Urin, Kot und Katzenstreu – Teil 1
Ich wusste schon, dass der Innenraum meines Passats nicht schön war, als ich ihn noch nicht mal hatte.
Ich sehe sowas ja sportlich. Heute: Der erste Teil, wie ich den Passat von innen wieder schön gemacht habe.
Eins ist mir ganz wichtig.
Die Vorbesitzer vom Passat Pacific waren krank. So krank, dass sie sich nicht mehr so gut um das Auto kümmern konnten, das über 20 Jahre lang immer treu für sie da war. Und das wusste ich auch, als ich ihn übernehmen durfte. Aber das war alles kein Grund für mich, dem Wagen kein neues Zuhause zu schenken. Egal, wie dreckig er sein würde – so dachte ich mir – es wäre immerhin ein Passat Pacific. Wie das erste Auto meiner Eltern, an das ich mich erinnern kann. Tatsächlich war ich dann doch etwas überrascht, als ich das Auto bei der Abholung dann das erste Mal sah. Er war nicht nur ziemlich ziemlich moosig, der Innenraum war tatsächlich… echt dreckig. Vom Pacific-Muster der Sitze konnte man nichts mehr erkennen – und wenn ich meiner Nase und meinen Augen glauben durfte, wuchsen im Fußraum schon eigene Bio-Kulturen. Doch einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul – und einem geschenkten Passat nicht in den Innenraum. Außerdem war ich mir eh sicher: Ein bisschen Wasser, Reiniger und Fleiß – und es würde wieder werden. Schließlich war nirgendwo etwas kaputt.
Wahrscheinlich habt ihr sogar schon wieder vergessen, dass ich seit nun bald einem dreiviertel Jahr Besitzer eines Passat B4 aus dem Jahr 1996 bin. Und verübeln kann ich euch das natürlich auch nicht. Ich habe ihn vorgestellt – und seitdem ist nichts mehr passiert. Andere Baustellen an Hein oder Ove waren einfach wichtiger als der etwas in Mitleidenschaft gezogene Passat, von dem ich einfach nicht zulassen konnte, dass er verschrottet wird. In der letzten Geschichte über ihn habe ich euch auch nach einem Namen gefragt. Bei YouTube wurde mir einige Male „Mooses“ vorgeschlagen – und das fand ich schon ziemlich cool. Aber dann meinte mein Vater: „Ich nenne ihn Arno“ – und damit war der Name plötzlich gesetzt. Schließlich waren es meine Eltern, die ein paar Monate nach meiner Geburt einen neuen Passat Variant als Sondermodell „Pacific“ kauften, auf dessen Rückbank ich die ersten Jahre meines Lebens verbrachte. Okay – ihrer war tornadorot und ein Diesel, aber… eigentlich ist es irgendwie das Auto meiner Eltern. Also heißt er Arno.
Und Arno wollte ich an die Wäsche.
Eigentlich stand Arno auf der Prioritäten-Liste gar nicht so weit oben – und so ein bisschen im Weg herum. Ich hatte ihn zwar so geparkt, dass man hier noch an alle Garagen und so kam, aber irgendwie störte es doch, ein abgemeldetes, nicht straßensicheres Auto herumstehen zu haben. Arno sollte in mein Außenlager, das ich seit bald eineinhalb Jahren miete. Dort – so dachte ich – könne er erst einmal stehen, bis ich mit Hein und Ove und den anderen Projekten soweit bin, um mich ihm zu widmen. Aber zumindest den Innenraum wollte ich schnell einmal durchputzen, damit sich der Schimmel nicht alles unter den Nagel reißen würde und ich mir eine neue Innenausstattung hätte suchen müssen. Doch irgendwie schien ich noch nicht so genau hingeguckt zu haben, wie dreckig er wirklich war. Als ich nach rund vier Wochen zu dem Auto ging, um mal nachzugucken, wie schnell ich ihn wohl saubermachen könnte, war mir recht schnell klar, dass das keine Wochenendarbeit werden sollte. Das… wäre etwas mehr Aufwand. Aber schaut mal selbst:
Der ganze Staub und Dreck im Fußraum war ja die eine Sache – aber die Sitze waren echt fleckig und alles, was man anfassen konnte, klebte irgendwie. Auf dem Teppich im Beifahrerfußraum war ein dunkelbrauner, großer Fleck, der mehr nach Unfall als nach Schokolade aussah, die Türverkleidungen hatte ihre Struktur vor lauter Hautschuppen schon verloren. Der alte Variant hatte schon wirklich lange keinen Staubsauger und wohl noch nie Polsterreiniger gesehen. Und das letzte Mal Staubwischen war auch schon lange her. Doch all die Flecken und der Kompost im Fußraum waren gar nicht so schlimm – der Geruch gehört zu den schlimmsten Sachen, die bisher in meine Nase gedrungen sind. Als ich mit dem Saubermachen anfing, war es August und der Wagen hatte ein paar Wochen in der Sommersonne gestanden – und ich konnte mich einfach nicht überwinden, mich reinzusetzen. Richtig stark säuerlich muffig roch der Wagen. Nicht unbedingt nach Schimmel, sondern eher nach einem stark frequentierten Raststätten-Urinal. Nicht diese Dinger, für die man bezahlen muss. Sondern diese Metallschüsseln, bei denen gefühlt nur jeder achte Besucher die Fähigkeit hat, richtig zu zielen. Wirklich furchtbar. Man konnte den Geruch fast schmecken.
Große Geschütze auffahren
Eigentlich war mir relativ schnell klar, dass ich den kompletten Innenraum zerlegen müsste, um Arno wieder einigermaßen wohnlich zu bekommen. Oder… überhaupt erst einmal nicht mehr gesundheitsgefährdend. Als ich ihn die paar Tage bis zum Abmelden fuhr, merkte ich immer schon nach ein paar Minuten, dass ich ein Kratzen im Hals bekam. Ich schob es erst auf die Erkältung, die mich irgendwie heimgesucht hatte, aber irgendwie war der Trend doch schon deutlich erkennbar: Es musste am Auto liegen. Aber bei dem Staub und den Sporen und Biokulturen, die da durch das Auto flogen, ist es nun im Nachhinein wohl sogar ganz klar, dass das am Innenraum lag. Und so zog ich mir einen Satz Handschuhe an, weil ich auch nichts anfassen wollte, und setzte mir eine Maske auf. Und dann ging’s auch schon los!
Als erstes kümmerte ich mich um all den Müll, der noch im Auto lag. Hier und da lag mal ein Taschentuch oder ein alter Kugelschreiber – und erstaunlich viele Aufkleber von Früchten waren im Auto verteilt. Auch ein alter Kamm wanderte vom Beifahrerfußraum direkt in den Müll. Erst dann machte ich mich daran, den Staubsauger zu aktivieren und den Innenraum von all dem Laub, Staub, Sand und großen Mengen Katzenstreu zu befreien. Tatsächlich war das auch schon irgendwie ganz zufriedenstellend – der Unterschied war richtig schnell zu sehen. Doch leider ging nicht alles weg. Auch der braune Fleck im Beifahrerfußraum blieb natürlich – und auch alle anderen Flecken. Doch trotzdem war es schon ein schöner Anfang. Nur der Geruch – der wollte nicht so wirklich weichen.
Fast wie Lego
„Der geht schon noch weg“, sagte ich zu mir selbst, als ich nach dem Saugen schaute, wie ich die Sitze aus dem Passat gebaut bekäme. Und tatsächlich ging das wirklich einfach – für die Sitzfläche der Rückbank waren es nur je zwei Schrauben – und die vorderen Sitze sind nur durch eine Art Splint gesichert. Ich mag ja tatsächlich gerne an alten VW schrauben. Kaum etwas ist überkonstruiert und komplizierter gemacht, als es ist. Alles geht relativ leicht – zumindest in der Generation des Passat 35i. Beim 3bg und Golf 4 sieht das schon etwas anders aus – aber selbst bei denen geht es noch relativ leicht. Ich glaube, es hat keine zwanzig Minuten gedauert, bis ich alle Sitze draußen hatte – und das lag auch nur daran, dass ich zwischendurch noch Müll entsorgt und ausgesaugt habe.
Den Teppich auszubauen wollte ich mir dann auch nicht mehr verkneifen. Bei all den Flecken – und dem Geruch – wollte ich alles so gründlich wie möglich saubermachen. Und für den Teppich würde das ein Date mit dem Hochdruckreiniger bedeuten. Der Teppich beim Passat B4 ist zweigeteilt – und der hintere Teil vom Teppich liegt dabei über dem vorderen. Um den auszubauen, muss man tatsächlich etwas mehr losschrauben und losklipsen. So unter anderem auch die Einstiegsleisten, die Gurte und auch die komplette Mittelkonsole. Was sich nun aufwändig anhört, sind eigentlich nur gut zugängliche Schrauben und Plastikclipse, die aus welchen Gründen auch immer selbst nach 30 Jahren noch so stabil sind, dass sie mir nicht kaputtgebrochen sind. Wunder gibt es immer wieder!
Mit Hochdruck an die Sache
Wahrscheinlich könnt ihr euch denken, wie das Wasser aussah, als ich mit dem Hochdruckreiniger über den Teppich ging. Kackbraun – schöner kann ich es nicht umschreiben. Aber zumindest war das, was dort braun rausgespült wurde, nicht mehr im Teppich. Trotzdem war es echt ein bisschen eklig, denn sonderlich schön roch auch das Wasser nicht, was aus dem Teppich lief. Sowohl den vorderen Teil des Fahrzeugteppichs – der war natürlich deutlich dreckiger – als auch der hintere Teil und die Fußmatten wurden von mir mit dem Hochdruckreiniger einmal durchgewaschen. Zum Glück waren es im August noch fast 30 Grad, als ich diese Putzaktion durchgezogen habe – da hatten die Sachen wenigstens den Hauch einer Chance, richtig durchzutrocknen.
Doch tatsächlich wollte ich es nicht bei einem Durchgang mit dem Hochdruckreiniger belassen. Mit Polsterreiniger sprühte ich nochmal den kompletten Teppich ein und schrubbte dann ordentlich mit einer Bürste. Und das nicht nur einmal: Vier, teilweise fünf Durchgänge habe ich den Teppichen gegönnt, bis ich zufrieden mit ihnen war. Nach jedem Durchgang mit dem Polsterreiniger habe ich den wässrigen Dreck mit einem Nasssauber abgesaugt – sonst würde man den Dreck ja nur hin- und hermassieren. Aber wisst ihr was? Das könnt ihr auch im ersten Video-Teil über Arnos Rettung sehen, wie ich daran gearbeitet habe:
Wenn ihr das Video geschaut habt, dann wisst ihr, dass Arno noch eine braune Überraschung für mich parat hatte – und damit meine ich nicht den Fleck im Beifahrerfußraum. Unter dem Teppich verbargen sich einige kleine Rostlöcher und alte TÜV-Reparaturen, die auch schon wieder ziemlich gammelig waren.
Zudem stand auch noch braunes Rostwasser (Hoffe ich zumindest) im Fußraum. Irgendwie tat mir das Auto leid. Also – noch mehr als vorher schon. Mein Entschluss war relativ schnell gefasst: Die ganzen alten TÜV-Reparaturen mussten nochmal raus und schier gemacht werden. Und die Rostlöcher mussten ja eh dicht. Und der ganze Flugrost, der sich über die Bodenbleche verteilte, dann auch gleich. Bekloppt? Vielleicht. Aber egal, was ich mit dem Auto mache – ich will ihn nicht bald wieder anfassen müssen. Außerdem wäre es schade, wenn der schön saubere Teppich nichts mehr hätte, worauf er liegen könnte. Also? Im nächsten Teil wird geschweißt.
Ausnahmsweise nicht an Hein.
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