Ove hat ein Rad ab

Ich hatte schon die ein oder andere Panne mit meinen alten Autos. Aber keine von diesem Kaliber.

Heute möchte ich euch erzählen, wie mir bei Ove während der Fahrt das Rad weggebrochen ist. Das war gefährlich…

Eigentlich war es ein schöner Abend.

Der Sonnenuntergang war schön, die Straßen waren leer und laue Sommerluft wehte durch das Fenster in den Innenraum meines Amazon Kombis. Ich dachte mir, dass ich verstehen könnte, dass Leute gerne in St. Peter-Ording Urlaub machen, als mir ein leichtes Poltern von der Vorderachse auffiel. Erst einmal nichts besorgniserregendes. Auch als ich bei der nächsten Bodenwelle ein Poltern hörte, machte ich mir darum nicht so viele Sorgen. „Da musst du Zuhause mal schauen“, dachte ich mir. Schließlich war es nicht mehr so weit. Und so hörte ich es noch für einige Kilometer, dachte mir aber nichts dabei. Es wurde schließlich nicht schlimmer oder lauter. Bis es dann bei einer Bodenwelle doch plötzlich lauter und irgendwie metallen wurde. „Die nächste Kreuzung fährst du mal lieber von der Hauptstraße ab und schaust nach“, sagte ich laut zu mir. Die war nur noch fünfhundert Meter entfernt. Doch das sollten fünfhundert Meter sein, die ich nicht mehr schaffen würde.

Mit einem lauten Knallen kündigte Ove seinen Drang an, plötzlich im 90 Grad Winkel rechts abbiegen zu wollen – mit voller Wucht lenkte ich gegen und merkte, wie die linke Seite vom Auto irgendwie leichter wurde. Nach links auf die Gegenfahrbahn wollte ich aber auch nicht. Mit beiden Füßen stand ich auf dem Bremspedal und schaffte es um Haaresbreite noch, einen Straßenleitpfahl zu verfehlen. Zum Glück war die Bankette trocken und nicht matschig – und der Radweg war einsam und verlassen. So konnte ich Ove zumindest noch überzeugen, nicht in den Graben oder gegen einen Baum zu scheppern, sondern auf dem Radweg zum Stehen zu kommen. Es lässt sich nicht in Worte fassen, wie sich das anfühlte – aber als ich den Motor ausmachte und die Handbremse anzog, stand schon Daniel neben mir, der auch in St. Peter war und mir hinterher fuhr. „Was war das denn?“, fragte er mich erschrocken. „Ich glaube, mir ist ein Rad abgefallen“, meinte ich recht trocken. Doch es war mir kein Rad abgefallen. Als wir um das Auto schlichen, sahen wir das ganze Ausmaß:

Ove macht ’nen Knicks.

Wahrscheinlich war es sogar nur besser, dass mir der obere Querlenker abgerissen ist. Wäre mir das Rad abgefallen, wäre garantiert deutlich mehr kaputtgegangen. Doch das half uns wenig. Denn sowohl Daniel als auch ich (und wohl auch Ove) wussten, dass meine Fahrt hier vorbei sein sollte. Doch zum Glück hatte ich mein Handy ausnahmsweise vollgeladen, schnappte mir meine ADAC-Karte und rief die Pannen-Hotline an. Währenddessen fragten viele Leute, ob sie uns helfen könnten. Richtig vorbildlich und klasse! Nicht so vorbildlich und klasse war die Reaktion von der Pannenhilfe-Hotline. Nach rund zwanzig Minuten in der Warteschleife, wurde mir geraten, einen Fall in der App aufzumachen und es wurde aufgelegt. Natürlich hatte ich keine ADAC-App installiert. Und das würde zumindest dort, wo ich stand, auch nichts werden – mein Handy zeigte nur „E“ an. Und nun? Nun war guter Rat teuer. Bis ein Anwohner ankam. „Kann ich helfen?“, fragte er nett und freundlich. „Ich habe einen Teleskoplader da. Oder wollen wir es mal mit schieben versuchen? Könnten wir erstmal gerne bei mir auf den Hof stellen.“ Vor lauter Dankbarkeit nahm ich das Angebot sofort an. Und wir hatten Glück: Beim Rückwärtsschieben richtete sich das Rad wieder auf. Wir konnten Ove also wieder manövrieren und ihn verstauen. An dem Abend fuhr Daniel mich nach Hause.

Ich sag es immer wieder: Freunde sind das wichtigste im Leben. Schon am nächsten Morgen durfte ich mir Karstens Trailer ausleihen – Ove kannte den ja schon. Und Daniel war auch wieder am Start. „Wir müssen ihn ja wegkriegen“, meinte er einfach. Und meine Eltern waren so gut, mir ihren Wagen zu leihen. Mein einziges Zugfahrzeug Hein stand ja leider noch zerlegt herum. Und so kam es, dass wir (einfach mit Schwung) Ove auf den Trailer fuhren, ihn verzurrten und in meine Werkstatt brachten. Dort angekommen fuhr ich ihn rückwärts vom Trailer bis auf die Bühne. So ließ er sich tatsächlich noch manövrieren. Aber für den Weg nach Hause wäre das eher doof gewesen. Egal. Nachdem ich den Trailer wieder zurückgebracht hatte, schauten wir uns Ove einmal auf der Bühne an. Was hatte sich da nun wirklich zerlegt?

Schraube locker!

Auf den ersten Blick sah eigentlich alles recht gut aus – aber das lag auch nur daran, dass Ove im ausgefederten Zustand auf der Bühne stand. Ove hat vorne nicht nur einen Querlenker pro Seite, sondern zwei. Einen oben und den anderen unten. Der obere ist von hinten mit zwei Schrauben an den Vorderachsträger geschraubt – das ist dieser Gnubbel der zwischen den Schenkeln des oberen Querlenkers. Eine dieser Schrauben war kaputtgebrochen – und die andere hatte sich herausgedreht. Und warum? Anscheinend wurden sie nicht nur viel zu fest angezogen, sondern auch mit Fett eingesetzt. Das sorgt für weniger Reibung in den Gewindegängen – und die Schraube wird somit fester angezogen, obwohl das Drehmoment eigentlich schon erreicht wurde. Und zu allem Überfluss war auch das Sicherungsblech nicht umgebogen – und das alles wäre nicht einmal bei der HU wirklich aufgefallen, weil die Schrauben in dem Achskörper stecken und nicht zu sehen waren. Auch ich habe – bis es zum Klappern kam – nicht mal im Traum daran gedacht, dass da etwas lose sein könnte. Wer fässt schon jede Schraube seines Autos an? Das war vorher auf jeden Fall ein richtiger Pfuscher am Werk. Aber schaut euch die Schrauben doch mal an:

Bei der einen kann man sehen, dass sie gebrochen ist – die dunklen Stellen zeigen aber, dass sie schon zumindest länger angebrochen war. Das ist nämlich Korrosion. Die ist also nicht durchgeknackst, weil die andere sich herausgedreht hatte, sie war schon vorgeschädigt. Und beim Gewinde der anderen Schraube kann man relativ gut erkennen, dass hier das Gewinde gelitten hat: An einigen Stellen ist das Gewinde noch schön und spitz, eher mittig sind die Gewindegänge plattgedrückt – da hat sich die Schraube gelängt, weil sie zu fest angeballert wurde. Doof sowas, sogar richtig doof. Aber zumindest gab es einen doch relativ großen Trost. Als Daniel und ich noch einmal an Ove schauten, haben wir recht schnell feststellen können, dass tatsächlich nur die beiden Schrauben kaputtgegangen waren. Ansonsten war alles tutti – auch der Reifen. Trotzdem wollte ich in dem Zuge gleich die oberen Querlenkerbuchsen erneuern und auch die Traggelenke. Wenn es eh schon mal auseinander ist…

Die richtige Entscheidung

Ein paar Wochen später waren die neuen Teile dann da – und Daniel stand mir wieder tatkräftig zur Seite. Als erstes haben wir – beziehungsweise Daniel – damit angefangen, das obere Traggelenk zu tauschen. Das alte hatte schon etwas mehr Spiel als ich gerne hätte – und so habe ich es gleich neugemacht. Nach der ganzen Aktion hatte ich nicht mehr ganz so riesiges Vertrauen in die vordere Radaufhängung. Und das Tauschen vom Traggelenk ging echt easy. Drei Muttern losgeschraubt, rausgenommen, das neue eingesetzt und mit dem richtigen Drehmoment wieder fest. Fertig. So einfach kann es sein. Und auch das Zerlegen des oberen Querlenkers war relativ easy: Nachdem ich die Schrauben angelöst hatte, konnte Daniel sie einfach so losschrauben. Und dann hatten wir auch die Stange in der Hand, auf die die Buchsen geschraubt sind. Und als ich die sah, wusste ich, dass der Austausch nicht zu früh war:

Schon von außen sahen die Gummis der Buchsen nicht mehr allzu taufrisch aus. Und das waren sie tatsächlich auch nicht. Als wir sie aus den Metallringen gepult hatten, waren von den Gummis nur noch Fetzen übrig – aber das war tatsächlich kein Grund dafür, warum die Schrauben aussehen wie sie aussehen. Ich habe mich übrigens nicht für neue Gummibuchsen entschieden, die nur vier Euro pro Stück neu kosten, sondern für PU-Buchsen. Bei Facebook und Instagram wurde das schon fleißig kommentiert mit: „Das baust du wieder aus!“ und „Das wird tierisch laut“ – aber es gibt ja verschiedene Härtegrade. Und natürlich habe ich nicht die härtesten genommen. Andererseits ist oben auf dem Querlenker relativ viel Last – und Ove könnte ein bisschen knackigeres Fahrgefühl gut tun. Der Gute ist echt ein bisschen schwammig unterwegs, so einiges ist da schon echt ein bisschen verschlissen. Und so kam es, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben PU-Buchsen verbaut habe.

Alles neu macht der Juli

Die neuen Buchsen ließen sich spielend leicht mit einem Schraubstock und dem richtigen Fett einsetzen. Ich weiß gar nicht so genau, wie lange die ganze Aktion mit dem Fahrwerk gedauert hat. Aber dank Daniels Hilfe nicht so lange, wie ich vorher dachte. Ich denke, einen späten Nachmittag und Abend waren wir in Gang und haben Ove das Fahrwerk wieder schön gemacht. Zumindest zum Teil. Wenn ihr das ganze Ausmaß und den Zusammenbau aller Teile sehen wollt, dann schaut doch mal hier, ich habe es wieder in Videoform festgehalten:

Ove war also – nachdem wir alles mit dem richtigen Drehmoment festgezogen hatten – wieder einsatzbereit. Und das musste er dann auch gleich beweisen, in dem er mich auf die erste gemeinsame Reise begleitet hat. Aber das… das ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall fand ich es doch schockierend, dass so eine versteckte Kleinigkeit für so große Probleme sorgen kann. Aber wer schaut wirklich jede Schraube vom Fahrwerk nach, wenn er ein Auto mit gültiger HU gekauft hat? Eigentlich denkt man dann doch, dass alles funktionieren sollte. Ich habe danach auf jeden Fall jede Schraube angefasst. Und bin noch immer ein bisschen nervös, wenn manchmal Unebenheiten in der Fahrbahn sind, die mich an das Kollabieren erinnern – deshalb wird Ove auch noch einmal das restliche Fahrwerk durchgeschraubt bekommen. Und dann ist er bereit für das nächste Abenteuer.

Und das wird dieses Jahr richtig groß.

Watt'n Schrauber

Volvofahrer und Zündappschieber, Do-it-myself-Schrauber. Autodidakt. Hat zu oft Mitleid mit Fahrzeugen, die niemand mehr will und mag sie dann nicht mehr verkaufen. Liebt "Learning-by-doing", schraubt gerne und schreibt sogar noch viel lieber.

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1 Response

  1. Thorsten sagt:

    Moin Lars,

    ich krieg ja immer eine Macke, wenn ich sowas sehe. Alte Patentrezepte und die Fakenews auf Youtube sind als Schrauberanleitungen halt ungeeignet und dann kommt sowas dabei raus. Hatte letzte Woche jemanden, der annahm das man das Diff auch einfach raushebeln kann und eine Sperre ohne einmessen einbauen kann…
    Wie dem auch sei, ich weiss ja nicht, was du alles erneuert hast: Den Bremsschlauch auf der rechten Seite würde ich in jedem Fall erneuern wenn das nicht schon passiert ist. Wer weiss, wie sehr das führungslose Rad den gedehnt hat. Sowas kann sich sehr viel später rächen, wenn das äussere Gummi noch ganz aber die Innereien oder Verpressungen angeknackst sind.

    Ansonsten weiter viel Spass und pannenfreie Fahrt mit dem Amazombi!

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