Henkelmännchens Herzprobleme
Einige Reparaturen schiebt man irgendwie immer wieder auf. Tag für Tag, Jahr für Jahr. Und wenn man dann (so wie ich) eine böse Überraschung findet, weiß man auch, warum.
Immer für eine Überraschung gut.
Ostern steht direkt vor der Tür. Freut ihr euch schon darauf, durch den Garten zu laufen und nach Eiern, Süßigkeiten und anderen Überraschungen zu suchen, die der Osterhase so versteckt hat? Ich hoffe es zumindest sehr für euch! Ich habe aktuell nicht mehr so viel Lust auf Überraschungen. Eine „Überraschung“ sorgt gerade dafür, dass ich euch diesen Text nicht selbst schreibe, sondern ihn meiner liebsten Oldtimerfahrerin diktiere – aber das ist eine andere Geschichte. Und die zweite Überraschung hatte Henkelmännchen vor ein paar Wochen für mich parat. Normalerweise würde ich mich ja über eine Überraschung freuen – doch Henkelmännchen hatte sich ein ganz besonderes „Easter-Egg“ ausgedacht. So nennt man doch kleine Features in Filmen oder Produkten, die man erst auf den dritten, vierten oder fünften Blick erkennt, oder? Wenn ja, dann passt es ganz gut zu dieser „Überraschung“. Aber lasst es mich mal von vorne beginnen.
14 Jahre ist es nun bald her, dass Henkelmännchen bei uns einzog. Ich war damals schon auf dem Oldtimertrip, mein Vater wollte unbedingt ein Cabrio – und als der Vater meines besten Freundes aus Grundschulzeiten ein Golf Cabriolet von 1980 verkaufte, schlugen wir zu. Seitdem hat uns Henkelmännchen auf Oldtimertreffen und -Rallyes, auf herrliche Sommertouren und auch mal auf Alltagsfahrten begleitet. Und war dabei gar nicht mal so unzuverlässig. Zwischendurch gab es immer mal Kleinigkeiten, die nach 30 Jahren nun mal so anstehen, vor drei Jahren gab es auch mal ein größeres Projekt, als eine Hinterachsaufnahme durchgerostet war. Aber trotzdem ist der kleine Golf eine treue Seele. Aber eine treue Seele, die eine Sache von Anfang an nicht mochte: Kaltstarts. Schon seit dem Kauf hat Henkelmännchen beim Kaltstart gebläut, gehustet und gestottert und brauchte immer einige Zeit, bis er rund lief.
„Das ist halt ein alter Vergaser“
Das war eigentlich der Standardspruch, den ich hörte, wenn ich Werkstätten fragte, was eigentlich mit Henkelmännchen los sei. Das Bläuen hielt ich mal für verbranntes Öl, dann wieder für zu fettes Gemisch, das vielleicht ein paar Ölreste aus dem Auspuff wusch. Der Vergaser wurde mal überholt, dann wurde wieder auf die Zündung geschaut – doch den gewünschten Erfolg brachte es nie. Im letzten Sommer brachte ich das Auto dann zu Olaf. Olaf kennt ihr wohl als Betreiber des Ost-Blogs, doch der sympathische Hamburger betreibt auch eine Werkstatt im Süden Hamburgs namens „Altblechfieber„. Und wenn sich jemand mit alten VW auskennt, dann ist es wohl Olaf. Und auch Olaf merkte schnell, dass mit Henkelmännchen etwas nicht stimmte. Hier und da waren ein paar Unterdruckleitungen falsch zusammengesteckt, an zwei Stellen fehlte auch ein Rückschlagventil. Und die Werkstatt, die vor einigen Jahren die Zylinderkopfdichtung wechselte, war wohl auch nicht sonderlich sorgsam. Der Zahnriemen war um einen Zahn daneben und viel zu stramm, die Dichtung vom Ansaugkrümmer kaputt.
Merkt ihr was? Genau. Nichts von wegen „alter Vergaser“ – auch früher liefen die Autos gut. Das war alles Pfusch einer Werkstatt. Aber naja – Olaf fand die Fehler, hat sie behoben – doch so richtig toll lief Henkelmännchen immer noch nicht, wenn er kalt war. Der Grund? Auf einem Zylinder war mal einfach keiner mehr so richtig Zuhause. Es fehlte Kompression. Und was braucht ein Ottomotor neben Kraftstoff-Luftgemisch und Zündfunken, um richtig zu laufen? Genau. Kompression. Wobei Henkelmännchen ein ganz besonderes Exemplar war: Denn nur im kalten Zustand lief er nicht so toll. Im warmen Zustand und während der Fahrt war alles in Ordnung. Ab und zu qualmte der alte Kerl mal ordentlich blau – aber nicht immer. Ein komisches Phänomen. Sowohl Olaf als auch ich tippten auf einen gebrochenen Kolbenring. Und genau den wollte ich vor ein paar Wochen austauschen. „Kann ja nicht so schwer sein“, dachte ich mir. Naja…
In die Hände gespuckt!
Okay, die Zwischenüberschrift tut mir gerade etwas weh. Aber egal. Als ich Henkelmännchen vor zwei Wochen auf die Hebebühne fuhr, war für mich das Ziel klar: „Kolbenringe austauschen!“. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt noch keinen EA827 (so heißt die Entwicklungsreihe der Ottomotoren von VW, die für ihre Robustheit bekannt sind) zerlegt – aber ein altes Werkstatthandbuch und ein „So wirds gemacht“-Band sollten eigentlich ausreichen. So alte VW sind eigentlich echt simpel aufgebaut. Nicht so simpel wie eine Elsa, aber schon sehr simpel. Sonderlich nervös war ich nicht. Wirklich große Schäden haben die Motoren eigentlich nicht, wenn man zumindest einigermaßen mit ihnen umgegangen ist. Und zumindest in den letzten zwanzig Jahren sollte das der Fall gewesen sein. Übrigens: Der Motor in Henkelmännchen ist nicht mehr der originale Motor. Der starb wohl irgendwann in den 90er Jahren den Hitzetod. Dieser Motor stammte aus einem Schlachtgolf. Wie viele Kilometer der gelaufen hatte? Keine Ahnung…
Aber ist ja auch egal. Auseinander musste er. Und das ist beim Golf 1 gar nicht so wild, wenn man weiß, was man tut. Ich wusste das natürlich nicht. Aber wenn man ein bisschen versteht, wie so ein Motor aufgebaut ist, dann ist er auch relativ schnell zerlegt. Als erstes habe ich den Luftfilterkasten abgebaut und auch die Lichtmaschine musste weichen. Um die Lichtmaschine auszubauen, muss man aber erst einmal die Zahnriemenverkleidung abnehmen – auch nicht so das Problem. Was für mich immer eher ein Problem ist, weil ich das Zeug einfach nicht mag, ist das Ablassen von Kühlwasser. Ich finde das Zeug furchtbar. Es klebt, es stinkt und läuft irgendwie überall hin, aber natürlich nicht in den Behälter, in den es eigentlich laufen sollte. Watt’n Schweinkram. Das Motoröl, das ich am Abend vorher abgelassen habe, hat sich da deutlich besser verhalten. Wie dem auch sei.
Stein für Stein
Um einen Überblick zu behalten, habe ich mit der Hilfe meiner liebsten Oldtimer-Fahrerin, die mir die ganze Zeit interessiert über die Schulter geschaut hat, einen Tisch aufgebaut. So kann man alle Teile sauber und ordentlich verstauen, ohne darüber zu stolpern oder etwas kaputtzutreten. Wäre ja auch doof. Außerdem findet man so hoffentlich alles leichter wieder – zumindest ist das mein Plan. Mal sehen, ob er aufgeht. Aber ich schwafel schon wieder herum. Was mich ein bisschen verwirrt hat, war die Sache mit dem Ansaug- und Abgaskrümmer. Eigentlich müsste man die auch abbauen können, ohne den Kopf abzubauen – aber irgendwie war ich dafür zu doof. Also wirklich zu doof. Ich habe bestimmt eineinhalb Stunden herumprobiert, habe es aber einfach nicht geschafft. Vielleicht habe ich auch nicht das richtige Werkzeug gehabt, denn an einige Schrauben bin ich einfach nicht rangekommen. Oder ich hätte mir zehn Mal die Finger brechen müssen. Schon wieder so eine doofe Metapher…
Aber zum Glück muss ich gerade nicht schreiben. Wisst ihr, was das coole an alten Autos ist? Der simple Aufbau. Eigentlich ist der Zylinderkopf gerade einmal mit zehn Schrauben (wenn ich mich nicht gerade falsch erinnere und es doch nur acht sind, glaube aber 10) am Block festgeschraubt. Mehr nicht. Und wenn man – wie ich – es nicht zum ersten Mal macht, hat man den Zylinderkopf tatsächlich sehr schnell abgebaut. Achja – der Zahnriemen musste auch noch ab. Aber selbst so ein Riemenspanner ist nicht gerade kompliziert aufgebaut. Einen neuen Zahnriemen wird Henkelmännchen natürlich bekommen, wäre schließlich doof, wenn der reißt. Aber egal – weiter im Text. Für die Zylinderkopfschrauben musste ich tatsächlich noch einmal zum Teilehändler fahren – da hatte ich nicht das passende Werkzeug. 9 Euro und 40 Minuten Fahrt (Landleben… wobei ich in der Stadt wohl noch länger gebraucht hätte) später hatte ich es aber. Und dann gab es kein Zurück mehr.
Die Stunde der Wahrheit
Da ist er. Der Zylinderkopf in seiner ganzen Pracht. Minus einem Schraubenkopf, den ich abgerissen habe. Doofe Sache – aber nützt ja nichts. Einmal eine Mutter aufschweißen und das Ding sollte rausgehen. Ein Tipp von Olaf. Vielen Dank an dieser Stelle! Als ich den Kopf abnahm, war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich auf eine kaputte Kopfdichtung treffen würde. Die Werkstatt hatte so viel gepfuscht, die vor einigen Jahren die Kopfdichtung gewechselt hatte, das musste einfach daran liegen. Aber was soll ich sagen? Die Kopfdichtung war vollkommen in Ordnung. Für mich hieß das also: Ölwanne abbauen und die Kolben ziehen. Eigentlich auch kein großer Aufwand. Die Ölwanne ist mit ungefähr zweitausend Schrauben fest, die Pleuel jeweils mit 2 Schrauben. Dann drückt man den Kolben nach oben raus – und kann schauen, was kaputt ist. Ich vemutete also einen gebrochenen Kolbenring, wie Olaf übrigens auch. Doch trotzdem war ich ein wenig nervös, irgendwie.
Aber bevor ich euch nun sage, was ich bei Henkelmännchen für eine böse Überraschung gefunden habe, könnt ihr den ganzen Zerlegeprozess auch wieder auf Video sehen. Und auch die böse Überraschung. Denn es hat einen Grund, warum es vom Kolbenziehen keine Fotos und kein Video gibt: Henkelmännchens Kolbenringe waren okay. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Was gar kein Grund zum Feiern ist: Alle vier Kolben haben eindeutige Fressspuren.
Und zwar keine frischen. Henkelmännchen hat also irgendwann in seinem Leben einen Kolbenfresser gehabt – und ist einfach weitergefahren. Und zwar richtig gut. Dafür möchte ich den kleinen Golf loben, allerdings stellt es mich nun vor eine große Frage. Wie mache ich weiter? Neue Kolben kaufen? Das ist schwer, irgendwie findet man keine mehr. Den Block ausbauen und zum Motorenbauer geben? Leider hat der Block schon Risse an den Sacklöchern. Einen gebrauchten Motor kaufen? Oder den alten einfach wieder zusammenbauen und hoffen, dass er hält?
Wenn ihr das Video geschaut habt, dann werdet ihr vielleicht merken: Über dieses Easter-Egg habe ich mich so gar nicht gefreut. Inzwischen habe ich auch schon einen Plan, den ich aber gerade nicht so wirklich umsetzen kann, weil ich mich erst noch auskurieren muss. Und eigentlich habe ich ja auch noch ein Projekt, was ohne Hinterachse in meiner Garage schlummert. Das ist so ein typischer Fall von: Never touch a running system. Wahrscheinlich wäre Henkelmännchen einfach weitergefahren und hätte nie Ärger gemacht. Und weil ich es nicht gewusst hätte, hätte es mich auch nicht geärgert. Watt’n Mist. Aber egal: Probleme sind da, um gelöst zu werden. Und das wird auch passieren. Bis dahin wünsche ich euch erst einmal frohe Ostern und einen ganz fleißigen Osterhasen.
Und möglichst kein Easter-Eggs wie dieses.
Moin.
Oje, das ist ja Pech. Wie du das reparierst – die Entscheidung muß du natürlich selbst treffen. Ich jedenfalls würde einen profimäßig überholten Block besorgen.
Gruß Stefan aus VEC
Moin Lars,
das ist ja ärgerlich. Welche Sacklöcher sind denn da gerissen? Die von den Kopfschrauben? Kenne ich so garnicht. Ansonsten würde ich den einfach auf Übermss bohren und grössere Kolben rein. Die Wellen haben fast nie was, man sollte sie aber nicht mit neuen Standardlagern einfach wieder montieren, du könntest Rückstände der Notlaufschicht auf der Welle haben, das könnte hinterher den Ölfilm massiv beeinträchtigen. Immer mindestens abläppen.
Ich hab leider auch nur noch einen K-Jet 1,8 und einen Diesel rumfliegen, sonst hätte ich dir jetzt was angeboten.
Aber so einen 1,6er in brauchbar müsste sich doch finden lassen, 1,8 Vergaser gabs ja auch. Ein Hubraum-Update ist ja auch nicht schlecht…
So ein 1,8 mit 2B5-Vergaser läuft übrigens echt schick.
Viel Glück,
Thorsten