Mit Moos viel los

Ääh… ja. Das war nicht geplant – aber heute möchte ich euch einen Neuzugang vorstellen. Eigentlich wollte ich auch kein Auto mehr kaufen. Aber geschenkt ist nicht gekauft…

Hallo! Ich bin Lars und ich habe ein Problem.

Es ist vor ungefähr elf Monaten wieder angefangen. Bis dahin war ich fünf Jahre relativ konstant und entspannt, was diesen Drang anging, der wohl einfach durch Mitleid ausgelöst wurde. Hein hatte mich mit seinen traurigen Scheinwerfern in den Bann gezogen und mir dann gezeigt, dass es nicht immer Zuckerschlecken ist, wenn man alte Autos retten will. Vorher tat es mir leid, wenn ein Auto auf den Schrott gebracht werden sollte. „Man kann nicht alle retten“ war dann aber fünf Jahre mein Motto. Bis mir Krümel über den Weg lief und ich ihn als Teileträger kaufte. Und dann doch wieder Mitleid bekam und ihn wegstellte. Okay – Ove war eine Ausnahme. Ich wollte immer schon einen Amazon Kombi. Und auch, wenn ich kein Auto mehr kaufen wollte, bevor Hein nicht fertig ist, war Ove eine einmalige Gelegenheit. Ich bereue es bis heute nicht. Und nun? Nun habe ich wieder nicht „Nein“ sagen können und noch ein Auto mehr. Und anstatt mich zu schämen, freue ich mich sogar ein bisschen drüber.

Drei Autos in elf Monaten. Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Wobei Krümel nur vierhundert Euro gekostet hat. Und der neue… der hat mich gar nichts gekostet. Nix. Nada. Null Euro. Der Neuzugang wurde mir tatsächlich geschenkt, weil er ansonsten wohl auf den Schrott gewandert wäre. Und das konnte ich in dem Fall wirklich nicht zulassen. Nicht nur, weil ich so ein Auto insgeheim irgendwo auch immer schon mal haben wollte, er war auch einfach viel zu schade. Anscheinend fand Jens, besser bekannt als Sandmann von Sandmanns Welt das auch. Er war einige Jahre Pate des Autos – aber die Gesundheit der Besitzer und der Wunsch nach etwas Kleinerem sollten nun das Ende meines Neuzugangs bedeuten. „Willst du ihn haben? Du bekommst ihn umsonst“, schrieb Jens mir und schickte Foto von einem sehr moosigen Auto – wohlwissend, dass ich für das Modell einen besonderen Softspot habe. „Auf jeden Fall!“, war prompt meine Antwort. Egal wie fertig er sein sollte – umsonst nehme ich fast jedes Auto.

Ab in den Süden!

Das Moos das wächst auch hier, ey jo, was geht? Oder so. Zumindest habe ich das einmal kurz angesungen, als Daniel und ich in Richtung Süden fuhren. Ich hatte mir für die ganze Aktion extra einen Tag Urlaub genommen und freute mich über das Abenteuer. Daniel freute sich genauso und hat seine hart erarbeiteten Überstunden dafür geopfert. „Das wird wild“, meinte er, als ich ihm erzählt habe, dass mir ein Auto geschenkt wurde und ich ihm die Bilder von der Perle zeigte. „Den würde ich auf jeden Fall gleich waschen“, philosophierte er, als wir vor dem Elbtunnel im Stau standen. „Sonst wirst du ja gleich rausgewunken. Und das tut ja nicht Not.“ Waschen wollte ich ihn auf jeden Fall noch. Mit einer fahrenden Hecke wollte ich nicht über die Autobahn. Und auch nicht auf Mischbereifung. Vorne konnte man originale Stahlfelgen mit Radkappe erkennen, hinten waren es Alufelgen. Von Jens hatte ich erfahren, dass sowohl eine der Alufelgen als auch der Reifen auf einer Stahlfelge kaputt waren. Deshalb lagen im Kofferraum von Daniels Volvo nun auch ein Ersatzrad auf Stahlfelge. Eine Felge hatte ich nach langem Suchen auf einem Schrottplatz gefunden und der Reifen… war der billigste in der Größe bei eBay.

Ein bisschen dodgy kamen wir uns vor, als wir auf einem Edeka-Parkplatz auf Jens warten sollten. Jens wollte sich es auch nicht nehmen lassen, an der ganzen Aktion teilzunehmen – und kam (weil wir durch den Stau rund eine Stunde verschenkt hatten) uns mit meinem Neuzugang schon entgegen. Aber zum Glück konnten wir uns die Zeit gut vertreiben. Nicht nur ein alter Passat stand auf dem Parkplatz, auch einen ganz frühen und super gepflegten Golf 3 und einen alten Vitara konnten wir entdecken. Aber so ganz konnte ich an den tiefphilosophischen Gesprächen über alte Autos mit Daniel gar nicht teilnehmen. Irgendwie… war ich viel zu nervös. Nicht so nervös wie bei der Abholung von Ove, aber schon irgendwie… nervös. Ihr wisst schon. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber ein bisschen nervös vor einer Panne vor dem Elbtunnel… war ich schon. Aber die Nervösität verflog komplett, als Jens mit dem Wagen angefahren kam. „Der läuft aber ruhig“, meinte ich erstaunt zu Daniel, der gleich zustimmte. Und ihr wollt sicherlich wissen, was so ruhig lief, oder? Na, dann schaut mal:

Ein Stück Kindheit

Da ist das Schmuckstück! Ein Passat 3A Variant aus dem Jahre 1996, also genauso alt wie ich. Unter der Haube schlummert ein 1,8 Liter Benziner mit 90 PS, der seit 172 000 Kilometer über fünf manuelle Gänge seine Kraft an die Vorderräder bringt. Und das, was mich am meisten an dem Auto fasziniert: Es ist ein Sondermodell Pacific. Und ein Passat 3A Variant als Sondermodell „Pacific“ aus dem Jahr 1996 ist auch tatsächlich ein Stück Kindheit von mir. Drei Monate nach meiner Geburt kauften meine Eltern nämlich einen tornadoroten Passat Variant als Pacific und fuhren ihn bis 1999. Es ist das erste Auto, an das ich mich ganz bewusst erinnern kann. Okay, meine Eltern hatten einen 1,9er TDI und keinen Benziner. Und er war eben rot und nicht schwarz. Aber die Chance, selbst mal einen Pacific zu besitzen, in dem ich als kleiner Junge auf der Rückbank gesessen und meine Eltern mit allen möglichen Geschichten zugelabert habe, die wollte ich mir nicht entgehen lassen. Auch, wenn ich mehr als genug Autos und Baustellen habe. Und mal ehrlich, wann habt ihr den letzten Passat 3A gesehen?

Dieses Exemplar wäre wohl dort gelandet, wo so viele gelandet wären, wenn ich ihn nicht genommen hätte: Auf dem Schrott. Denn auch, wenn es sich total dekadent anhört, ein Auto geschenkt zu bekommen… der Passat zeigt seinen harten Einsatz über die letzten 28 Jahre schon an einigen Ecken und Kanten. Und das Moos ist dabei sein kleinstes Problem. Die Kotflügel und die Türen sind alle angefahren und verbeult, das Schiebedach ist seit Jahren mit Gaffatape zugeklebt, weil es undicht ist, der Motor läuft recht gut, verliert aber Kühlwasser. Die letzte Wartung ist noch länger her als die letzte Wäsche, an einigen Ecken und Kanten knabbert der Rost und der Innenraum.. ja, der Innenraum ist nicht mehr so appetitlich. Die Vorbesitzer konnten sich leider nicht mehr so um das Auto kümmern und das undichte Schiebedach half auch nicht so ganz. Es müffelt und mieft ziemlich in der Karre und alles ist auch ziemlich stark verdreckt. Aber es ist nichts kaputt. Bis auf den Fensterheber links.

Aber das war mir alles egal.

Ich habe mich tierisch gefreut. Viel mehr sogar noch, als es gesund wäre. Meine Eltern fahren seit 1986 Passat – ich glaube, ihr aktueller ist der achte oder neunte. Meine ganze Kindheit habe ich auf der Rückbank eines Passats verbracht, weil ich nicht ins Haus durfte. Natürlich Quatsch – aber irgendwie gab es nicht so viele andere Autos als Kind. Alle Ausflüge, alle Fahrten – die habe ich auf der Rückbank eines Passats mitgemacht. So etwas prägt. Und nun? Nun habe ich selbst einen. Als Jens und ich uns auf dem Weg zurück nach Schleswig-Holstein machten, habe ihn die ganze Zeit vollgelabert, wie cool ich das Auto finde. Jens, der selbst mal einen 3A Pacific – allerdings in Grün und auch als TDI – besaß, konnte es wohl nur zum Teil verstehen. Klar – cool ist so ein Passat nicht. Das war er nie und wird es nie werden. Aber es sind gute Autos. Und das Auto, in dem ich die ersten drei Jahre meines Lebens mitfahren durfte.

Und deshalb war es für mich auch Ehrensache, dass der Wagen erst einmal von seinem Moos befreit werden musste. Auch, weil weder Daniel noch ich eine 17er Nuss dabei hatten, um hinten die Räder umzutauschen. Und das alleine wäre schon Grund genug für eine Kontrolle, dachte ich mir. Da sollte zumindest die Hecke vom Auto. Um ganz ehrlich zu sein – das Zeug war und ist aber ziemlich hartnäckig. Der gröbste Mist ging aber runter – und die ganze Fahrt hinweg hat sich niemand um uns oder um die Mischbereifung gekümmert. Und der Passat? Der fuhr einfach nur. Der einzige Mangel, der mir auffiel, war ein schiefstehendes Lenkrad. Und die Spur fühlte sich irgendwie nicht so richtig eingestellt hat. Und der Auspuff blies aus einer Schelle. Ansonsten lief alles total unaufgeregt. Irgendwann vergaß ich total, dass ich in einem Auto saß, dass mich nichts gekostet hat. Und selbst der Siff im Innenraum war gar nicht mehr so schlimm.

Die erste Shoppingtour

Nachdem wir Jens abgesetzt hatten, machten Daniel und ich noch einen kleinen Zwischenstopp bei Kiesow. Sowohl bei Daniels V70 als auch beim Passat fehlten die Kofferraumabdeckungen. Und wir wurden fündig! Ein bisschen komisch kam ich mir schon vor, aus so einem doch noch recht gut erhaltenen 35i das Rollo zu mopsen, während der Passat – MEIN Passat! – doch deutlich mitgenommener aussah, als dieses Exemplar auf dem Schrottplatz. Aber so ist das Leben – man kann nicht alle retten. Auch eine passend ausgeblichene Rückleuchte konnte ich ergattern. Wobei gar nicht mehr so viele 35i oder 3A dort auf dem Platz standen. Und die, die da standen… waren schon recht was ausgebeint. Und gammelig! Viel gammeliger als der schwarze Pacific, der auf dem Parkplatz stand und darauf wartete, zu seinem neuen Zuhause an der Nordsee zu fahren. Wenn ihr sehen wollt, wie die Abholung ablief und ein paar Detailfotos vom Passat sehen wollt, dann schaut doch mal hier:

 Auch die Fahrt nach Hause hat der alte Variant einfach super gemeistert. Er lief super über die Autobahn, war ruhig dabei und dürfte gar nicht so viel verbraucht haben. Denke ich. Getankt habe ich ihn bis heute nicht. Was ich mit dem Auto machen soll? Das weiß ich noch gar nicht so genau. Die Substanz ist auf jeden fall nicht so verkehrt. Ein bisschen muss ich schweißen, aber das meiste wirkt relativ gut. Der Motor läuft schön, die Kupplung ist fit, das Getriebe auch. Wartung bräuchte er – aber die Teile kosten ja nichts. Und der Rest? Der muss geputzt werden. Bzw. die Türen und die Kotflügel müssten wohl ersetzt und lackiert werden. Soll ich das machen? Ich würde das gerne einmal von euch wissen. Retten? Oder wegschmeißen? Für die HU wäre eigentlich gar nicht so viel zu machen. Und ich habe da auch schon eine kleine Tendenz… aber ich bin gespannt, was ihr sagt. Außerdem braucht das Auto einen Namen!

Denn irgendwie gehört ja jetzt schon zur Familie.

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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2 Antworten zu Mit Moos viel los

  1. Thorsten sagt:

    Moin Lars,

    das mit den geschenkten Autos kenne ich nur zu gut..
    Glückwunsch dazu.
    So ein 3A ist gerade mit dem anspruchslosen, ewig haltbaren 1,8 wirklich ein gutes Auto. Der Motor kann gut 400tkm oder mehr, wenn er gewartet wird. Die Verschleissteile sind billig, selbst in guter Qualität. Und Platz habe die 35i/3A wirklich, da können sich alle Nachfolger eine Scheibe abschneiden.
    Du beschreibst es aber ganz gut: Er ist irgendwie unaufgeregt, mancher wird sagen langweilig. Einen Oldtimerstatus wird es in den Köpfen erst geben, wenn man so einen Passat wirklich nur noch selten sieht, das hat bei den Vorgängern auch ewig gedauert.

    Geschenkte Autos hab ich auch jahr(zehnt)elang immer gern genommen, bis es irgendwann mal etwas viel wurde. Ich hatte immer Freunde, die ihre ausgedienten gern mal einfach bei mir abgestellt haben. Manch einer wird neidisch, wenn ich die Liste hier preisgebe, aber die waren seinerzeit auch wenig bis nichts wert.
    Nur soviel: Porsche 924, T2, T3 syncro,T3 Reimo, Rekord D, Escort Mk4 Cabrio, R4, Knudsen-Taunus…

    Alles in den letzten 30 Jahren irgendwann mal hier gelandet. Den fahrbereiten, aber rostigen T3 syncro hab ich tatsächlich erst vor etwa sieben Jahren verkauft weil irgendwann auch mir klar wurde, das ich nie alle retten kann…

    In diesem Sinne: Miete schonmal eine grössere Halle an. Sonst wächst das Moos irgendwann schneller als du waschen kannst.;-)

  2. Thorsten sagt:

    …den obligatorischen Tip hab ich vergessen: Wenn ein 827 aus der Zeit Kühlwasser verliert, dann sind das meist die Kunsstoff-Wasserflansche. Irgendwo gerissen sind sie oft, gibts für kleines Geld. Wasserpumpe ist selten, wenn dann kauf die gleich mit dem ganzen Gehäuse. Der Mehrpreis von 10€ lohnt den Ärger mit gelegentlich abgerissenen Schrauben nicht. Eine kurze 13er Gelenknuss ist bei der Wapu je nach Ausstattung meistens hilfreich…

    Ansonsten: Aggregateträger an der vorderen Querlenkeraufnahme auf Durchrostung prüfen, das haben die gern mal und die hinternen Querlenkergummis kannst du auch gleich mal bestellen.

    Viel Spass damit.

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