ich mit ihm wieder zur Autopflege-Oase. Dieses Mal, in weiser Vorraussicht, ließ ich ihm ein Pflegeprogramm für zehn Euro zukommen. Ihr könnt es euch denken – als ich den Wagen in die Oase fuhr, war strahlend blauer Himmel mit vereinzelten, aber harmlosen Wolken. Als ich den Wagen aus der Oase fuhr gab es einen Platzregen, der es in sich hatte. Auf dem Weg nach Hause verlor ein Miststreuer vor mir seine Ladung. Zu Hause angekommen war die Hälfte des Wagens gesprenkelt, Mist klebte auch noch in den Radkästen. Mit dem Gartenschlauch spülte ich die Scheiße ab. An der Schlei angekommen am nächsten Tag regnete es Bindfäden. Den ganzen Tag lang. Und natürlich waren auf dem Weg hin (oder wieder zurück) die Straßen nicht sauber. Abends zu Hause angekommen war mein Wagen wieder genauso dreckig wie vor der Wäsche. Anscheinend ist der Wetterfrosch dagegen, dass ich einen sauberen Volvo-Kombi habe.
„Wetten, dass es heute oder morgen regnet?“
Vor sechs Tagen entschied ich mich dazu, den Wagen aus seiner staubigen Lage zu befreien, ihn zu tanken und ihn zu waschen. Den Trend hatte ich schon deutlich erkannt, deshalb wettete ich mit meiner Mutter, dass sich der blaue Himmel bald verziehen würde. Nach fast 50 Liter Super gönnte ich dem Auto dann doch noch zusätzlich das 18€-Wellnessprogramm der Autooase. Ganz entspannt fuhren wir nach Hause – und ganz zu meinem Erstaunen blieb der Himmel blau und das Auto auch einmal sauber. Wissend, dass ich so schnell keine Zeit mehr für den schwarzen Kombi haben würde, deckte ich den Wagen mit einigen alten Bettlaken ab und ließ ihn ruhen. Ich zahlte meine Wettschulden (es hatte ja nicht geregnet) und freut mich über die nächste Tour mit meinem sauberen Auto.
Bis heute. Der Himmel ist blau, das Wetter ist gut. Ich muss noch ein wenig einkaufen fahren, denn der Kühlschrank ist schon wieder im Studentenmodus. Und ich möchte nicht noch einmal eine Woche nur mit Brot und Senf überleben. Ich entscheide mich dafür, meinem V40 mal wieder ein wenig Bewegung zu können. Laken runter, Motor an, los geht es. 28.6 km zeigt der Tageskilometerzähler an. Das ist so ziemlich die Strecke von der Tankstelle und der Pflegeoase nach Hause. Der Motor läuft ruhig, das Radio summt und die Reifen rollen langsam in Richtung Supermarkt. Das Auto ist sauber und die Landstraßen leer. Ich fühle mich total wohl. Ich stelle den Wagen im hintersten Eck des Parkplatzes ab und schaue mich beim Reingehen noch einmal um und freue mich, wie gut der Wagen für seine vierzehn Jahre noch aussieht.
Nach einer Viertelstunde verlasse ich den Supermarkt und bleibe kurz hinter der automatischen Tür stehen. Es gießt wie aus Eimern. Ich sehe auf meinen Volvo, der weit hinten in der Ecke ganz alleine steht. Und auf die Straße nach Hause, die gerade von einem Trecker mit Kohlanhänger befahren wird. Der Matsch spritzt nur so von den Reifen. Ich gehe langsam in Richtung meines Autos. Der Regen perlt wunderbar vom (noch) sauberen Lack ab. Der Kilometerstand zeigt 42,3. 18€ für ein Auto, das nur 42 Kilometer lang sauber ist…
Anscheinend soll mein Volvo Kombi nicht sauber sein. Ich akzeptiere das. Ich gebe auf. Ich wasche mein Auto nicht mehr. Vielleicht versuche ich es nur noch ein einziges Mal.
Und wenn es dann regnet… dann werde ich Wetterfrosch.
Oder Wetterwäscher?
Murphys Gesetz 😉
Das wird wohl so sein! 🙂
Ja Lars, der Volvo wird wieder dreckig bei Regen …. aber Kopf hoch, der Golf wird bei jeder Regenfahrt wieder sauberer … und das kostet keine 18 Euro. Jetzt fang ich mal eine einfache Rechnung an, wie oft bist du schon bei Regen gefahren und wie oft war der Golf sdanach sauberer … von daher hast du ordentlich Geld verdient … allein durchs Nichtwaschen!
Da magst du natürlich recht haben! Von der Seite her habe ich es noch gar nicht betrachtet. Der Golf wird ja praktisch umsonst gewaschen – sogar in diesem Moment, in dem ich hier schreibe.
Einmal bin ich in Hamburg durch so einen Regen gekommen, dass mein Wagen danach tatsächlich sauberer war – aber ich glaube, dass es inzwischen nichts mehr bringt. Aber ich werde es gleich merken, ob die Scheiben sauber genug sind, wenn ich gleich wieder in die Hansestadt fahre.
Schöne Grüße
Lars