Peng! – Die erste Panne.
„Ein Volvo? Haha! Der geht nicht kaputt. Besonders nicht die Alten. Das sind Panzer!“Von der ersten richtigen Panne meiner alten Schwedin Elsa. Sie hatte gar keine Schuld…
Vorgestellt hatte ich mir die Sonntagstour anders. Ganz anders. Ich träumte von einer schönen Sonntagstour mit Elsa, meiner alten, buckeligen Volvo-Dame. Von einer Sonntagstour durch einen Wald. Mit großen Bäumen, die um uns herum uns rauschend eine gute Fahrt wünschen. Ich träumte von goldfarbenem Laub, das sich auf die Straßen niedergelassen hatte, nur um von Elsa spielend wieder aufgewirbelt zu werden. Ich träumte von einem kleinen Picknick auf der Waldlichtung, während Elsa ruhig der Musik des Herbstes zuhören würde. Ich träumte von Fotos, die Elsa im goldenen Herbstlaub zeigten. Es hätte so schön werden können. Der Picknickkorb lag gepackt im Kofferraum, so auch das Stativ. Elsas Tanknadel zeigte auf „voll“. Ich startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und rollte los.
Und dann kam der Knall. Der Traum zerplatzte. Vorerst.
Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich werde immer relativ unentspannt, wenn mein Auto nicht mehr das tut, was es tun soll. Nur bei Elsa war ich erstaunlicherweise echt ruhig. Ich stieg aus, schob sie zurück in die Garage, während mir noch die Worte „Alte Autos gehen nie kaputt!“ im Ohr klingelten, packte die Sachen in meinen V40 und fuhr mit dem Wagen in den Wald. Elsa durfte sich nach dem knalligen Ende erst einmal ein paar Tage ausruhen….
Cut – drei Tage später.
Harald lief entspannt über die Autobahn. Hamburg hatten wir bereits hinter uns gelassen, nun lag nur noch relativ viele, unaufregende Autobahnkilometer vor uns. Die Strecke fahre ich jeden Tag. Die Musik im Radio ließ wieder sehr zu wünschen übrig, aber trotzdem war ich glücklich. Denn ich hatte alles dabei, um Elsa zu reparieren, wenn ich wieder zu Hause wäre. Für eine Buchse im Wert von sieben Euro bin ich extra einmal nach Hamburg und zurückgefahren. Nagut, um es noch ein wenig wirtschaftlicher zu machen, nahm ich auch gleich einen neuen Ölfilter und eine neue Ventildeckeldichtung mit. Kann man immer gebrauchen.
Die Diagnose war übrigens relativ einfach. Ich versuchte Elsa noch einmal zu starten. Trotz getretener Kupplung (die nicht mehr wirklich Widerstand bot), wollte sie mit eingelegtem Gang nicht wirklich starten und bewegte sich. Der Anlasser drehte den Wagen weiter – also trennte die Kupplung nicht. Genau diese Theorie bestätigte sich dann, als ich den Gang rausnahm und der Motor sofort ansprang. Irgendetwas war mit dem Kupplungsgestänge (Elsa hat weder einen Kupplungszug noch eine hydraulische Kupplung, die Kraft des Tretens wird über verschiedene, extrem robust ausgelegte Hebel umgelenkt) nicht in Ordnung. Da das Fahren nicht wirklich klappte, schob ich Elsa in ihr zukünftiges Zuhause, bockte sie auf ein paar alte Stahlfelgen auf (so eine Hebebühne wäre schon wirklich toll und echter Luxus!) und legte mich drunter.
Der Übeltäter war schnell gefunden. Die „Hauptachse“ das Schaltgestänges – also das Stück „Rundstahl“, an dem die meisten Hebel angeschweißt sind, war aus der Lagerung gesprungen. Ich fingerte in dem Fett der Lagerung herum, um herauszufinden, warum das passiert war. Und meine glitschigen und flutschigen Finger fanden den Fehler recht schnell. Die „Achse“, dessen Ende aussieht wie eine Spielfigur von „Mensch-ärgere-dich-nicht“ sitzt normalerweise in einer Buchse – und diese Buchse in der „Lagerung“, ein Hohlprofil, das praktisch aussieht wie so eine Blechdose. Die ist am Rahmen der Karosserie angeschweißt und mit einem Abschmiernippel versehen, um den Verschleiß gering zu halten. Denn wer gut fettet, der gut fährt. Diese Buchse hatte es also zerlegt. Als es die zerlegt hat, schloss die Kupplung dann sehr schnell die Verbindung vom Getriebe zum Motor und der Motor ging aus. Es hatte also den gleichen Effekt wie das „Kupplung-kommen-lassen“ in der ersten Fahrstunde. Und der Knall? Das war die Buchse.
Nach etwas Recherche konnte ich dann auch herausfinden, warum die Buchse, eine Version aus Hartplastik, so spektakulär aufgegeben hatte. Zuerst sah es so aus, als wäre sie vielleicht nicht richtig eingebaut worden (Das habe ich gemacht….) und sie hätte sich durchgescheuert. An mangelndem Fett konnte es nämlich schon einmal nicht liegen. Aber es lag doch nicht an meiner Schrauberfähigkeit. Ich hatte schlicht und einfach eine falsche Buchse gekauft. Im Ersatzteilkatalogs meines Volvo-Teilehändlers „Wagner & Günther“ aus Hamburg war das Kupplungsgestänge eines B18-Modells (also eines Buckelvolvo mit B18-Motor=1,8 Liter Hubraum) abgebildet. Ohne darauf zu achten, kaufte ich also die Buchse, die in der Explosionszeichnung zu sehen war – obwohl in der Ersatzteilliste für das B16-Modell (also 1,6 Liter Hubraum, so wie Elsa) extra eine andere Buchse ausgezeichnet war – nämlich aus Gummi und nicht aus Hartplastik.
Und genau diese Buchse hatte ich mir nun aus Hamburg besorgt und wollte sie einbauen. Eigentlich nicht besonders schwer, wenn man denn alle Splinte losbekommt. Und genau das bekam ich nicht. Das Kupplungsgestänge hatte ich zusammen mit meinem Vater wieder eingebaut. Ich hielt die ganzen Hebel und Buchsen und Gummidämpfer fest, er fixierte alles sicher mit Splinten, damit nichts auseinanderfallen würde. Und genau diese Splinte wurden nun zu einem Problem. Wenn ein Auto fast komplett zerlegt ist, kommt man überall relativ gut heran. Und genau darauf haben wir beim Setzen der Splinte nicht geachtet. Am liebsten hätte ich mir die Arme gebrochen, nur, um noch ein paar Möglichkeiten mehr zu haben, meine Arme zu verschränken. Das ging natürlich nicht. Fünf Stunden quälte ich mich mit den Splinten herum (und stach mir mit einem Schraubenzieher ins Gesicht), bis ich alle lose hatte und die „Achse“ herausnehmen konnte. Und da sage mal einer, bei alten Autos kommt man überall besser ran. Naja, kommt man ja auch. Hier war menschliches Versagen eher ein Fehler ;-).
Neue Buchse, alte Buchse. Wie man sieht, ist es doch ein ganz schöner Unterschied. Der größte Unterschied ist, wie gesagt, das Material. Während die B18-Buchse aus Hartplastik ist, ist die, die reingehört aus Gummi. So natürlich wesentlich flexibler und lässt sich nicht so leicht durchscheuern. Auch die Metallhülse, in dem das „Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren-Ende“ (auf diese Beschreibung bin ich stolz!) der „Hauptachse“ des Kupplungsgestänges sitzt, passte nun ohne große Spiel in das Gummi. Ich nahm mir sofort die Fettpresse mit und legte mich mit der neuen Buchse bewaffnet wieder unter die alte Schwedin.
Einen Lappen bei Arbeiten mit Fett sollte man immer dabei haben. Das ist richtiger Schmierkram. Also.. äh… wortwörtlich. Ich bekam so viel Fett an die Finger, dass die Haut an ihnen wohl nie wieder trocknen oder abnutzen wird. Diese Buchse passte wie angegossen (wäre ja auch komisch, wenn nicht) und ich konnte wieder alles zusammenbauen. Die Hauptachse des Kupplungsgestänges baute ich auch relativ schnell wieder ein.. und nochmal wieder aus. Denn Festhalten und Sichern… das geht nur mit Hilfe. Mit Hilfe saß sie schnell wieder an ihrem Platz. Dann bekam das Gestänge noch vor dem ersten Testtritt eine ordentliche Ladung Fett weg (total doof, wäre was schief gegangen, hätte ich den ganzen schmierigen Mist wieder ausbauen müssen) und ich konnte wieder unter dem alten Volvo hervorkrabbeln. Mit lauter schwarzen Punkten im Gesicht. Anscheinend saß der Schlauch nicht richtig auf dem Abschmiernippel…
Der „Testtritt“ verlief positiv. Ich hatte wieder einen Widerstand im Kupplungspedal und die „Hauptachse“ hatte nicht so viel Spiel wie damals, als wir die B18-Buchse einbauten. Damals vermuteten wir einfach Verschleiß, aber dem war gar nicht so. Nachher ist man immer schlauer. Da Elsa eh noch aufgebockt war, nutzte ich das gleich für einen kleinen Abschmierservice und ging alle Abschmiernippel (und das sind viele!) einmal durch und verpasste allen eine kleine Ladung. Auch der Unterboden bekam auch noch sein Fett weg. Eine ordentliche Portion Seilfett sprühte ich mithilfe einer Sonde und des Kompressors an den Unterboden – und in jeden Hohlraum. Auch das werde ich versuchen jedes Mal zu machen, damit die braune Pest auch wirklich keine Chance mehr hat, noch einmal zuzugreifen. Dabei fiel mir noch auf, dass Elsa zwei Auspuffgummis verloren hat und der Kurbelwellensimmering zwischen Motor und Getriebe anscheinend Öl durchlässt (Wie ich inzwischen weiß, war das anscheinend bei ganz, ganz vielen Filzsimmerringen, wie Elsa sie hat, wohl schon ab Werk so). Beides schrieb ich mir auf die Liste für den Winter und freute mich nun auf die Probefahrt.
Es ist immer wieder ein schönes Gefühl, nach einer erfolgreichen Reparatur durch die Gegend zu fahren und das Auto wieder so richtig zu genießen, oder? Die Kupplung funktionierte wieder einwandfrei und ich hatte das Gefühl, dass Elsa gleich noch viel flotter fuhr als vorher schon. Irgendwie klang sie auch fröhlich, genauso wie ich, der zwar ein wenig dreckig und verwundet war, aber trotzdem fröhlich pfeifend am Steuer der alten Dame die Landschaft genoss.
Was ich aus Elsas erster Panne für ein Fazit ziehe? Beim Zusammenbau (mit Splinten) immer darauf achten, wie sie sitzen. Und beim Bestellen von Ersatzteilen immer schauen, dass es auch die richtigen sind. Immer eine Schutzbrille tragen, wenn man unter dem Auto arbeitet.
Und? Äh… achja. Irgendwie bringen Pannen Spaß. Zumindest dann, wenn man es wieder so leicht reparieren kann, wie ich es mit der alten Dame geschafft habe.
Panne… Da hatte ich schon Angst, der arme Lars sei irgendwo im deutschen Sibirien an der Eismeerküste stehen geblieben, ohne eine Menschenseele weit und breit. Dabei hat er daheim das eigene Grundstück noch nicht verlassen und die Kaffeemaschine (sorry bei Dir natürlich der Teekocher) war in Reichweite 🙂
Trotzdem danke für den Beitrag, spannend man lernt immer dazu!
Grüsse from the deep south (wo ist hier die Südstaatenflagge?) 😀
Marc
Hey Marc,
neeee – in Einsamkeit lässt Elsa mich nicht im Stich! Bei Pannen hatte ich bisher (nur einmal nicht…) immer relativ viel Glück. Gerade mit platten Reifen. Die waren immer vor der Garage platt.
Freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefallen hat! Es kommen noch einige dazu 🙂
Schöne Grüße
Lars
Pannen machen aber nur dann Spaß, wenn man nicht gerade dringend irgendwo hinwollte, und noch ein paar Autos in Petto hat. Erinnert mich an letztes Jahr, als ich noch den Passat TDI hatte, und morgens beim starten der Rippenriemen runterflog.
Zum Glück hatte meine Verwandschaft in Gehnähe noch ein Auto übrig, so dass ich noch halbwegs zeitig zur Arbeit kam.
Spaß ging definitiv anders.
Hey Maik,
es ist wirklich blöd, wenn man ein Auto braucht und es dann aufgibt. Ich hatte bisher immer Glück. Entweder ich hatte schnell ein Backup-Auto zur Hand (also meistens eines ausgeliehen) oder die Pannen passierten auf dem Heimweg oder gleich zu Hause.
Spaß sind Pannen ja meistens nicht. Meist auch noch teuer. Da war Elsas kleiner Ausfall schon fast entspannend.
Schöne Grüße
Lars