Inga Ölström – Das Kupferherz

Statt Sonntagsfilm heute mal eine etwas andere Schraubergeschichte. Von Inga Ölström.Eine kleine Liebesgeschichte mit Pumpen und Düsen, Kabeln und heißen Verehrern.

Siebzehn Jahre war sie vernünftig gewesen. Siebzehn Jahre.

Es ist ja nicht so, dass die Versuchung nicht schon vorher da gewesen wäre. Sie war immer da. Doch man hatte ihr Anstand beigebracht. Und Fleiß. Und Vernunft. Ihre Gefühle zählten nicht. Sie musste funktionieren. Immer. Ansonsten hätte es zu verheerenden Folgen kommen können. Und zuerst fiel ihr das auch leicht – obwohl er von Anfang an da war. Sie war gerade in ihren Job eingewiesen worden, da kam er schon an. Schleimend und auch viel zu nahe. Ihr fiel es leicht auf Distanz zu gehen. „Ekliger Kerl!“, dachte sie sich da noch und hoffte (ihn ignorierend und einfach ihrer neuen Arbeit verrichtend), er würde sie mit der Zeit in Ruhe lassen. Häufig reiche es ja, die kalte Schulter zu zeigen.

So vergingen die Jahre.

Und er blieb immer hartnäckig. Jeden Tag kam er viel zu Nahe. Belästigung am Arbeitsplatz, doch irgendwie schien es ihr irgendwann zu gefallen. Ihre Arbeit war nach all den Jahren wirklich monoton. Sie wusste in jeder Situation, wie sie sich zu verhalten hatte. Es war ein Mechanismus geworden. Sie musste immer nur irgendwelche Informationen weiter geben. Ihre einige Meinung? Die hatte auch nach all den Jahren keine Bedeutung. Dabei hatte sie doch schon so viel Erfahrung gesammelt. Aber das interessierte einfach keinen. Sie musste Informationen von anderen einfach nur weiterleiten. Immer und immer und immer wieder. Mehr nicht. Sie fühlte sich gelangweilt und unwichtig, obwohl sie genau wusste, dass ohne sie nichts rund laufen würde. Aber da war halt diese Gewissheit – Abenteuer hatte sie nicht mehr zu erwarten. Und sie fühlte sich einsam. Irgendwie schienen ihr seine warmen, fast schon zarten Näherungen langsam zu gefallen. Und nach all den Jahren kam er ihr auch gar nicht mehr so eklig vor. An den Geruch, der am besten mit „leicht-süßlicher-Teer“ zu beschreiben ist, hatte sie sich gewohnt. Manchmal spielte sie kurz mit den Gedanken für ihn weich zu werden, doch sie wusste: Nicht am Arbeitsplatz. Das würde nur im Chaos enden.

Die Arbeit ging schließlich vor.

Irgendwann verging kein Tag mehr, an dem sie nicht an ihn denken musste. Wie sollte sie auch anders? Jahrelanges Ignorieren hatte nicht geholfen. Er war halt immer da. Immer. Und hatte sich immer an sie geschmiegt. Und irgendwie wurde er ihr sogar ganz sympathisch. Ab und zu wusch er sich und roch ganz frisch, doch irgendwie freute sich schon darauf, dass er endlich wieder nach süßlichem Teer roch. Sie hatte sich dran gewöhnt. Er war der Einzige, der wirklich zu ihr hielt. Durch seine warmen Liebkosungen fühlte sie sich nicht mehr unnütz. Und nicht mehr so alleine. Insgeheim genoss sie es und fühlte sich auch irgendwie entspannter. Der Arbeitsplatz war nicht leise und so ein bisschen Zärtlichkeit ließ ihre Aufgabe auch nicht mehr ganz so dunkel wirken, wie es ihr in den letzten Jahren vorkam. Doch sie wusste, mehr durfte nicht passieren. Schließlich war sie ihrer Verantwortung bewusst. Ein Fehler? Niemals. Die Arbeit ging vor. Vernunft, Anstand, Pflichtbewusstsein. Sie sprach es sich immer wieder vor.

Bis zum Tag X.

Sie spürte, wie er sie langsam mit seinem warmen Charakter einnahm. Sie konnte sich nicht mehr helfen. Sie dachte nicht mehr an Anstand und Pflichtbewusstsein. Er und Sie. Das war nun alles, was zählte. Wie ein warmer Fluss umschloss er sie wohlwollend. Kurz kamen ihr noch einmal Gedanken, dass sie es eigentlich nicht durfte, doch die verflogen schneller als sie gekommen waren. Langsam und charmant hatte er sich seinen Weg in ihr Kupferherz gebahnt. Er hatte es geschafft und sie weichgespült. Und sie ließ es zu, nach all den Jahren des Wartens. Vorsichtig und sich leicht schämend ließ sie ihre isolierenden Hüllen fallen, doch sie wusste: Mit ihm an ihrer Seite würde sie nicht frieren. Nie wieder. Sie vergaß alle Verpflichtungen und gab sich ihm hin. Langsam verschmolzen sie in den Tanz der Zweisamkeit. Sie spürte etwas, was Liebe sein musste.

Doch schnell holte sie die Realität ein.

Es dauerte nicht lange, so, als würde man eben zum Einkaufen fahren. Er war ihr dahingeflossen. Mitgerissen vom warmen Strom der Leidenschaft. All die Jahre war sie sich sicher, dass es ein Fehler wäre – und nun war es passiert. Nun lag sie da. Einsam. Sie fror. All die Jahre hatte er versucht, sie weichzuspülen und siebzehn Jahre hatte sie stand gehalten. Siebzehn Jahre war sie pflichtbewusst ihrer Arbeit nachgegangen. Doch das war nun nicht mehr möglich. Sie hatte sich gehen lassen. Ihre Gefühle gezeigt und den Weg zu ihrem Herzen geöffnet. Von nun an könnte sie keine rationalen Gedanken mehr fassen. Sie könne einfach nicht mehr nur funktionieren. Nur dieses kleine Abenteuer mit ihm hatte für großes Chaos gesorgt. Vielleicht würde sie es erst einmal noch schaffen, für einige Zeit zu funktionieren, doch sie war sich sicher: Sie könnte ihm nun nicht mehr widerstehen. Das Gefühl hatte eine Sucht in ihr ausgelöst. Sie würde ihm wieder verfallen. Und sie würde dabei kaputt gehen. Und vorallem: Nichts würde mehr rundlaufen. Für ihre Aufgabe war sie nicht mehr geeignet.

Sie wollte einfach nur noch raus.

Sie vermisste ihn nicht wirklich. Kurz vor ihrem Jobwechsel war sie immer häufiger für ihn weich geworden. Auch anderen war die kleine Affaire inzwischen aufgefallen. Es war ihr zwar etwas unangenehm, aber anscheinend schienen alle für ihre Situation Verständnis zu haben. Gerüchten nach waren schon viele ihrer Kolleginnen solchen hartnäckigen Verehrern zum Opfer gefallen. Ihr würde das nun nicht mehr passieren. Sie hatte die Branche gewechselt und diente als Beispiel, warum es nicht gut ist, wenn man zu lange unter dem Einfluss von diesen schleimigen Stalkern steht. Offen zeigte sie, was er mit ihr gemacht hatte und erzählte ihre Geschichte. Wie sie siebzehn Jahre treu arbeitete und das eine Mal alles veränderte…

Nur den Geruch nach leicht süßlichem Teer, den konnte sie nicht ablegen. Ganz ohne ihn wollte sie doch nicht sein.

Schließlich waren es auch schöne Erinnerungen.


So, eigentlich wollte ich euch heute nur erzählen, dass ich nach 17 Jahren und fast 300 000 Kilometern leichte Aussetzer am Pumpe-Düse-Diesel meines Golf Variant „Harald“ hatte, doch die Geschichte, die mir der alte Pumpe-Düse-Kabelbaum erzählte, ließ mich einfach nicht kalt. Zusammen mit meiner Kollegin Inga Ölström (Bekannt aus allen Medien – schöne Grüße an dieser Stelle!), die für das nötige Feingefühl sorgte, hielt ich es für nötig, diese emotional tiefgreifende Geschichte in die Welt zu tragen.

Achja! Ein neuer Kabelbaum (das Öl hat einen neuen Spielgefährten) von VW und gut zwei Stunden Arbeit (eine davon habe ich versucht das Werkzeug aus der Motorwanne zu fischen) – und der Wagen läuft wieder wie neu. Ich mag meinen Dieseldackel.

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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4 Responses

  1. thorsten sagt:

    Gut gemacht und gut erkannt. Der Kabelbaum im Öl ist das Hauptübel dieser Motoren, manchen Besitzern wurde in einem solchen Fall schon ein neuer Kopf angedreht…

    Ich hab den Saab auch zum Laufen bekommen. Ich hab den Tank kurzfristig durch einen Bootstank ersetzt. Es gibt ja keine.
    Wie kann sowas nach nur 6tkm innen so rostig sein…

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Thorsten,

      ich hatte deinen Hinweis mit dem PD-Kabelbaum noch im Hinterkopf – deshalb habe ich den zuerst getauscht. Und alles läuft prima! Die Kiste Bier muss ich dir dringend nochmal vorbei bringen.

      Kann man den Saab-Tank denn noch retten? Ich habe Elsas Tank damals von innen entrostet und dann versiegelt. Bisher hält es. Mal sehen, wie lange noch.

      Schöne Grüße nach Niedersachsen
      Lars

      • thorsten sagt:

        Nach Berichten aus der Szene hält bei der aktuellen Spritqualität die althergebrachte Tankversiegelung nicht mehr sehr lange. Die „Aufgeklärten“ nehmen mittlerweile wohl für sowas Galvanik in Anspruchm, mit entsprechender Vorarbeit wie mechanisches Entrsten, Säurebad usw..
        Zu retten wäre der Saab-Tank bestimmt, von aussen ist er wie neu, aber ich kenne da jemanden, der die Kosten scheut. Ich denke, er wird als Muster für eine Nachfertigung herhalten. Die fast rechteckige Konstruktion ist ja kein Hexenwerk.

        Schauen wir mal…

        • LarsDithmarschen sagt:

          Hey Thorsten,

          ich habe Elsas Tank auch mechanisch entrostet, dann noch einmal Säure reingekippt – und dann die Tankversiegelung. Seit zwei oder drei Jahren hält sie – auch mit V-Power. Der Benzinfilter ist zumindest noch schön sauber. War auch ein Teufelszeug. Habe ein paar Dämpfe eingeatmet und danach ging es mir tagelang nicht sehr gut…

          Aber wenn man ihn nachfertig kann, ist das ja gut! Da werden sich bestimmt noch einige Saab-Fahrer freuen. Ich würde auch einen nehmen. Also einen Saab. Aber erstmal habe ich genügend Autos. Erstmal 😉

          Schöne Grüße
          Lars

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