Projekt LowBudgetBenz – ein neues Leben.

Nach einigen Wochen des Überlegens kann ich nun sagen: Ich habe mich entschieden.SAMSUNG CAMERA PICTURESEs wird ein neues Projekt bei „Watt’n Schrauber“ geben. Hein bekommt eine Chance.

Das Blöken hört sich fast so wie ein freches Kichern an. Die kleinen Lämmer springen freudig über die alten Priele, die die Salzwiese hier in rechteckige Stücke zerteilen wie ein Messer einen Blechkuchen. Es ist ungewöhnlich windstill für die Nordseeküste. Die Sonne scheint freudig. Ich öffne ratschend den Reißverschluss meiner Jacke. Die Gute da oben hat schon mächtig Kraft. Der Himmel wirkt so blau wie ein (leicht blasser) SAMSUNG CAMERA PICTURESSchlumpf ohne Mütze. Die Schafsmütter liegen relaxed im Gras und saugen die ersten richtigen Frühlingssonnenstrahlen diesen Jahres auf. Genauso wie ich. Ein Schwarm Möwen fliegt kreischend über den Deich und über uns hinweg. Kurz unterbrechen die kleinen Lämmer ihr Spiel und schauen den Möwen nach, die weiter kreischend in Richtung Meer fliegen. Die Mütter zucken nicht einmal mit den Ohren. Leise pfeife ich die Melodie von „Sittin‘ on the dock of the bay“ von Otis Redding vor mich hin. Inzwischen scheine ich die rennenden Wollknäule nicht mehr zu stören. Sie springen einfach freudig um mich herum. Ich atme tief ein. Die Luft riecht nach Frühling – mit einer kleinen Spur Salz. Ich bin froh in Dithmarschen zu wohnen und das jederzeit haben zu können. Ich wühle in meiner Jackentasche herum. Der schwarze, eckige Schlüssel mit dem Hufeisen als Schlüsselanhänger hat sich ein wenig im Futter verheddert. Das Rascheln meiner Jacke scheint die kleinen Hüpfer zu stören. Sie rennen lieber zu ihren Müttern und schauen mich aus einer sicheren Distanz an. Ich fühle das raue Plastik des Schlüssels in meinen Fingern. Symbolisch strecke ich ihn der Sonne entgegen. Der kleine eingeträgte Stern ist fast zu übersehen, das kleine Hufeisen aus Plastik ist schon ein wenig abgegrabbelt. Genauso wie das Auto, zu dem der Schlüssel gehört. Ein Auto, das sich nach fast dreißig Jahren harter Arbeit ein neues, anderes Leben verdient hat.

Ich stehe auf und wische mir Gras und trockene Schafskacke vom Rücken. Langsam laufe ich auf die Spitze des Deiches. Ich schaue herunter, während ich hinter meinem Rücken wieder das freudige Kichern der Lämmer höre. Dort steht er, der alte Kahn. Ungeliebt, vernachlässig, aber dennoch treu.

SAMSUNG CAMERA PICTURESUnd bereit mit seinen alten, müden Knochen möglichst genauso treu seinen Dienst zu verrichten, wie er es bei den letzten sieben Besitzern in den letzten 28 Jahren getan hat. Doch meiner Meinung nach ist es Zeit für eine Veränderung.

Zeit für ein neues Leben.

Ich habe ja ein wenig mit mir gehadert.

Als ich nach einigen tausend Kilometern merkte, dass Hein doch ein wenig mehr Aufmerksamkeit brauchte, als ich es zuerst dachte, kamen Zweifel. Und auch Wut. Ich war böse auf mich selbst. Meine Leidenschaft war mit mir zu weit gegangen. Wer braucht fünf Autos? Braucht ein Student fünf Autos? Nein, natürlich nicht. So viele Autos braucht kein Mensch mit gesundem Verstand. Ich war sauer über meine Unvernunft noch ein Auto gekauft zu haben. SAMSUNG CAMERA PICTURESEs war zwar schon lange ein Traum von mir, einen günstigen Youngtimer zu kaufen, den ein wenig herzurichten und damit dann einige große Roadtrips zu fahren (Aber das sagte ich euch ja schon, als ich euch den alten Kahn vorstellte.), aber so’n gammeliger, heruntergerockter Mercedes? Das hätte doch jetzt wirklich nicht sein müssen. Ich hätte das Geld doch viel lieber in die Renovierung meiner Wohnung stecken können. Oder irgendwo gut anlegen und sparen. Jedes Mal, wenn ich an Hein vorbeilief oder ihn über die Straßen steuerte, fragte ich mich, was ich mir überhaupt beim Kauf gedacht habe.

Nun habe ich eine Antwort. Ich habe genau das Richtige gedacht.

Dass ich Reisen will, steht fest. Genauso, dass es mit einem alten Auto passieren soll. Und nun – nach einigen Wochen, in denen ich überlegt habe – bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Hein dafür der richtige Kandidat ist. Ich kann ihn irgendwo parkenSAMSUNG CAMERA PICTURES ohne Angst haben zu müssen, dass mir jemand das Verdeck aufschlitzt (Henkelmännchen) oder irgendjemand am dem Auto fummelt, weil es halt Aufmerksamkeit erregt (Elsa). Wenn ein Kratzer oder eine Delle mehr in den Wagen kommt, ist es mir recht egal. Und die Substanz ist in Ordnung. Der Motor läuft super und verbraucht kaum Öl. Die Einspritzanlage ist komplett überholt worden – und das auch noch bei Mercedes-Benz. Das Getriebe schaltet sauber, das Differential ist auch leise. Und auch die Karosserie ist gut – akut geschweißt werden muss nichts. Alle typischen Schwachstellen sind rostfrei oder zumindest noch stabil. Alle Arbeiten, die anstehen, sind mehr oder weniger typische Gebrauchtwagenmängel – gerade für ein Auto, das nur 800 Euro gekostet hat. Und bestimmt einfach zu reparieren.

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Aber das werde ich herausfinden. Hiermit ist das Projekt „LowBudgetBenz“ gestartet. Mein Ziel? Den alten 230E wieder alltags- und langstreckentauglich zu machen – natürlich möglichst günstig, aber ohne Pfusch. Ganz grob im Hinterkopf habe das Erreichen des „historischen Gutachtens“ in zwei Jahren – für möglichst unter 2000 Euro. Außerdem soll der Wagen noch einige Veränderungen bekommen, die das Reisen mit dem Auto ein bisschen angenehmer machen. Schließlich werde ich wohl auch häufiger mal in dem Auto übernachten müssen. Ob das alles klappt? Keine Ahnung. Aber zumindest von der einen Seite hat die optische Aufwertung des Autos schon einmal geklappt. Blogleser Michael und seine bessere Hälfte haben mir auf ihrem Nordseeurlaub drei Mercedes-Radkappen mitgebracht und mit mir gegen zwei Fischbrötchen getauscht. Vielen Dank noch einmal an euch beiden! Achja… und dann ist da noch das Türfangband, dass eine lange Reise aus der Schweiz hinter sich hat. Aber das wird eine andere Geschichte…

Freudig laufe ich die flachen Stufen der Betontreppe herunter. In einer Hand habe ich den Schlüssel von Hein, mit der anderen Hand schnipse ich zu meinem Pfeifen. Ich habe einen Ohrwurm. Ich laufe auf Hein zu. Sein zerkratzer Lack versucht noch ein bisschenSAMSUNG CAMERA PICTURES zu glänzen, doch wirklich gelingt ihm das nicht. Knackend gibt die Zentralverriegelung den Weg frei, ein ekliger Duft strömt aus dem Wagen. Ich freue mich. Ich freue mich schon darauf, den Wagen wieder fit zu machen und Dinge mit ihm zu erleben. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass auch er sich darauf freut. Ich drehe den Zündschlüssel. Alle Lampen erlöschen. Der Anlasser dreht, der Wagen schüttelt sich kurz und springt an. Ein kleines Lamm schaut uns neugierig zu. Ich lege den ersten Gang ein und lasse die Kupplung langsam kommen. Die lockere Auspuffverbindung lässt Hein ein bisschen sportlicher wirken als er eigentlich ist. Ich lehne mich zurück und schalte die CD ein. Otis Redding stimmt zu meinem Pfeifen ein. Ich schaue durch die große Windschutzscheibe. Der Stern glänzt noch, doch mir ist die Kühlerfigur recht egal. Ich habe einen treuen Reisebegleiter gesucht – und ich habe ihn gefunden. Ich muss ihm halt nur noch ein bisschen auf die Beine helfen, bevor wir starten könnten.

Und genau das werdet ihr bald zu lesen bekommen.

 

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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1 Response

  1. 30. Mai 2021

    […] dabei seid, sollte ich euch Hein vielleicht erst einmal vorstellen. Das mache ich aber nicht. Im ersten Teil könnt ihr nachlesen, wer oder was Hein und das Projekt “LowBudgetBenz” ist. Und wenn […]

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