Das hat gesessen!
Wie war das noch? Autos und Werkzeug verleiht man nicht? Ich musste das erst lernen. Heute möchte ich euch erzählen, wie mein Daily-Golf einen Ausflug in die Botanik machte.
„Passt gut drauf auf!“
Ich weiß ja nicht, wie ihr es mit euren Autos haltet. Seid ihr so penibel und so streng, dass nur ihr sie fahren dürft? Oder verleiht ihr euer Gefährt wie andere Leute Taschentücher? Wobei… ein Taschentuch muss ich nach benutzen nicht unbedingt wiederbekommen. Aber ich glaube, ihr wisst, was ich meine. Ich bin eher so ein Mittelding. Ich gebe meine Autos eher ungerne aus der Hand, aber schon gerne an Leute, denen ich vertraue. Wobei ich auch nicht alle Autos aus der Hand gebe. Schwer zu erklären. Auf jeden Fall war es im Januar ein „Nobrainer“ für mich (Das heißt, ich musste nicht lange nachdenken, was mir sowieso manchmal schwerfällt), meinen Eltern meinen roten Golf TDI zur Verfügung zu stellen. Ihr Passat hatte sich ja schon am Neujahrstag mit einem Federbruch aus dem Verkehr geschossen und sie mussten mobil sein. Und Harald ist eine echt treue Seele.
Umso mehr verwunderte es mich, als ich eines abends in einer Videokonferenz saß und vor meiner Haustür ein lautes Hupen hörte. Immer wieder und immer wieder hörte ich das schrille Kreischen, das ich eindeutig meinem Golf Kombi zu ordnen konnte. Irgendwann kam es mir dann doch komisch vor und ich schaute nach, was Sache ist. Ich öffnete die Haustür und traute meinen Augen nicht. Halb im Gebüsch versunken, qualmend, mit einer quietschenden Handbremse und einer immer wieder kreischenden Hupe stand mein Variant vor mir. Auf den Anblick war ich wirklich nicht vorbereitet. Ich öffnete die Fahrertür, sah meine Mutter halb auf dem Fahrersitz liegend und sich an der Handbremse festhaltend, griff zum Zündschlüssel und machte den Motor aus. „Der Sitz ist gerutscht!“, meinte sie nur ganz geschockt und verwirrt. Ich ging erst einmal wieder rein und brachte den Teams-Call zu Ende.
Der Schock saß tief.
Mehr bei meiner Mutter als bei mir, denn irgendwie schockierte es mich erstaunlich wenig, meinen Wagen so zu sehen. „Ich bin plötzlich mit dem Sitz nach hinten gerutscht“, sagte mir meine Mutter, als wir zurück zum Auto gingen. „Ich hatte einen Gang drin, der Wagen fuhr los und ich kam nicht mehr an die Pedale.“ Das hörte sich für mich erst einmal komisch an, aber ich machte ihr keinen Vorwurf. Sowas bringt ja nichts. Passiert ist passiert. Einen kleinen Blick rund um meinen Golf zeigte mir, dass der rote Kombi über den hohen Bordstein des Blumenbeets gehoppelt war und einen kleinen Baum umgenietet hatte. Doof das. Ich entschied mich, das Auto erst einmal rauszufahren. Der Passat würde einen Tag später sowieso fertig werden (Das war dann auch tatsächlich der Fall) und dann wären meine Eltern wieder mobil. Und Harald? Der könnte erst einmal warten.
Erst als ich mich ins Auto setzte, bekam ich einen großen Schock. Der Fahrersitz rastete nicht mehr ein. Man konnte ihn einfach so auf den Sitzschienen hin- und herbewegen. Der Hebel für die Sitzverstellung war nicht verklemmt. Vorsichtig startete ich Harald und fuhr ihn raus – die zwanzig Meter zurück in die Garage meiner Eltern lief er ganz normal. So schlimm würde es also schon nicht sein. Ich war nur froh, dass es vor meiner Haustür passierte (Wir wohnen Tür an Tür) und nicht vor einem Zebrastreifen oder auf einem Parkplatz. Das sagte ich auch noch einmal meiner Mutter, die ein furchtbar schlechtes Gewissen hatte. Ein bisschen böse wurde ich erst, als mein Vater uns kurz darauf erzählte, dass ihm das mit dem Sitz schon einen Tag vorher aufgefallen war. Ich verstehe bis heute nicht, warum er mir dann nicht Bescheid gesagt hatte.
Ein paar Tage später.
Der Passat fuhr wieder und es wurde Zeit, Harald auf die Bühne zu nehmen. Doch auch wenn ich meine Hebebühne echt mag – ein Auto ohne einrastenden Sitz auf eine Kurzhubbühne zu fahren, ist wirklich schwer. Meine Mutter, die zu dem Zeitpunkt immer noch ein schlechtes Gewissen hatte, setzte sich einfach auf die Rücksitzbank und stemmte sich gegen den Sitz. Und das funktionierte recht gut. Auf der Bühne kam dann zum Vorschein, dass so ein Golf 4 ein echt verdammt stabiles Auto ist. Obwohl der kleine Golf über einen Bordstein gehoppelt war und einen Baum umgenietet hatte, war nichts kaputt. Gar nichts. Also so richtig gar nichts. Nicht einmal ein Kratzer. Meiner Mutter fiel ein Stein vom Herzen, auch wenn ich ihr immer wieder sagte, dass sie keine Schuld hatte. Also nahm ich Harald wieder runter von der Bühne und fuhr ihn vor den Carport. Da war einfach mehr Platz, um den Fahrersitz aus dem Auto zu bauen.
Wie man den Fahrersitz ausbaut, werde ich euch nicht erzählen. Das hat etwas mit Airbags und so zu tun und dann kommt einer von euch an und macht Unsinn. Das will ich nicht. Was man sieht: Es wurde sowieso einmal Zeit, dass ich den Sitz ausbaue und mein Auto mal so richtig aussauge. Warum der Sitz nicht einrastete, konnte ich so aber auch nicht sofort sehen. Selbst, als der Sitz vor mir lag, war ich mir noch unsicher. Doch nach etwas Sucherei konnte ich dann doch herausfinden, warum der Sitz nicht einrastete. Und das habe ich euch einmal in einem kleinen Video festgehalten:
Es war also tatsächlich nur eine Kleinigkeit.
Den Stift von der Sitzarretierung habe ich entgratet, alles gereinigt, gefettet und wieder zusammengebaut. Die Sitzhöhenverstellung ist nun schon fünf Jahre kaputt – also scheint mich das ja nicht so zu stören. Was mich aber dann doch erstaunte: Der Fahrersitz lässt sich nun ganz wunderbar und leichtgängig hin und her schieben. Also wirklich so richtig leicht. Das war vorher immer sehr mühsam. Anscheinend ist es doch ab und zu ganz gut, die Sitzschienen zu reinigen und zu fetten. Doof nur, dass beim Golf 4 dafür der Sitz ausgebaut werden muss. Bald werde ich es auch noch einmal bei der Beifahrerseite machen. Harald muss im April zur Hauptuntersuchung und ich wollte den Teppich eigentlich einmal so richtig shampoonieren und den Wagen von innen mal so richtig schick machen. Hätte der kleine Golf mal verdient, ich behandle ihn da immer etwas stiefmütterlich.
Wie ihr im Video vielleicht gesehen habt, habe ich auch gleich das Kombiinstrument repariert. Und das nicht zum ersten Mal. Anscheinend ist das Plastik, das VW für den Bau der Kombiinstrumente genutzt hat, das gleiche Plastik, aus dem auch die Stoßstangen von Ford-Modellen aus den 90er Jahren gebaut wurden. Sehr, sehr filigran und schon bei der kleinsten Berührung zersplittert alles in 90 000 Teile. Wenn nicht sogar noch mehr. Aber da guter Pfusch ja keine schlechte Arbeit ist, habe ich mir tatsächlich ein kleines Kaffeerührstäbchen genommen und es passend gefeilt. Und was soll ich sagen? Es sind nun drei Monate vergangen und es funktioniert immer noch. Und wahrscheinlich wird es auch noch lange funktionieren. Zumindest hoffe ich das.
Ende gut, alles gut.
Diese Geschichte hat also tatsächlich ein Happy End. Zum Ende blieb mir nicht mehr viel übrig, außer das Auto auszusaugen, den Sitz einzubauen und auf Probefahrt zu gehen. Und weil die so gut lief, schob ich Harald auch gleich einmal durch die Waschanlage. Bald ist der alte Kombi 21 Jahre alt – und ich glaube, man kann sagen, dass er sich wirklich noch ganz gut gehalten hat. Etwas nervig ist der Kratzer auf der linken Seite, der beim Vorbesitzer mit einem Schlüssel von vorne bis hinten durchgezogen wurde, aber vielleicht gehe ich da dieses Jahr einmal dabei. Ein paar neue Fußmatten könnten ihm wohl auch gutstehen. Und dann bin ich gespannt, was dieses Jahr bei der Hauptuntersuchung herauskommt. Ob Harald wieder bei der Prüfung kaputtgeht, so wie beim letzten Mal? Ich hoffe mal nicht. Und wenn doch, dann repariere ich ihn.
Dann aber wohl ohne Kaffeerührstäbchen.
Moin Lars!
Die Geschichte mit dem KI hatte ich im letzten Jahr mit dem Sprinter, den ich an meinen Arbeitgeber verkauft hatte. Da ist das auch ziemlich dämlich gemacht, ich habe die Teile mit Uhu Schnellfest verklebt und mit Carbonstäbchen (lagen grad auf dem Schreibtisch…) verstärkt. Das hält jetzt garantiert besser als original…
Irgendwas muss ja kaputtgehen, sonst kaufen wir ja nix Neues. Machen wir aber auch so nicht, oder???;-)
Ich bin mit meinem tschechischen Allrad-Golf4 als Daily auch nach wie vor glücklich. Gerade den Zahnriemen gewechselt…
Grüsse, Thorsten