Fünf Jahre ScHEINheiligkeit
Heute (auf den Tag genau!) habe ich Zündaussetzer im Kopf gehabt und ein Auto gekauft.
Ich nannte das Auto „Hein“ und wusste nicht, was mich für Abenteuer erwarten würden…
„Hätte ich das mal lieber nicht gemacht.“
Ihr kennt es doch auch, oder? Also Entscheidungen, die man bereut? Bei denen man denkt: „Was hat mich denn da geritten?“ und ihr euch nicht mehr erklären könnt, warum ihr die Entscheidung getroffen habt? Man könnte denken, dass ich heute über so eine Entscheidung schreiben mag. Heute, also auf den Tage genau vor genau fünf Jahren kaufte ich mir ein Auto. Also nicht, dass ich eines gebraucht hätte – ich hatte schon vier. Aber ich war auf der Suche nach einem günstigen, alten Langstreckenauto. Am liebsten ein Diesel (der war da noch günstiger als Super) und ein Kombi, damit ich auch mal drin übernachten könnte. Und was kaufte ich mir? Genau. Eine Limousine als Benziner – also eigentlich genau das Gegenteil von dem, was ich haben wollte. Aber zumindest war das Auto günstig.
Ihr wisst ja sowieso schon, um welches Auto es hier geht. Es geht um meinen alten Mercedes-Benz 230E der Baureihe W124. Um Hein. Heute haben wir unser fünfjähriges Jubiläum. Und ich dachte, ich nutze nun die Zeit, um einen kleinen Blick zurückzuwerfen, was ich alles schon so mit der rostigen Limousine erlebt habe. Und was noch alles so zu tun ist. Außerdem muss ja nun, wo ich es oben angeschnitten habe, auch noch einmal die Frage kläre, ob Hein wirklich ein Fehlkauf war und ob ich den Kauf bereue. Denn manchmal, wenn ich mich über die alte Limousine auslasse, könnte man ja tatsächlich die Vermutung bekommen. Aber immer der Reihe nach. Bevor ich alle Mercedes-Fans nun fuchsteufelswild mache, machen wir doch mal eine kleine Reise zurück ins Jahr 2018.
Aller Anfang ist leicht
Das Bild da ist das erste Bild von Hein in meinem Besitz. 800 Euro habe ich für den alten Kahn mit einem halben Jahr Rest-TÜV damals bezahlt. Und wenn ihr euch wundert, dass man für so wenig Geld damals noch einen fahrbereiten 124er bekommen konnte, dann wundert ihr euch zurecht. Das war auch einer der Gründe, warum ich Hein gekauft habe. Schon damals wäre er in Ersatzteilen mehr wert gewesen – und wenn ich es geschickt gemacht hätte, wohl auch komplett. Der Meinung war Karsten auch, der mir bei der Abholung von Hein half. Alleine die Alufelgen, die im Kofferraum und auf der Rückbank lagen, waren mehr wert als das Auto. Und sind seitdem im Preis gestiegen. Ich habe sie noch immer. Aber egal – es war also mehr eine halbe Impulsentscheidung, teilweise dachte ich auch ans Finanzielle. Und ich wollte einmal im Leben einen Mercedes fahren. Hein stellte ich euch ein paar Tage später als „den neuen (alten) Kahn“ vor.
Und kaum war der alte Kahn angemeldet, wurde er in den Alltag gedrückt. Mein treuer Dailydriver Harald brauchte damals eine kleine Kur und so musste der Daimler herhalten. Ein paar Kleinigkeiten wie neue Zündkerzen und eine Verteilerkappe bekam er damals schon – und so fuhr er mich (mehr oder weniger) zuverlässig durch die Gegend. Doch ich merkte damals schon, dass die 28 Jahre nicht ganz spurlos an ihm vorbeigegangen waren. Hier und da knackte es im Gebälk, besonders aber in den gefährdeten Traggelenken. Und auch die Bremsen hinten waren ziemlich am Ende. Und die Stoßdämpfer und Federn vorne. Und das Thermostat musste auch neu. Genauso wie ein Türfangband, das mir Marc aus der Schweiz schenkte. Nochmal vielen, lieben Dank dafür!
Das zweite Leben
Nach einigem Hin-und-her entschied ich mich dazu, dem alten Benz doch noch eine Chance zu geben. Er fuhr halt doch irgendwo noch recht gut und ich hätte es schade gefunden, ihn in seine Einzelteile zu zerlegen. Aber hui, hatte der alte Kahn noch Überraschungen für mich parat. Erst einen versifften Innenraum, dann brachten mich die Schweißarbeiten ins Krankenhaus, dann musste ich das Fahrwerk schärfen und gefühlt die ganze Bremsanlage erneuern. Achja – und die Stahlfelgen bekamen auch einen neuen Look von mir. Das fanden damals unfassbar viele Leute richtig doof. Ich mag es immer noch – und macht Hein dann doch irgendwo einzigartig. Zumindest wird er das nach seiner jetzt zweiten Rettung nicht verlieren. Die bleiben! Achja – wenn ihr auf all die Links in diesem Absatz klickt, könnt ihr alte, peinliche Geschichten lesen. Irgs…
Und dann ging das los, wofür ich Hein gekauft habe. Ich packte ein paar Sachen und machte coole Roadtrips. Der erste coole Roadtrip ging zum Fusselforumstreffen am Edersee. Hein war brav – und so ging es dann im August nach Österreich. Zum ersten Mal in meinem Leben fuhr ich so weit in den Süden. Mit einem 800-Euro-Mercedes mit sieben Vorbesitzern, aber mit frischer HU-Plakette. Zumindest die gab es. Und soll ich was sagen? Hein machte es richtig gut. Nur vorher und nachher ging er kaputt. Und zwar genau einen Tag vor der Abreise und einen Tag nach der Ankunft. Allgemein war Hein all die Jahre nicht gerade das, was man „zuverlässig“ nennt. Kennt ihr die Werbung mit dem Mercedes und der Panne? In der der Typ, der angeblich eine Panne mit einem Mercedes hatte und dann eine gescheuert bekommt? Ich hätte oft eine gescheuert bekommen…
Das Beste oder nichts
Naja, so Sachen wie ein abgerosteter Mittelschalldämpfer will ich ihm nicht anlasten. Aber durchaus andere Sachen wie ein kaputtes Überspannungsschutzrelais – eine Schwachstelle bei Mercedes. Was auch uncool war: Ich kaufte mir für Hein gebrauchte Bremssättel. Ich wusste ganz sicher, dass die erst ein Jahr alt waren und original bei Mercedes gekauft wurden. Schade, dass sich einer davon plötzlich dazu entschied, die Bremsscheibe nicht mehr loszulassen. Und ich es auf der Autobahn merkte, als die Bremsflüssigkeit kochte und ich plötzlich kaum mehr Bremsdruck hatte. Ziemlich doofes Gefühl. Und dann ging auch mal die Tankklappe nicht mehr auf. Und zum Schluss hielt er den Leerlauf nicht mehr, weil das Drosselklappenpoti wohl neu muss. Okay – das ist kein Problem, was nur Mercedes betrifft. Zumindest half mir Lukas, eine andere Baustelle abzuarbeiten. Die kaputten Hubwinkel am Schiebedach. Und zumindest das ist wieder Mercedes-typisch.
Eine weitere Reise nach Österreich und einen weißen Kotflügel später, musste ich mich dann aber tatsächlich entscheiden. Die HU lief im August 2020 ab und ohne Arbeit hätte es auch keine neue Plakette gegeben. Die Frontscheibe hatte einen Stein eingefangen und war gerissen. Die Radläufe hinten bröselten vor sich hin und ein ABS-Sensor war auch durch. Eigentlich alles Sachen, die man relativ leicht hätte lösen können – wenn man die Radläufe einfach nur gespachtelt hätte. Doch wollte ich das? Wollte ich Hein in zwei Jahren dann endgültig schlachten? Oder wollte ich ihn doch retten, an ihm meine Karosseriebau- und irgendwann auch Lackierskills üben? Eigentlich doof, dass ich hier frage. Ihr wisst die Antwort. Und so fuhr ich die Saison von Hein noch zu Ende und stellte den alten Kahn in die Garage. Im Frühjahr 2021 wollte ich ihn zerlegen, nach drei gemeinsamen Jahren.
Das dritte Leben
Naja, und wie es dann im Mai 2021 losging, wisst ihr ja wahrscheinlich. Es gab doch noch mehr Baustellen, als bei der TÜV-Durchsicht gesehen wurden, doch ich entschied mich, Hein zu retten. Und das tatsächlich nicht, weil ich ihn so mag wie Elsa oder Henkelmännchen – sondern tatsächlich eher aus dem Grund, dass ich meine handwerklichen Fähigkeiten ein wenig stärken möchte. Und Hein ist halt da – und sowieso nichts mehr wert. Wenn ihr alles über dieses Projekt erfahren wollt, dann schaut hier auf dem Blog nach „Projekt LowBudgetBenz“ (und klickt da einfach auf den Link) oder schaut euch einfach mal die kleine Videoreihe bei Youtube an:
Aber trotzdem schreibe ich euch nun noch eine kleine To-Do-Liste, was ich alles an Hein noch so zu tun habe. Vielleicht wisst ihr dann, warum das Projekt schon so lange dauert – und wohl deutlich länger dauern wird, als ich zu anfang dachte. Also. Aktuell (Stand 5.02.2023) gibt es folgendes zu tun:
-Hinterachse neu verbuchsen und mit neuen Streben zusammenbauen
-Schweller rechts hinten verschließen
-Innenradlauf HR partiell ersetzen
-Außenradlauf HR partiell ersetzen
-Antennenloch ersetzen
-Dichtungslippe Kofferraum instandsetzen
-Heckscheibe ausbauen und Scheibenrahmen entrosten/instandsetzen
-Frontscheibe ausbauen und Scheibenrahmen entrosten/instandsetzen
-Wagenheberaufnahme HR instandsetzen
-Unterboden entrosten und lackieren
-Heckpartie neu lackieren
-Front- und Heckscheibe wieder einsetzen
-Frontstoßstange reparieren und lackieren
-Dämmmatte Motorhaube anbringen
-Querlenkerbuchsen vorne ersetzen
-Stabigummis vorne ersetzen
-Auto wieder zusammenbauen
-Lackaufbereitung
-Innenraumaufbereitung
– TÜV und H-Kennzeichen
Ääh… ja. Es ist also noch richtig viel zu tun. Ob das dieses Jahr alles klappt? Ich kann es nicht sagen, schließlich muss ich nebenbei auch noch arbeiten und so. Aber wie ihr vielleicht an der Liste merkt: Hein ist für mich doch nicht mehr nur ein Auto. Ich mag den alten Kahn. Er ist leise, komplett alltagstauglich, sicher und die Ersatzteile sind günstig. Nagut, das sind zumindest die Sachen, die meinem Kopf gefallen. Dem Herz gefallen all die Erinnerungen, die ich mit dem Auto verbinde. All die Freundschaften, die ich durch den Karren gefunden habe. All die Abenteuer, die ich mit dem Auto erlebt habe. Und hätte ich Hein nicht, dann wäre ich wohl jetzt nicht so glücklich, wie ich es bin. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ihr merkt schon: Hein wird mich so schnell nicht verlassen – und der alte Kahn wird bleiben. Aufgeben zählt nicht. Und außerdem habe ich Hein auch irgendwo lieb, auch wenn ich ihn hasse. Oder so. Auf jeden Fall möchte ich noch viele, viele Abenteuer mit ihm erleben. Und das werde ich auch.
Wo liegt eigentlich meine neue Rolle Schweißdraht?
Ganz toller Bericht 👍, ich wünsche Dir Durchhaltevermögen aber mit Deiner coolen norddeutschen Art wird das schon.
Inspiration gibt es auch unter http://WWW.ZWEIKOMMADREI.DE da gibt es Automobiles Leben und Leiden, unter anderem von Hubert dem Bornit Coupé.
Dankeschön, Andreas! Dein Blog ist mir natürlich bekannt 🙂 Ich hole mir tatsächlich regelmäßig Inspiration. Ansonsten geht man bei so einem Projekt auch unter 😉
Liebe Grüße
Lars