Auf Zeitreise
Vor einigen Wochen machte ich mich ganz spontan auf eine Reise in die Vergangenheit. Lasst mich euch mitnehmen in eine Welt geprägt von Handarbeit und Maschinenbau.
Ein kurzer Blick in die Zeitung
Es war ein Samstag und ich hatte nicht sonderlich viel zu tun. Ich hatte kurz überlegt, endlich damit anzufangen, meinen alten Mercedes „Hein“ zu entrosten. Doch ausnahmsweise hatte ich einmal ausschlafen können – und wirklich viel Lust, mich dreckig zu machen und wieder in Arbeit zu stürzen, hatte ich auch nicht. Ich wollte diesen Samstag einmal ganz ruhig und autofrei verbringen. Ich hatte schon ein paar Seiten in meinem aktuellen Buch „High Fidelity“ von Nick Hornby gelesen und auch schon lecker zu Mittag gegessen, als ich mich dazu entschied, mal wieder einen Blick in die Lokalzeitung zu werfen. Neben vielerlei Lokalnachrichten, die wieder bestätigten, dass das Leben auf dem Land hier immer noch vollkommen in Ordnung ist, traf ich auf einen Artikel, der sofort meine komplette Aufmerksamkeit auf sich zog. „Kraftverkehr zu Großvaters Zeiten“ stand dort in der DLZ geschrieben. Darunter war ein Bild mit einem Tempo, einem Henschel und einem Mercedes-Bus abgebildet.
Ihr könnt es euch schon sicherlich denken – meinen Plan, einmal nichts mit Autos oder Maschinen zu tun, hatte ich ganz schnell wieder vergessen. Zu groß ist mein Interesse, was alte Maschinen und alte Technik zu tun hatte. Im Artikel stand geschrieben, dass die „IG historischer Güterverkehr“ im kleinen Örtchen Burg, hier in Dithmarschen, ein Treffen veranstalten würden. Erst jetzt merkte ich, dass ich die Zeitung vom Mittwoch gelesen hatte, aber da das Treffen an diesem Tag stattfinden würde, war es mir auch ganz egal. Ich wollte dahin. Leider konnte ich nicht zeitgenössisch anreisen. Henkelmännchen hatte leichte Inkontinenz am Kühlergrill, Elsa sollte erst einmal einen Getriebeölwechsel bekommen und auf Hein hatte ich einfach keine Lust. Also nahm ich mir den Schlüssel zu meinem ersten Auto („Elch“ genannt) und fuhr mit ihm in Richtung Burg.
Die Perle der Westküste Schleswig-Holsteins
Die meisten von euch werden das kleine Örtchen Burg wohl nicht kennen. Wobei – vielleicht denkt ihr, dass ihr es kennt. „Burg auf Fehmarn“ ist ja schließlich vielen Leuten ein Begriff. Dieses Burg ist aber ein anderes. Gerade einmal um die 4000 Einwohner wohnen in diesem Örtchen, das auf der Dithmarscher Seite an den Nord-Ostsee-Kanal grenzt. Treue Leser können sich vielleicht daran erinnern, dass vor gut eineinhalb Jahren die Oldtimer Rallye „Super Verbleit“ startete, bei der ich mit Elsa teilnahm. Burg hat aber nicht nur eine wunderbare Lage, sondern auch noch eines der besten Heimatmuseen zu bieten, das ich je besucht habe. Ich kann euch wirklich nur wärmstens empfehlen: Wenn ihr mal im Norden seid, dann tut euch etwas Gutes und fahrt nach Burg. Den Titel „Luftkurort“ trägt die Gemeinde nämlich auch noch mit Stolz.
Wobei die Luft an diesem Tag wohl nicht ganz so gut war, wie sonst. Obwohl… vielleicht würden einige aber sagen, dass sie sogar noch besser war. Ein Hauch des Aroma von Dieselabgasen zog nämlich durch die Luft in Burg, als ich meinen Volvo am Straßenrand parkte und ausstieg. Schon auf dem Hinweg waren mir einige historische Nutzfahrzeuge entgegen gekommen, die genauso im Sonnenlicht strahlten wie ihre Besitzer. Ich schätze mal, dass ganz viele Besitzer ihre Schätzchen nur zu besonderen Anlässen aus der Garage.. naja, wohl eher aus der Halle holen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Unterhalt eines großen LKW nicht gerade eine günstige Sache sein wird. Was mag wohl so ein Satz Reifen kosten? Keine Ahnung. Ich hätte wohl einfach einmal jemanden fragen sollen. Aber nun gut – das hole ich irgendwann einmal nach und berichte es euch dann.
Hallo? Taxi!
Ich hatte noch keine zehn Schritte auf das Gelände gesetzt, auf dem die alten Lastwagen ausgestellt wurden, und ich war schon begeistert. Die alten Fahrzeuge, die Gebäude, die Dekorationen und die Klamotten der Veranstalter passten einfach wie der Deckel auf den Pott. Wobei das erste Fahrzeug, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, in dem Sinne zwar schon ein Nutzfahrzeug, aber eben kein LKW war. Eine schwarze Heckflosse stand dort im vollen Taxi-Trimm. Das fand ich klasse. Die Heckflosse stand inmitten einer kleinen Straßenszene, die der Verein liebevoll aufgebaut hatte. Hinter der Heckflosse stand ein schicker, roter Kabinenroller, der auch schon einmal auf einem Oldtimertreffen geknipst und dann in die Lokalzeitung gebracht wurde. Daran kann ich mich gut erinnern, weil mein kleiner Golf „Henkelmännchen“ zur Hälfte noch auf dem Bild zu sehen war.
Aber von meinem Golf wollte ich ja eigentlich gar nicht reden. Die Szenerie, die der Verein so liebevoll aufgebaut hatte, faszinierte mich total. Ich glaube, spätestens jetzt wird es Zeit, euch einmal ein kleines Geheimnis von mir zu verraten. Schon als kleiner Junge, als ich gerade so auf den Tisch gucken konnte (Ich war vielleicht 19 oder so), träumte ich davon, irgendwann einmal mein eigenes, kleines Automuseum zu haben. In dem Museum würden aber keine teuren Sportwagen stehen, mit denen kann ich nämlich nicht viel anfangen. Viel eher würden so „Helden des Alltags“ zu finden sein. Ein altes Postauto, ein alter Krankenwagen, vielleicht noch ein altes Postauto und viele andere Autos, die man auf der Straßen fahren sah und die eine Geschichte haben. Irgendwie erinnerte mich das Gelände an diesen Traum, den ich nie ganz abgelegt habe. Aber um ein Museum aufzumachen, fehlen mir vor allen Dingen drei Dinge: Zeit, Platz und meinen Sparstrumpf mit einer Million Euro-Münzen habe ich leider verlegt.
Kommen wir zu den Stars der Ausstellung
Mich faszinieren alte Nutzfahrzeuge ja wirklich. Die bulligen Fronten, die massive, für die Ewigkeit gedachte Bauweise und die individuellen Formen finde ich echt klasse. Heute sind aufgrund vieler gesetzlicher Bestimmungen und Normen die LKW ja alle relativ ähnlich. Okay, jetzt werden vielleicht die Brummi-Fahrer unter euch etwas aufschreien und meckern – aber mal ganz ehrlich. Einen DAF kann man nur von einem Mercedes oder von einem Volvo unterscheiden, weil die Front anders ist und der Markenname vorne draufsteht. Also, wenn wir jetzt nur von der Optik reden. Das war früher schon ein bisschen anders. Okay, es gab auch damals schon Fahrzeuge, die sich ähnlich sahen, aber im Großen und Ganzen war die Formsprache damals doch schon recht individuell. Ganz besonders klasse fand ich natürlich immer die Dreiräder von Goliath oder Tempo. Als kleiner Junge bekam ich einmal ein Wiking-Modell eines Goliath Dreirads geschenkt. „Wenn ich einmal groß bin, dann habe ich so eines!“, meinte ich damals. Inzwischen bin ich ausgewachsen, aber immer noch nicht groß. Vielleicht kann ich ja irgendwann einmal in einem Tempo Beifahrer sein.
Was ich schon einmal selbstfahren und was natürlich auch hier nicht fehlen durfte, war der Opel Blitz. Ich kam mir vor wie ein Fahranfänger – und stellte mich wohl auch so an. Trotzdem hat es mir damals total viel Spaß gebracht. Allgemein würde ich gerne einmal in so einem alten Brummi mitfahren. Mich würde einmal interessieren, wie sich der Alltag eines LKW-Fahrers vor sechzig Jahren angefühlt hat. Garantiert war es nicht so komfortabel wie in heutigen Zugmaschinen, aber vielleicht war alles auch ein wenig entspannter. Oder gab es damals auch so viel Termindruck, dass eigentlich kaum die Lenkzeiten einzuhalten sind. Gab es damals überhaupt schon Lenkzeiten? Wie ihr seht – eigentlich kenne ich mich in dem Bereich gar nicht mehr aus. Wobei LKW für die Gesellschaft ja sogar eigentlich wichtiger sind als der rote Porsche, den sich irgendein reicher Mensch vor langer Zeit einmal gekauft hat.
Zwischen Patina und Neulack
Besonders gut gefiel mir auch die Bandbreite der LKW. Nicht nur verschiedene Hersteller und Aufbauten, sondern auch verschiedene Zustände wurden präsentiert. Während einige Nutzfahrzeuge sichtlich besser als neu waren, trugen viele auch stolz die Wunden der Zeit. Sowas finde ich ja wirklich klasse. Warum sollte man nicht sehen, dass die Maschinen auch dafür genutzt, wofür sie auch gebaut wurden? Eben. Das gefällt mir auch super bei Autos, weshalb ich den gut patinierten 170V einfach ablichten musste. Aber Patina scheint ja sowieso wieder „in“ zu sein. Finde ich aber auch ganz richtig so, denn den Zustand kann man eigentlich nur wiederherstellen, in dem man ein Fahrzeug über Jahre hinweg auch wirklich nutzt. Und warum sollte man Geschichte wegrestaurieren? Eben. Wobei der Grad zwischen „Patina“ und Schrott ja meist fließend ist. Bei den Ausstellungsstücken war aber garantiert kein Schrott dabei.
Aber eines konnte man heraushören: Alle hatten die Leidenschaft tief im Blut. Hier wurde diskutiert, wo man welches Ersatzteil nachbauen lassen könnte, dort wurde philosophiert, wie man die Dieselpumpe eines Mercedes 1113 richtig einstellt. Irgendwie war das ansteckend. Zuhause musste ich auch gleich schauen, wie teuer Dreiräder oder vielleicht auch ein alter Abschleppwagen wäre, zum Glück muss ich aber auch dafür erst einmal meinen Sparstrumpf wiederfinden. Interessant fand ich übrigens diesen „Südwerke“-LKW. Die Marke war mir bisher noch nicht bekannt – aber da ich auch erst 23 bin, waren die meisten dieser Fahrzeuge wohl schon nicht einmal mehr auf der Straße unterwegs, als ich geboren wurde. Nach kurzer Google-Suche fand ich dann heraus, dass die Firma „Krupp“ von 1946 bis 1954 ihre Fahrzeuge unter dem Namen „Südwerke“ verkaufte. Interessant – und wieder etwas dazu gelernt.
Bitte folgen Sie der Umleitung
Alle LKW kann ich euch hier natürlich nicht zeigen, aber ich werde unten ein paar Bilder kommentarlos anhängen. Nach einiger Zeit verließ ich das Gelände in Burg und fuhr ein paar Orte weiter in Richtung Brickeln. In Brickeln hatte die Interessengemeinschaft nämlich eine historische Baustelle aufgebaut. Dort, so wurde mir erzählt, wären die Maschinen sogar richtig im Einsatz. Natürlich wollte ich mir das einmal ansehen. Und mir wurde auch nicht zu viel versprochen. Als ich dort ankam, trieb ein tuckernder Lanz Bulldog eine Art Schredder an, in den ein paar Männer große Steinbrocken reinwarfen und die unten als Schotter wieder herauskamen. Gleich daneben stand auch erstaunlich leise tuckernd eine Walze bereit, den wohl für die Auffahrt gebrauchten Schotter zu verfestigen. Aber auch alte Raupen und alte Traktoren konnte mir hier bei der Arbeit sehen. Es ist schon klasse, was Leidenschaft so so auf die Beine stellen kann. Anscheinend haben für dieses Treffen wirklich viele Leute an einem Strang gezogen.
Eines möchte ich euch zum Schluss noch kurz sagen: Natürlich habe ich es nicht bereut, an diesem Samstag nicht faul auf dem Sofa gelegen zu haben. Ganz im Gegenteil. Die Ausstellung bis ins Detail (Man achte auf die Besatzungskennzeichen) so schön gemacht, dass ich dorthin jederzeit wieder hinfahren würde.
Sowas ist halt einfach viel schöner als Netflix.
Hey Lars,
sehr geil. Wenn dich historische Nutzfahrzeuge nennenswert interessieren, komm doch mal im Frühjahr her zum Kehraus im PS-Speicher. Das Museum in Einbeck hat ein grosses NFZ-Depot, wo dann alles mal geputzt und angelassen wird. Durchaus interessant, weil die dann alle mal bewegt werden. Ich würd mir auch ein stilgerechtes Auto borgen…
Hey Thorsten,
das hört sich ja klasse an! An Einbeck bin ich (meiner Meinung nach) doch damals vorbeigekommen, als ich einmal bei dir vorbeigeschaut habe?
Ich glaube, wir sollten das im Auge behalten! 🙂
Schöne Grüße
Lars
Vielen Dank für den Bericht aus Sicht eines Besuchers – den Fotobericht und den Sinn unserer Veranstaltung kann man hier sehen: https://ig-historischer-güterverkehr.de/Baumaschinen-und-Strassenverkehr-in-den-30er,-40er-und-50er-Jahren/
Hey Jürgen,
vielen Dank für deinen Kommentar! Den Besuch eurer Website kann ich nur empfehlen – die Geschichten und Bilder sind wirklich wunderbar!
Schöne Grüße
Lars
Hallo Lars,
über den Alltag von Brummifahrern in den 50/60/70 usw. gibt es einige Bücher, sie sind zwar etwas „einfach“ geschrieben aber Erzählung aus „erster Hand“, mit Bildern….
Bei Interesse kann ich dir Titel von Büchern nennen, brauchst nur ein Mail schicken…
Grüße
Markus