Neueröffnung
Seit dem Kauf war der größte Schandfleck an Hein das kaputte, zugeklebte Schiebedach.Das sollte sich ändern: Weg mit dem Gaffatape, wir wollen frische Luft. Diesmal mit Hilfe!
„Geil! Ich schraube mit dem Watt’n Schrauber!“
Mein Gegenüber schaut mich freudig grinsend an. Ich muss lachen. „Du willst doch nur einmal live sehen, wie ich versage oder mich verletze, oder? Gib es zu!“ Ich habe es eben nicht gelernt. Ich habe keine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker oder zu irgendeinem anderen technischen Beruf gemacht. Alles, was ich an meinen Autos verbreche, mache ich im „Learning by doing“-Verfahren. Und – da bin ich ganz ehrlich – ganz oft geht dabei etwas schief. Entweder funktionieren meine eher ungewöhnlichen Schraubermethoden nicht – oder ich verletzte mich dabei. Zwei Mal bin ich deshalb schon in der Notaufnahme gelandet. Seitdem bin ich um einiges vorsichtiger geworden. Trotzdem war ich ziemlich froh, dass ich dieses Mal Schrauberhilfe bekommen sollte – und dann noch von einem Profi. Mein Kumpel Lukas (Treue Leser werden sich an die Geschichte über seinen Seat Marbella erinnern) hatte sich angeboten, mir beim Schrauben an meinem „LowbudgetBenz“ Hein zu helfen. Und ich nahm es an.
Im April nahm ich mir vor, endlich keine Reparaturen mehr aufzuschieben. Ich wollte mir jeden Monat ein Wochenende frei nehmen und die To-Do-Listen meiner Autos nach und nach abarbeiten. Das klappte zuerst auch relativ gut, ließ dann aber irgendwie stark nach. Im Mai hatte ich zu viel um die Ohren – und der Juni war auch nicht viel besser. Besonders mein alter Mercedes „Hein“, den ich im Februar 2018 für einen schmalen Taler kaufte, wurde ein wenig vernachlässigt. Ich gönnte ihm zwar zum Saisonbeginn einmal einen Ölwechsel und ich probierte an ihm einmal meine neue Poliermaschine aus, das war es aber auch schon. Ansonsten wurde er einfach nur gefahren. Und bis auf einen auseinandergerosteten Mittelschalldämpfer tat er das auch ohne Probleme. Rostige Radläufe, eine gebrochene Frontstoßstange und ein kaputtes Schiebedach hinderten mich nicht daran, lange Touren mit dem alten Mercedes zu genießen. Dachte ich.
Vorübergehend geschlossen.
Es fiel mir ja relativ schnell auf. Schon auf der Überführungsfahrt vom Vorbesitzer nach Hause machte sich das Schiebedach selbstständig. Doch das kam nicht überraschend. Der Vorbesitzer hatte mich schon vor den missglückten Reparaturversuchen seines Vorgängers gewarnt – und zu übersehen waren die auch nicht. Wenn man auf den vorderen Sitzen Platz nahm und nach oben schaute, konnte man ungehindert auf schwarzes Blech und einen stümperhaft auseinander gehackten Schiebedachmechanismus sehen. Trotzdem war ich etwas erstaunt, als sich das Schiebedach auf der Überführungsfahrt bei Geschwindigkeiten von über 80 km/h wie durch Geisterhand von alleine öffnete. Muss ich erwähnen, dass es kalt war und regnete? Ich glaube nicht. Murphys Law und so. Ich behalf mir am gleichen Abend noch mit einer Rolle schwarzem Gaffa-Tape, mit dem ich das Schiebedach fixierte. Bei Hein hatten andere Baustellen erst einmal Vorrang. Gute Bremsen und ein funktionierendes Fahrwerk sind halt wichtiger als frische Luft obenrum.
Doch nach einer Fahrt an einem sonnigen Samstagmorgen, rutschte die Reparatur des Schiebedachs auf der Prioritätenliste recht weit nach oben. Wir wollten gerade am Schweriner Schloss aussteigen, als meine leidgeplagte Beifahrerin bemerkte, dass sie mit ihren Haaren im Schiebedachmechanismus von Hein festhing. Gut, eigentlich hatte sie es schon eine halbe Stunde vorher festgestellt und mir mitgeteilt – ich hielt es nur für einen Witz und nahm sie nicht ernst. Nach einer Standpauke auf dem Parkplatz merkte ich dann aber auch, dass der Fahrtwind durch die offenen Fenster ihre langen Haare wirklich gut in den Mechanismus verwirbelt hatte. Noch am gleichen Abend schaute ich bei Ebay nach passenden Hubwinkeln. Die recht filigranen Bauteile sorgen nicht nur für die Kipp- und Hubfunktion des Schiebedaches, sondern gehen auch recht schnell kaputt, wenn das Schiebedach nicht genug und regelmäßig geschmiert wird. Und Hein wurde von den letzten Vorbesitzern wirklich nicht gepflegt.
Team – toll, ein anderer macht’s.
Eigentlich war es mir ja ein bisschen unangenehm, dass Lukas mir helfen wollte. Der kreative Hobbyzeichner hatte schließlich seinen Urlaub an der Nordsee gebucht, um sich ein bisschen zu entspannen. Doch als er mir mit seinem großen Grinsen sagte: „Ich bin für alles zu haben, aber für nichts zu gebrauchen“, wusste ich, dass ich ihm wohl glauben konnte. Er hatte wirklich Spaß drauf, mir zu helfen. Eigentlich wundert es mich, dass ich daran gezweifelt habe. Lukas lebt nämlich seinen Beruf. Wer tagtäglich Autos repariert und nach Feierabend sich nicht nur freiwillig um eine Horde Marbellas, einen Bulli und einen wildgewordenen Trabbi kümmert, sondern auch noch über fast zwei Jahre lang einen Golf 3 Variant namens Siglinde restauriert (das ist eine andere Geschichte), der lebt die Materie Auto so richtig. Ehrlich gesagt – ich war wirklich froh, dass Lukas mir helfen wollte. Ich hatte mir nämlich eine komplette Schiebedachkassette gekauft. Und nicht nur die Hubwinkel.
Und das hatte auch einen Grund. Ich kenne Hein ja schon über ein Jahr und wusste, dass an dem alten 230E schon mächtig gepfuscht wurde. Ich war mir sicher, dass auch am Schiebedach anstatt mit dem richtigen Werkzeug wohl eher mit einer Axt gearbeitet wurde – wie am Rest des Autos. Als ich dann vor einigen Tagen eine komplette, funktionsfähige Schiebedachkassette in der richtigen Farbe fand, schlug ich zu. Die war nicht nur günstiger als zwei gebrauchte Hubwinkel, sondern würde auch noch alle Teile beinhalten, die vielleicht ansonsten noch kaputt wären. Doch bevor wir überhaupt eine Schraube lösen konnten, musste erst einmal das alte Gaffa-Tape ab. Das klebte da jetzt ja schon einige Zeit – und die Kleberückstände können fies sein. Und das waren sie auch. Während Lukas ihnen mit einem Lappen und einer Reinigungsflüssigkeit an den Kragen ging, wollte ich versuchen sie einfach wegzupolieren. Ich dachte, das ginge schneller.
„Ich hab’s dir doch gesagt!“
Es ging nicht schneller, ganz im Gegenteil. Ich war wohl etwas großzügig mit der Politur umgegangen und hatte meine Poliermaschine etwas zu hoch eingestellt. Im Umkreis von einhundert Kilometern (also geschätzt, vielleicht war es ein bisschen weniger) war alles voller Politurspritzer. Grinsend drückte Lukas mir einen Lappen und die Reinigungsflüssigkeit in die Hand. Ich stieg auf den Einstieg der Beifahrertür (Mir fehlt es etwas an Körpergröße – von wegen: „Iss deinen Teller leer, damit du groß und stark wirst!“ – was ist passiert? Weder noch!) und half beim Putzen. Das funktionierte tatsächlich irgendwie viel besser. Und ohne eine große Sauerei. Wie können Politurspritzer von außem ins Auto kommen?! Andererseits – wie kann man sich beim Abziehen eines Zündkabels den Fingernagel halb abreißen? Oder bei Arbeiten am Unterboden eines Buckelvolvos sich einen Schraubenzieher in den Hals rammen? Eben, genau. Und ich habe es trotzdem schon geschafft.
Beim Schrauben versuchte ich mich dann aber zu benehmen – und ich hoffe, dass es auch klappte. Schon als wir die ersten Schrauben gelöst hatten, merkten wir, dass es wohl nicht verkehrt war, eine komplette Schiebedachkassette zu kaufen. Es war wirklich viel auseinander gehackt. Eigentlich war es nicht einmal mehr möglich, den Schiebedachdeckel richtig auszubauen – doch mit etwas Gefummel und Getrickse bekamen wir ihn aber trotzdem raus. Zum Glück musste die Flex nicht zu Hilfe geholt werden – das wäre nämlich die nächste Option gewesen. Aber da merkt man es einmal wieder – auch, wenn wir zwei Anleitungen zum Tausch der Hubwinkel bereitliegen hatten – nichts kann Erfahrungen ersetzen. Wie uns die Anleitung aus dem „So wird’s gemacht“-Band erklärte, müsste das Schiebedach regelmäßig zum Schmieren zerlegt werden. Kein Wunder, dass die irgendwann trocken laufen und die Hubwinkel dann wegen der höheren Belastung brechen. Die sind nämlich nur aus Druckguss.
Aus Freude am Schrauben
Keine Sorge, ich werde euch jetzt keine Schritt-für-Schritt-Anleitung schreiben, wie man die Hubwinkel an einem W124 austauscht – die gibt es auch leicht im Internet zu finden. Viel mehr möchte ich euch vom Spaß erzählen, den Lukas und ich beim Schrauben hatten. Es verging nicht eine Minute, in der kein alberner Spruch fiel, selbst, wenn wir kurz vorm Verzweifeln waren. Doch das kam nur zwei Mal vor. Immer wieder kam von links oder von rechts ein Witz, ein alberner Gesichtsausdruck oder einfach nur ein herzliches Lachen. Sowas tut richtig, richtig gut! Trotz aller Albernheiten hatten wir die Überreste von Heins Schiebedach relativ schnell ausgebaut und die Hubwinkel aus meiner gekauften Schiebedachkassette herausoperiert. Falls ihr euch nun fragt, warum wir nicht einfach die Kassetten getauscht haben: Das wäre noch mehr Aufwand gewesen, denn dafür hätte der Innenhimmel aus Hein rausgemusst. Und das tat echt nicht Not.
„Sag mal, nimmst du auch beim Kochen immer so viel Fett?“, grinste Lukas, als er meinen Hubwinkel sah. Nach dem Motto „Viel hilft viel“ hatte ich den nämlich (wie wohl auch den Rest des Schiebedachs) gut eingefettet. Man muss seinen Beifahrern ja schließlich auch noch einen Grund zum Meckern lassen. Anstatt verknoteter Haare gibt es in Zukunft halt unfreiwillige Gel-Frisuren – zumindest bei Hitze. Irgendein Opfer muss halt jeder bringen. Der Zusammenbau ging übrigens um einiges schneller von statten als die Demontage. Vielleicht lag es daran, dass wir nun wussten, wo jede Schraube hingehört – oder einfach an den unzähligen Flachwitzen, die wir uns im Sekundentakt zuriefen. Ich weiß gar nicht, wer bei diesem kleinen Wettbewerb am Ende gewonnen hat. Ich wunderte mich nur, dass Lukas gar nicht aus der Ruhe kam. In aller Seelenruhe erklärte er mir, wie man das Schiebedach einstellen muss, während mir immer noch einmal ein dummer Spruch herausrutschte.
Et voilà.
Doch als mir Lukas den Innenhimmel in die Hand drückte, gingen mir die dummen Sprüche dann doch noch aus. Das war vielleicht ein Gefummel. Durch zwei, kleine, filigrane Plastikführungen musste er gefädelt werden – nur sehen konnte man nichts. Selbst nicht, wenn man (wie ich) den verkniffensten Gesichtsausdruck der Menschheit drauf hat. Erst im dritten Anlauf saß er da, wo er sollte. Ich glaube, das Patschen von unserem „Ja, wir haben es geschafft!“-Einschlagen hallt noch heute durch die Garage. Zumindest kribbelt meine Hand noch. Aber egal – wir hatten es geschafft: Hein hatte endlich ein funktionierendes Schiebedach. Kein Klebeband mehr, kein schwarzes Loch im Innenraum, keine freiliegende Mechanik. Still und leise fährt es nun vor und zurück, hoch und runter. Und in der Waschanlage lässt es nicht einmal Wasser rein. Besser hätte die Reparatur nicht laufen können. Ich habe heute noch Muskelkater vom vielen Grinsen.
Zum Dank nahm ich Lukas mit auf einen kleinen Roadtrip nach Dänemark. Eine Probefahrt muss ja schließlich sein.
Was uns da passierte, ist aber eine eigene Geschichte wert…
Vielen Dank und schöne Grüße an Lukas! Ohne deine Hilfe wäre das nichts geworden. Echt nicht!
Juhuu! Super!
Ich weiss gar nicht, ob ich mir so eine „Operation“ zugetraut hätte, Fummelarbeit ist nämlich so komplett ausnahmslos ÜBERHAUPT nix für mich…
Dann lieber mit der Baumarktknarre die 25er Schraube von der Antriebswelle abreissen…
An meinem 210er war das Schiebedach jetzt in den 3 Jahren wo ich ihn habe exakt EIN mal auf. Ich hoffe, das rostet nicht irgendwann einfach zu.
Gruss, Maik