Vorsicht: Bissige Spinne!

Der letzte Tag meines Roadtrips in die Steiermark war wieder voller Überraschungen.Heute eine Geschichte über betrunkene Autofahrer, bissige Krabbler und ganz viel Rost.

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“

Ich weiß. Wahrscheinlich seid ihr so langsam genervt, dass ihr hier seit Wochen nur noch Reiseberichte von mir zu lesen bekommt. Und ein bisschen kann ich es ja auch verstehen, schließlich habe ich den Blog ja auch „Watt’n Schrauber“ und nicht „Watt’n Reiser“ genannt. Aber, ich glaube, ich muss das in Kauf nehmen, dass ihr vielleicht ein bisschen genervt seid. Eigentlich schreibe ich den Blog, um meine Erinnerungen und die Geschichten, die ich mit meinen alten Autos so erlebe, festzuhalten. Und da Matthias Claudius, von dem das Zitat da oben stammt, schon wusste, dass man auf Reisen viel erleben kann, gehören die Reiseberichte nun einmal dazu. Also, Lars, wenn du das in ein paar Jahren liest: Kannst du dich noch an den 25. August 2019 erinnern? Nein? Dann möchte ich dir nun einmal erzählen, was du an diesem Tag so alles erlebt hast.

Wobei ich jetzt eine ganz schöne Behauptung aufgestellt habe. Ich hinke mit der Schreiberei nämlich ein bisschen hinterher. Mein Roadtrip nach Graz ist inzwischen fast neun Wochen her und ich bin jemand, der es sogar schafft, die Geheimzahl seines Kontos während des Eintippens in den Bankautomaten zu vergessen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass ich noch fast jedes Detail dieser für mich sagenhaften Reise im Kopf habe. Ungewöhnliche, lustige oder auch spannende Dinge merke ich mir einfach – und dieser Roadtrip bestand fast nur aus ungewöhnlichen, lustigen oder spannenden Situationen. Auch der letzte Tag dieser Reise war wirklich spannend – nur an das Frühstück kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Entweder war ich noch zu müde oder es war einfach nicht spannend. Wahrscheinlich hatte ich Obstsalat.

Undercover unterwegs.

Zumindest weiß ich, was Hein an diesem Morgen zum Frühstück hatte. 45,29 Liter Super ließ ich an einer Grazer Shell-Tankstelle in seinen Tank gluckern, was Hein nach einer kurzen Streicheleinheit mit einem großen Rülpser zufrieden quittierte. Die Portion hatte sich der alte Kahn aber auch wirklich verdient, denn er war immerhin 639 Kilometer damit gefahren. Da ihr jetzt bestimmt keine Lust auf Mathe habt, sage ich es euch lieber gleich: Gerade einmal 7,1 Liter Super hatte Hein im Durchschnitt auf 100 Kilometern verbraucht – trotz gruseliger Winterreifen. Und da soll nochmal jemand sagen, dass alte Autos immer viel verbraucht haben. Jürgen, der neben mir auf dem Beifahrersitz saß, war genauso erstaunt wie ich, als wir weiter in Richtung Zentrum fuhren. Und auch die Polizeistreife muss mächtig erstaunt gewesen sein. Zumindest zog sie den alten, rostigen Mercedes, der etwas chaotisch durch den Grazer Stadtverkehr fuhr, nicht raus. Oder unsere Tarnung war zu gut.

Aber das war auch ganz gut so, dass Jürgen und ich ganz undercover (Wir sollten Privatdetektive werden) durch Graz rollten. Auch an diesem Tag warteten nämlich wieder einige Abenteuer auf uns und es wäre ja schade gewesen, durch eine Polizeikontrolle Zeit zu verlieren. Verantwortlich (Ja… ich glaube, das Wort passt) für diese Abenteuer sollten wieder Micky und Anja (schaut euch unbedingt auch mal ihren Blog „Alltagsklassiker“ an!) sein, die uns an diesem Morgen nicht nur wie gewohnt herzlich begrüßten, sondern auch wieder ihre wertvolle Freizeit für uns opferten. Die beiden sympathischen Grazer hatten sich wieder als unsere Tourguides zur Verfügung gestellt. So, wie wir im letzten Jahr die Südsteiermark erkundeten, also in einem Konvoi bestehend aus einem herrlich knallgrünen Mazda 818 und einem rostig-schwarzen W124, wollten Micky und Anja uns dieses Jahr die Steiermark nördlich von Graz zeigen. Und eins kann ich schon einmal verraten: Wir wären doof gewesen, wenn wir das Angebot nicht angenommen hätten.

Mit Hein nach Rein

Natürlich hatten Anja und Micky uns vorher gefragt, was wir denn gerne sehen würden. Eigentlich waren Jürgen und ich da recht offen, ich hatte nur den Wunsch geäußert, ein paar stattliche Gebäude zu sehen. Nachdem ich nun bereits das zweite Mal in der Steiermark gewesen bin, könnte ich mich ja so langsam nach einem Ferienhaus… nein. Das war natürlich Quatsch. Ich wollte einfach ein paar schöne Fotos haben. Und da ich mich beim Cruise’n’Grill so über hübsche Brücken gefreut habe, wollten Anja und Micky uns auch noch davon ein paar schöne Exemplare zeigen. Der Start unseres Konvois verlief wesentlich ruhiger als der bisherige Morgen. Ich musste nicht kreuz und quer über drei Spuren ziehen, weil überall Autos im Weg waren und Jürgen hatte inzwischen seine grünliche Hautfarbe (wohl von meinen Fahrkünsten…) wieder abgelegt. Wobei er damit eigentlich ganz gut zu der grünen Erbse gepasst hätte, die uns aus Graz herauslotste.

Ich weiß nicht genau, ob ich mir Sorgen machen muss, dass Micky und Anja ein Kloster als das perfekte Ferienhaus für mich im Hinterkopf hatten, aber sehenswert war das erste Ziel unserer kleinen Erkundungstour auf jeden Fall! Schon als wir mit Hein am Ortschild „Rein“ (Nein, ich werde keine Witze darübermachen, das überlasse ich euch) vorbeirollten, konnte man es sehen. Gelb, groß und irgendwie besonders: Das Stift Rein. 1192 wurde es von Leopold dem Starken (der hatte damals so ziemlich das Sagen in der Steiermark) gegründet und ist heute das älteste noch bestehende Zisterzienserkloster. Was Zisterzienser sind müsst ihr nun aber selbst recherchieren, ich kann euch ja nicht die ganze Arbeit abnehmen. Als ich mit meinen drei Freunden durch die Stiftkirche, deren Grundmauern teilweise sogar noch von 1192 sind, lief und leise und andächtig die kunstvolle Architektur betrachtete, wurde mir erst so richtig bewusst, wie viele Geschichten in fast 830 Jahren hier passiert sein müssen. Unglaublich.

Über sieben Brücken musst du….

…fahren. Halt, halt. Jetzt bloß keinen Ohrwurm bekommen, ja? Das Lied von Peter Maffay „Über sieben Brücken“ mögen zwar viele ganz toll finden, aber so ganz passt es doch nicht zu unserem nächsten Ziel. Nachdem wir das Stift Rein verlassen hatten, fuhren wir durch die wunderbare Steiermark weiter in Richtung Frohnleiten. Durch das kleine Örtchen waren wir am Tag zuvor schon beim Cruise’n’Grill gekommen und als ich Anja von der hübschen Brücke über die Mur vorschwärmte, war das kleine Örtchen sofort auf der Liste für unsere Entdeckungstour. Nach einem kurzen Fotoshooting mit sieben Brückenüberquerungen machten wir uns zu Fuß auf Entdeckungstour. Ich mag total gerne durch Städte laufen. Nach Feierabend laufe ich auch gerne von der Arbeit zum Parkhaus, in dem mein Auto steht. Das sind gut zwei Kilometer, die ich immer richtig genieße. Man kann viel mehr entdecken und sehen, wenn man das Auto einmal stehen lässt. Falls ihr noch nie in Frohnleiten wart oder es bisher gar nicht kanntet: Fahrt mal hin! Es lohnt sich.

Aber Spazierengehen macht auch echt hungrig. Das nächste Ziel unserer kleinen Tour war das Restaurant „Bergheuriger Fürstenstand“. Das liegt auf einem Berg, irgendwo in der Nähe von Graz. Gut, einige von euch werden jetzt denken: „Wahrscheinlich ist dieser Berg nur ein kleiner Hügel gewesen. Der Nordseetyp hat ja gar keine Ahnung!“ – aber das war wirklich ein Berg. Hein kam ganz schön ins Pusten, als wir endlich auf dem Gipfel angekommen waren. Zum Glück hatte Hein unterwegs keine Panne, die Straße war nämlich wirklich schmal. Außerdem hätten wir dann das nächste Schauspiel verpasst, dass Micky und Anja für uns vorbereitetet hatten. Jedes Mal, wenn wir mit unseren Lieblingstourguides irgendwo essen gingen, sind komische Menschen dort. Auf dem Cruise’n’Grill letztes Jahr kam alle fünf Minuten ein Mann angefahren und fuhr seinen Tiguan gegen einen Zaun. Am ersten Abend dieses Jahr sang ein besoffener Typ laute Lieder. Dies Mal war eine besoffene Autofahrerin dort, die von der Polizei abgeholt wurde. Eins muss ich noch sagen: Mit dem Ausblick auf Graz schmeckt ein Schinkenbrot gleich drei Mal so gut.

Ab durch die Hecke!

Jürgen schaute mich ziemlich verwundert an, als ich auf der Talfahrt auf einmal schwungvoll in eine Hecke fuhr. Es hatten nicht etwa Heins Bremsen versagt (Der alte Kahn war immer noch ganz brav), sondern ein großer SUV kam uns mit einem Affenzahn auf der schmalen Straße entgegen gedonnert. Das hätte echt schief gehen können – doch zum Glück sind die Hecken in der Steiermark anscheinend besonders gut gepolstert. Bis auf ein paar Blätter und Zweigchen, die durch das offene Beifahrerfenster ihren Weg auf Jürgens Schoß gefunden hatten, blieb alles heil. Trotzdem durften wir uns in von dem Schrecken in einem wunderbaren Garten, mitten in Graz erholen. Unser nächstes Ziel war nämlich das hübsche Häuschen von Martin (Schöne Grüße an dieser Stelle!). Leider habe ich hier gar keine Fotos gemacht – was mich schon mächtig ärgert. Martin hat nämlich nicht nur das hübsche Häuschen, sondern auch noch einen echt guten Autogeschmack.

Ich glaube, wir bestaunten gerade einen seiner zwei Ford Osi (Ja, zwei! Und falls ihr keinen Ford Osi kennt, googelt das!), als mein Handy klingelte. Am anderen Ende war eine mir gut bekannte Stimme. Claus, ebenfalls ein sehr bekanntes Mitglied aus der Grazer Autoszene, lud uns ein, einmal seine Halle zu besuchen und seine Autos anzuschauen. Wer Claus kennt, der weiß, dass man dieses Angebot eigentlich nicht ablehnen darf. In seiner Halle warten nämlich wunderschöne Autos in allen möglichen Zuständen darauf, endlich wieder wachgeküsst zu werden. Natürlich lockte uns das Angebot tierisch. Vor lauter Vorfreude merkten wir auch gar nicht, dass wir fast eine Stunde zu der Halle fahren mussten.

Von Tetanusimpfungen und Spinnenbissen.

„Eure letzte Tetanusimpfung ist hoffentlich noch nicht so lange her!“, begrüßte Claus uns mit einem großen Grinsen. Anscheinend ist das so ein Running Gag, wenn es irgendwo um die Halle des Grazer Autosammlers geht. Und ich glaube, so ganz unwichtig ist die Impfung tatsächlich nicht, wenn man die heiligen Hallen dort betritt. Es schwebte schon ein eindeutiger Duft von Rost durch das Gemäuer, als wir eintreten durften. Was uns dort erwartete, kann man eigentlich kaum in Worte fassen – aber ihr seht ja auch die Bilder. Claus ist ein Retter von allen alten Autos, die eigentlich niemand mehr braucht. Durch ganz Europa reist der Mann mit dem verschmitzten Grinsen und kauft Autos. Nicht nur Scheunenfunde – er hat auch einige Waldfunde dabei. Sogar ein durchgebrochener Ford V8, der einmal ein Filmauto eines Bonny&Clyde-Films gewesen sein soll, ist dabei.

Okay, der Ford gehört jetzt nicht mehr zu den rettbaren Autos, das weiß auch Claus. Alle anderen Modelle sollen aber schon zurück auf die Straße. Das wird natürlich ein riesiger Aufwand, doch ich glaube schon, dass Claus das schafft. Ich glaube, Claus muss auch nicht wirklich viel schlafen. Wenn er nämlich gerade nicht arbeitet oder Autos aus den Wäldern Europas zieht, beschraubt, schweißt und lackiert er Autos. Schon einige wunderbare Autos sind in seinen Händen wiederauferstanden. Ich bin schon wirklich gespannt, welches Schätzchen wieder auf den Straßen unterwegs ist, wenn ich das nächste Mal nach Graz komme. Ich bin auch gespannt, ob bis dahin die Spinnenbisse verheilt sind, die ein kleiner Krabbler, der mir in das T-Shirt gekrabbelt war, verpasst hat. Aber selbst wenn nicht – ein kleines Andenken an die Reise darf ruhig schon bleiben.

Ich komme wieder!

Nach einer langen Dusche (irgendwie kribbelte alles…), einem krönenden Abendessen mit Anja, Micky und Wolfi und einer ganz ruhigen und gemütlich Nacht, machten Jürgen und ich uns am nächsten Tag wieder auf den Weg nach Hause. Dieses Mal hatte ich leider keine Zeit dafür, mir unterwegs noch ein paar schöne Städte anzuschauen oder Leute zu besuchen. Am nächsten Tag hatte ich leider einen Termin, den ich nicht verschieben konnte. Das hieß für Hein und mich, dass wir die 1200 Kilometer von Graz an die Nordsee an einem Tag schaffen mussten. Und, um es kurz zu fassen: Wir schafften sie auch. Hein lief trotz der Zicken, die er sich vor der Reise so überlegt hatte, die ganze Strecke in den Norden ohne ein einziges Mal zu zicken. Einzig meine Haare sahen nach über 13 Stunden Fahrt mit offenem Schiebedach die folgenden drei Tage etwas komisch aus.

Doch die wilden Haare und die kleinen Einbisse der Spinne sind natürlich nicht die einzigen Erinnerungen an die Reise, die mir geblieben sind. Eigentlich hatte ich dieses Jahr geplant, gar nicht in den Urlaub zu fahren. Doch ich habe es noch keine Sekunde bereut, es doch getan zu haben. Die Menschen in der Steiermark sind so gastfreundlich, dass man sich dort sofort wie zu Hause fühlt. Okay – mit Spinnen und Mücken habe ich im Süden noch keine so guten Erfahrungen gemacht. Aber alleine die Freundschaften, die ich dort inzwischen schließen durfte, sind Grund genug zu sagen: Ich komme wieder.

Vielleicht ist Hein dann auch mal ein bisschen weniger zickig.


Vielen Dank noch einmal an Micky für die vielen, tollen Fotos, die ich verwenden durfte!

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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4 Responses

  1. Martin sagt:

    Toll geschrieben! Ihr seid natürlich nächstes Jahr wieder bei mir willkommen, dann gibts auch schon mehr von den Ford Osis zu sehen 😉
    GLG Martin 🙂

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Martin,

      vielen Dank für die Einladung! Die werde ich gerne einmal annehmen – und Jürgen bestimmt auch!
      Ich muss dann unbedingt Fotos von den Osis machen. Bin sehr gespannt, wie sie dann aussehen!

      Schöne Grüße nach Graz
      Lars

  2. Maik Mugato sagt:

    Dies sind die Abenteuer von Captain Lars T. Kirk, der in seiner Zeitkapsel Hein mächtige Entdeckungen macht, in Orten, an denen (noch kaum) jemand gewesen ist…

    Herrlich! Weiter so.

    • LarsDithmarschen sagt:

      Hey Maik!
      Freut mich sehr, dass dir der Artikel gefallen hat. Und eines kann ich dir versprechen – Geschichten kommen noch viele! 🙂
      Schöne Grüße
      Lars

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