Kein Anlass(er) zum Ärger
Für die erste Geschichte wollte ich einen fröhlichen Titel haben – und der passt ganz gut. Heute: Wie ich „Harald“ vom wieder vom Steh- zum Fahrzeug machte. Teil 1. Vielleicht.
Neujahrsvorsätze!
Wer kennt es nicht? Meistens wird vielleicht am ersten oder auch noch am zweiten Januar daran gedacht, dann sind sie meist weit in den Hinterkopf gerutscht. Dann wird wieder eine Schachtel Zigaretten gekauft, die Laufschuhe so gut weggepackt, dass man sie nicht mehr findet und statt Obst gibt es wieder Gummibärchen. Für Watt’n Schrauber habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen, wieder mehr Schraubergeschichten zu schreiben. Zum einen motivieren die mich, wirklich die Baustellen an meinen Autos abzuarbeiten, zum anderen wurde ich tatsächlich auch oft danach gefragt. Deshalb werde ich in dieser ersten Geschichte von 2021 (Frohes, neues Jahr übrigens!) auch endlich einmal wieder meine Hände dreckig machen und Werkzeug in die Hand nehmen. Falls ihr nun eine Reparaturanleitung erwartet, muss ich euch leider enttäuschen. Ich habe nämlich keine Ahnung von dem, was ich da mache…
Ein bisschen Vorgeschichte. Keine Sorge – ich fange nun nicht wieder davon an, dass Harald mein 2001er Golf IV Variant mit 1,9 TDI-Motor ist, ich ihn seit 2016 besitze und er das zuverlässigste Auto ist, das ich je besessen habe. Das wisst ihr ja wahrscheinlich alles schon. Ich möchte eher über den Grund reden, warum ich überhaupt schrauben musste. Anfang Dezember kam es ein paar Mal vor, dass der Motor nicht startete, sondern nur der Anlasser klackte. Ein kurzer Blick auf die Batterie verriet mir, dass das gute Stück der Marke „Fireball“ (Doofer Name für eine Batterie!) von 2006 war. Also inzwischen fast 15 Jahre alt. Ich sah das als Fehlerquelle und kaufte eine neue. Nicht von Fireball. Doch leider, kurz vor Weihnachten, sprang Harald wieder nicht an und klackte nur mit dem Anlasser, wie ihr in diesem kleinen Video hören könnt.
Vom Fahr- zum Stehzeug
Ein Auto, das nicht startet, ist ziemlich doof. Besonders, wenn man sich auf das Auto verlassen muss. Zum Glück bin ich doof genug und habe mehr als ein Auto – und so stellte ich Harald erst einmal unter’s Carport und fuhr mit meinem V40 durch die Gegend. Es gibt wirklich schlimmeres. Zwischen Weihnachten und Silvester wollte ich nicht unbedingt dabei, aber nun, im neuen Jahr, wollte ich der Ursache doch einmal auf den Grund gehen. Nach kurzer Absprache mit meinem Kumpel Jürgen, der Mechaniker ist und es sogar schafft, mir zu erklären wie ein Auto funktioniert, waren wir uns einig, dass irgendwas mit dem Anlasser – oder Startermotor, wie er richtig heißt – nicht funktioniert. Ein kurzer Blick in mein „So wird’s gemacht“-Buch und ich sah, dass der Ausbau des Anlassers eigentlich gar nicht so schwer aussah. Es war nur kalt draußen. Also zog ich mir drei Hosen, drei Pullover, meinen Overall und eine Jacke an und ging raus.
Doch was ist so ein Anlasser eigentlich? Es gibt unheimlich viele verschiedene Arten von Starter. In den meisten Autos – so auch bei Harald – ist ein so genannter Schub-Schraubtriebstarter verbaut. Hört sich kompliziert an? Ist es aber eigentlich gar nicht so. Um einen Motor starten zu können, muss der mindestens einen Ansaug- und Verdichtungstakt durchlaufen. Andernfalls kann ein Motor seine vier Arbeitstakte nicht abarbeiten. Wegen der Verdichtungs- und Reibwiderstände schafft so ein Motor das aber nicht von alleine. So ein Schub-Schraubtriebstarter ist eigentlich ein kleiner Elektromotor mit einem Ritzel vorne dran. Dieses Ritzel wird durch den Magnetschalter rausgeschoben, greift in die Zähne des Schwungrads ein, das auf der Kurbelwelle sitzt, und wird dann vom Elektromotor gedreht. So kommt der Motor in Schwung und kann starten. Wenn er es denn tut. Bei Harald klappte das nicht mehr ganz so gut.
„Ich mag keine Plastikautos!“
Ich glaube, das ist auch so ein Satz, den man als Oldtimerschrauber und –fahrer andauernd hört. Unheimlich viele Altautofahrer finden diese „Plastikautos“, wie sie sie nennen, wohl ziemlich doof. Wahrscheinlich zählen diese Leute meinen Harald auch zu den sogenannten „Plastikautos“ – zumindest mach ich das nun. Denn ich musste echt viel Plastik wegschrauben, um an den Anlasser zu kommen. Den Anfang machte die Batterie, die ich vielleicht vor einigen Wochen gar nicht erst hätte kaufen brauchen. Um die Batterie auszubauen, muss man aber auch die beiden Abdeckungen am Schlossträger abnehmen. Wenn die Batterie raus ist, kann auch der Batteriekasten raus. Der ist übrigens – anders als in der Reparaturanleitung beschrieben – auch noch mit dem Luftfilter verbunden, wie man auf dem verwackelten Bild sieht. Zum Glück habe ich das gleich und nicht erst nach einer Stunde Sucherei gemerkt. Okay, vielleicht war es so – aber das würde ich niemals zugeben.
Was ich dann unter dem Batteriekasten fand, begeisterte mich nicht sonderlich. Beulenpest, Karies, Krümelmonster, die braune Pest, der Eisenbeißer – wie auch immer ihr den Rost nennen mögt. Und auch wenn ich einen Mercedes habe und diese Aussage vielleicht etwas komisch wirkt: Ich hasse Rost. Wirklich. Deshalb war es für mich eigentlich auch gar keine große Überlegung, das Zeug gleich zu beseitigen. Der Akkubohrer mit dem Drahtbürstenaufsatz und ich werden dieses Jahr noch gute Freunde werden. Denn mit unter dem Carport, unter dem ich bei der Kälte geschraubt habe, steht auch noch Hein. Und der alte Kahn hat wirklich genug Rost, der noch weggemacht werden will. Aber wir wollten ja über Anlasser reden. Die Kabel vom Anlasser gingen recht easy ab. Oben auf dem Anlasser sitzt noch eine Kabelführung, die mit einer Mutter an der Schraube befestigt ist, die den Anlasser festhält. Auch hier habe ich kaum suchen müssen.
Et voila!
So, bevor ich nun zu sehr zu einer Reparaturanleitung werde – ich habe einfach noch etwas Plastik aus dem Weg geschraubt, zwei, drei Schrauben losgedreht und hatte den Anlasser plötzlich in der Hand. Und außer, dass der schon einige Jahre herumoxidiert hat, fiel mir äußerlich gar nicht so viel auf. Zu dieser Zeit schaute ich dann auch einmal im Internet nach, was ein neuer Anlasser kosten würde – so um die 140€. Ein Anruf beim Autoverwerter in der Nähe brachte dann 70€ als Preis heraus, doch er wäre erst in ein paar Tagen verfügbar. Und hier gewann dann wieder meine Sparsamkeit und meine Neugierde. Ich nahm mir den Anlasser einfach und schraubte ihn auseinander. Kaputt war er ja schließlich schon – und vielleicht konnte ich einen Grund finden, warum der den Motor nicht mehr so gerne drehen wollte. Hier fiel mir dann auch der oxidierte Kontakt am Kabel vom Magnetschalter zum Anlasser auf. Und dann puhlte ich das Teil auseinander.
Wie so ein Elektromotor aufgebaut ist, erkläre ich euch nun nicht. Dafür gibt es schließlich viele tolle YouTube-Videos. Anscheinend habe ich aber vor einiger Zeit meine Kamera verstellt, denn irgendwie sind die Fotos echt nicht so schön geworden – deshalb hier nun die Hochkant-Handyfotos aus der kleinen Instagram-Story, die ich über die Schrauberei gemacht habe. Die Kohlebürsten sahen nach zwanzig Jahren natürlich nicht mehr taufrisch aus, waren aber nun auch nicht so sehr abgenutzt, dass ich da ein Problem sah. Das Getriebe vorne konnte ein bisschen neues Fett gebrauchen – und bekam es auch gleich. Und die Welle mit dem Kollektor war auch nicht mehr so frisch, aber noch gut genug. Meiner Meinung nach. Wie gesagt. Wirklich Ahnung, was ich da machte, hatte ich nicht. Hier seht ihr, wie ich das erste Mal einen Anlasser zerlegt habe.
Kontaktverbot?
Ich fand nicht wirklich etwas, was den Anlasser am Drehen hindern sollte. Es war zwar nicht mehr alles taufrisch, aber auch nicht ganz kaputt. Also fettete ich alles neu, machte alles ein bisschen sauber und baute ihn wieder zusammen. Nun hatte ich mein Augenmerk auf die Kontakte gelegt, die alle recht oxidiert waren. Mit Drahtbürste und Schmirgelpapier bewaffnet machte ich mich an die Arbeit. Ich weiß, jetzt werden wieder einige „Querdenker“ um die Ecke kommen und laut lospöbeln wollen, wie scheiße doch alles ist. Lasst das bitte. Das war nur ein kleiner, doofer Wortwitz, weil mein Anlasser wahrscheinlich einfach ein Kontaktproblem hatte. Zumindest redete ich mir das ein und machte mit viel Geduld die Kontaktflächen wieder blank. Irgendwie brachte mir das sogar Spaß.
Übrigens brachte mir die ganze Aktion tatsächlich Spaß. Irgendwie lassen sich Golfs recht gut beschrauben – zumindest, wenn sie schon ein bisschen älter sind. Bisher hatte ich weder am Cabriolet noch an meinem Golf 4 irgendeine festgerostete oder abgerissene Schraube. Gut, zwar gibt es hier und da mal nervige Ecken oder ein Kabelbinder, der so sitzt, dass man sich dran ratscht (Aua… wer pustet?), aber im Großen und Ganzen ist das immer sehr entspannt. So kam es dann auch, dass der Anlasser noch am selben Abend wieder ins Auto wanderte. Den Rest wollte ich mir dann aber für den nächsten Tag aufheben. Es wurde kalt und ich hatte Hunger.
OP gelungen?
Die Arbeit am nächsten Tag war dann nur noch reines Zusammenschrauben. Den Rost unter dem Batteriekasten hatte ich am Tag vorher blank gemacht und mit Owatrol behandelt. Die einzige Quelle für Tornadorot war ein Lackstift – deshalb sieht das Ergebnis auch so doof aus. Aber mal ehrlich. Unter einem Batteriefach schleifen, spachteln und ordentlich lackieren? Bei einem Oldtimer oder einem Showcar vielleicht. Aber nicht bei einem Auto, das in der Woche bald wieder gut 1300 Kilometer fressen wird. Da reicht es, wenn der Rost gestoppt ist. Der Batteriekasten, die Batterie und die untere Motorverkleidung kamen wieder an ihren Platz – und dann stieg die Spannung. Würde der Anlasser den Motor wieder drehen? Seht selbst:
Jap! Es klappte auf Anhieb. Das hat mich tierisch gefreut. Selbst, als ich ihn warm gefahren hatte, startete der Anlasser den Motor, als sei nichts gewesen. Genau da traten die Fehler nämlich vorher auf. Aber so ganz trau ich der ganzen Sache noch nicht, weshalb ich beim Schrotthändler auch den gebrauchten Anlasser bestellt habe. Wenn mein Pfusch noch eine Weile hält, ist das super. Und ansonsten lest ihr hier bald „Kein Anlass(er) zum Ärger – Teil 2“.
Ich hoffe nur, dass es dann ein bisschen wärmer ist.
Schöne Grüße an Wolfgang nach Graz, der die Reparatur fast live bei WhatsApp mitverfolgt hat! 😉
Hat ja super geklappt, glückwunsch!
Hatte damals bei meinem Passat 35i einen billigen Anlasser für 40 Euro bei ATP gekauft…
Der hat gut durchgehalten, zumindest die 1,5 Jahre, welche ich das Auto noch hatte.
Hey Maik,
so ganz lange hat der Anlasser ja dann doch nicht durchgehalten – aber das hast du ja schon in Teil 2 gelesen. Hast du mit ATP gute Erfahrungen gemacht? Ich höre da immer sehr gemischte Reaktionen.
Schöne Grüße
Lars
Moin
Hoffe du hast alle relevanten Stellen mit einem verharzfreien Fett (Ich nutze Silikonfett) geschmiert nachdem du das gereinigt hast?
Ich würde mir bei Ebay per Auktion einfach mal einen Anlasser als Ersatz organisieren, aber bitte nicht einen wie von verbaut von Valeo sondern von Bosch, den dann auch zerlegt, gereinigt und gefettet nach Testlauf als Ersatz weggelegt.
Ich habe für alle meine Autos jeweils einen Anlasser und eine Lichtmaschine „auf Lager“ hat mir schon mehr als einmal den Fuhrpark, bestehend aus „Vorführwagen vom Schrotthändler“ am laufen gehalten, ich habe nur den Vorteil das ich ausnahmslos Fahrzeuge aus dem VW Konzern fahre und dementsprechend weniger Ersatz haben muss, der Anlasser passt zum Beispiel beim Galaxy TDI, beim A2 TDI und auch dem Fox TDI meiner Tochter
Hey Michael!
Den Anlasser hatte ich tatsächlich mit verharzfreien Fett geschmiert – doch leider schien das Ding zu ausgeschlagen und hat ja keine Woche später wieder den Geist aufgegeben. Der Nachfolger ist wieder einer von Valeo. Gibt es da so große Unterschiede zu Bosch? Ich meine, der alte hat ja auch fast 20 Jahre und 350 000 Kilometer gehalten.
Ich hoffe mal, dass ich da nun so schnell nicht wieder dabei muss. Wobei der ja doch noch relativ schnell gewechselt ist. Passen bei den Autos überall die gleichen Anlasser? Da bin ich echt erstaunt! 🙂
Schöne Grüße
Lars