Komm, Wir Segeln Nach Amsterdam.

Der zweite Tag unseres Roadtrips „Immer dem Schnurrbart nach!“ Endlich passiert was.

SAMSUNG CAMERA PICTURESVom Land kreuzen wir durch den Sturm in das Nachtleben Amsterdams. Abenteuer pur!

„Und warum tragen die jetzt das Schild um den Bauch herum?“, lacht Frau Langstrumpf und zeigt nach draußen. Draußen ist Schietwetter, man kann es nicht anders, vor allem nicht netter beschreiben. Der Sturm rüttelt am Wagen. Es könnten schon fast Orkanböen SAMSUNG CAMERA PICTURESsein, doch leider verstehen wir den Wetterbericht im Radio nicht. Meine Laune war bis eben noch auf einem Tiefpunkt, doch Frau Langstrumpf schafft es, mich aufzumuntern. Wir sind in Enkhuizen, einer Stadt am Ijsselmeer – und eigentlich wollten wir nach Lelystad, an dem anderen Ufer des Ijsselmeers. Zwischen den Städten gibt es einen großen Damm mit einer großen Straße. Und genau die ist nun gesperrt. Zehn Menschen rennen vor der Auffahrt zum Damm herum. Alle in Knallgelb angezogen, mit einem roten Schild um den Bauch gebunden. Sie sehen ein wenig albern aus. Ich muss trotzallem lachen. Frau Langstrumpf schießt ein Beweisbild.

Eigentlich fing der Morgen schön an. Vom Wiehern eines Ponys, das an unserem Fenster vorbeilief und vom Schnattern zweier Laufenten wurden wir geweckt. Der Morgen ist neben der Nacht, in der ich meistens schlafe, so ziemlich der einzige Zeitpunkt, in demSAMSUNG CAMERA PICTURES ich keinen wirklichen Satz zusammenbringe, Frau Langstrumpf konnte sich also auch noch über das Rauschen des Sturmes, der pfeifend um den Heuschober zog, freuen ohne sich von mir irgendwelche blöden Witze oder dusselige Anmerkungen anzuhören. Ich war bis zum Duschen noch gar nicht ganz da, anscheinend steckte mir der Aufbruch ins Abenteuer doch noch ein wenig mehr in den Knochen als ich eigentlich vermutet hatte. So ganz konnte ich auch beim Autobeladen, beim Aufbruch und beim Verabschieden von Hendrik noch nicht ganz kapieren, dass ich in den Niederlanden war – und wirklich Urlaub machte. Dementsprechend fiel auch mein Englisch aus. So eingerostet und mit so vielen Zündaussetzern hatte ich es gar nicht in Erinnerung…

Frau Langstrumpf und mich verbindet so einiges, eines davon aber ist: Wir sind beide wissbegierig. Neugierig ist hier eindeutig zu negativ behaftet, ‚wissbegierig‘ ist schon das richtige Wort. Dementsprechend war ich auch Feuer und Flamme, als sie fragte, ob wir nicht einmal „Geocaching“ ausprobieren wollten. Ich hatte es noch nie gemacht, außerdem hatten wir noch einige Stunden Zeit bis wir in Amsterdam, unserem nächsten SAMSUNG CAMERA PICTURESZiel, sein sollten, also – warum nicht? Und so standen wir dann, am Deich irgendeines Kanals mitten in Nordholland. Der Sturm hatte noch mehr zugelegt, mein alter Kombi „Harald“ wackelte (wohl vor Angst) hin und her und sogar der kleine Glücksbringer-Stoffigel schaute vorsichtig aus der Mittelkonsole hervor. Wir waren so dicht an den Koordinaten, wie wir mit dem Auto fahren konnten. Nun müssten wir suchen. Aber der Regen flog wieder horizontal durch die Gegend. Und der Sturm? Der sorgte nicht nur bei mir für eine zersauste Frisur. Wir entschieden uns für die Weiterfahrt. Ohne Navi. „Bram“, unser niederländisch sprechendes TomTom, hatten wir nach einer kleinen Tour durch Heerhugowaard (Der Ort sieht übrigens als Satellitenbild bei GoogleEarth wesentlich hübscher aus als in echt, da ist wirklich gar nichts… außer ein gemütlicher Heuschober) übrigens abgeschaltet. Schließlich war ich mir sicher, dass ich den Weg wüsste.

„Wie heißt der Ort hier nochmal?“ – „Ich habe keine Ahnung…“ Warum können Kartenhersteller Landkarten eigentlich nicht so falten, dass man sie auch wieder zusammenbekommt? Oder, dass man sie zumindest im Auto irgendwie kompakt falten kann? Frau Langstrumpf und ich hatten uns in der Landkarte eingewickelt. Das comp_comp_Tag 21Ijsselmeer lag auf der Karte direkt vor meiner Nase, doch ich hatte keine Ahnung, wo wir nun genau waren. „War das nicht irgendetwas mit ‚West…‘ oder so?“ Durch meinen ach so tollen Orientierungssinn waren wir vorhin schon fast in Amsterdam – und da wollten wir gar nicht hin. Wir wollten nach Lelystad, einmal über den großen Damm – also fuhren wir wieder hoch in Richtung Hoorn und dann in Richtung Enkhuizen. Aber da ich mich selbst dabei verfransen konnte (eigentlich ist das nur Autobahn…), landeten wir in einem hübschen, kleinen Ort. Der war so, wie wir uns Holland vorstellten: Tolle Häuser, enge Straßen, eine hübsche Kirche – und vor jedem Haus mehrere, komisch zusammengeflochtene Bäume. (Was das für einen Sinn hatte, erschloss sich uns nicht – wisst ihr das?) Nur einen Fehler hatte der Ort: Er war nicht auf unserer Karte. „Fragen wir Bram?“, meinte Frau Langstrumpf und holte das Navi wieder aus dem Handschuhfach. „Er wird den Weg nach Lelystad schon kennen!“

„Atmen, Lars. Aaaatmen!“, beruhigt meine sympathische Beifahrerin mich, während ich den Rückwärtsgang in Haralds Getriebe suche. Erst war der Damm gesperrt, nun auch noch die Straße, die uns Bram entlang schicken wollte. Das ist die dritte gesperrte Straße innerhalb einer halben Stunde. So langsam werde ich nervös und mag auch Enkhuizen nicht mehr, wobei ich nur das Industriegebiet und tieffliegende Rollerfahrer gesehen comp_comp_Tag 2habe. Nach dem Umdrehen berechnet Bram eine neue Route nach Amsterdam. Er wollte uns auch über Amsterdam nach Lelystad schicken. Wahrscheinlich wusste er, dass der Damm gesperrt ist. Vielleicht war deshalb auch die ganze Zeit ein Ausrufezeichen auf dem Display? Wer weiß. Kurz hinter Enkhuizen zeigt er wieder, dass wir über einen Acker fahren – und so ganz unrecht hat er nicht mal. Die Autobahn führt mitten über einen Acker. Ohne Leitplanken, ohne Graben: Links und rechts von der Straße ist einfach nur Matsch. Wir müssen laut darüber lachen – wie auch über unseren Umweg von einhundertundvierzig Kilometern. Frau Langstrumpf dreht das Radio lauter. Kurz spielt Andrea Berg. Sie schaltet schnell weiter. Zum Glück. Wer hätte gedacht, dass es „Frankfurt Oder“ von Bosse auch in einer niederländischen Version gibt? Ich beiße schnell vom Würstchen ab, das mir gereicht wurde, lehne mich zurück in den quietschenden Fahrersitz meines Golfs und schaue rüber zu Frau Langstrumpf. Auf Kommando fangen wir an, laut die deutsche Version des Liedes über die Niederländischen zu singen. Gar nicht so leicht!

Es ist auch gar nicht so leicht unsere Körper von dem wunderschönen Ausblick, den das Hausboot bietet, loszureißen. Zudem haben wir gerade lecker gegessen – natürlich selbstgekocht. Aber wir wollen noch ein wenig erleben und das Hausboot soll dieSAMSUNG CAMERA PICTURES nächsten zwei Nächte noch unser Zuhause bleiben. Den Ausblick können wir also später noch genießen. Dieses Mal mache ich den ersten Schritt und falle fast die Wendeltreppe herunter, die den Wohn- und Kochbereich auf Wasserhöhe mit dem Schlafzimmer (praktisch unter Wasser) verbindet. Frau Langstrumpf lacht laut, während mein Puls langsam absackt und ich anfange mitzulachen. Hier muss ich das nächste Mal besser aufpassen. Wir ziehen unsere Schuhe und Jacken an, wackeln einmal über den schaukeligen Steg und gehen wieder zu unserem automobilen Kameraden, der zwischen Dacia Duster und Dixie-Klo auf uns wartend sich schon auf das Verkehrschaos in Amsterdam freut.

Wir wollen uns nach dem Schock vom Sexmuseum ein wenig die Beine vertreten. Der günstige Eintrittspreis lockte so arme Studenten wie uns an – und ich persönlich konnte mir nicht wirklich überhaupt vorstellen, was dort ausgestellt werden könnte. Ich hätte es SAMSUNG CAMERA PICTURESmir denken können – nein, sogar müssen. Es gibt nichts, was es nicht gibt – und anscheinend auch nichts, was Menschen nicht mit sich selbst oder mit anderen machen. Dabei war es eigentlich wirklich gut gemacht – und es liefen keine Perversen herum. Der Verkehr auf den Straßen (Was habt ihr denn jetzt gedacht?!) ist hektisch. Überall fahren Fahrradfahrer, Straßenbahnen und Autos. Zebrastreifen werden nur benutzt, wenn die Autos, die auf ihn zu fahren, nicht anhalten. Wenn sie anhalten, sind alle Fußgänger so verwirrt, dass sie auch lieber stehen bleiben. Und mitten drin – aus allen Richtungen – jagen Motorrollerfahrer, die ohne Helm auf ihren Zwiebackfräsen zwischen Radfahrern, Fußgängern, Autos und Straßenbahnen versuchen einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Kein Wunder, dass so viele Fahrräder auf den Radwegen oder breit gefahren auf den Straßen liegen. Nur wegen der Rollerfahrer würde mein Fahrrad das auch tun. Wir wollen uns das Lichterfest ansehen. Irgendwo, wo es ruhiger ist. Wir befreien Harald aus der Parkgarage und kämpfen uns durch den Verkehr.

Das Chaos der Stadt ist weit weg. Die meiste Menschen werden zu dieser Uhrzeit auch schon schlafen. Harald steht irgendwo in einer Seitenstraße – und wir auf einer Brücke über einer Gracht. Bunt lächelt die Stadt zurück, es ist Lichterfest in Amsterdam. Nein, SAMSUNG CAMERA PICTURESEntschuldigung. Es heißt „Amsterdam Light Festival“ und ist der eigentlich Grund für unsere Reise. Jedes Jahr zwischen Dezember und Januar leuchten die Grachten und Brücken, wenn die Stadt zur Ruhe kommt und langsam einschläft, in den hellsten Farben und Motiven. Wir können uns gar nicht satt sehen und laufen seelenruhig durch die (fast) leeren Gassen. Ab und zu überlegen wir den Stecker eines der vielen Elektroautos, die an den Grachten stehen und geladen werden, herauszuziehen, lassen es aber natürlich bei den Spinnereien und konzentrieren uns lieber auf die Schönheit dieser Stadt bei Nacht. Man hört keinen Städtelärm, so wie in anderen Metropolen. Irgendwo in einer Gracht tuckert ein Schiff. Es ist wohl eine Mitternachtstour. Ab und zu versuchen wir ein Foto zu machen, doch das bringt nichts. Die Schönheit lässt sich mit keiner Kamera einfangen. Man muss es selbst erleben. Und es sich merken. Für immer.

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Es ist schon weit nach Mitternacht, als wir die Tür des Hausbootes aufschließen und vom wackelnden Steg aus den Flur betreten. In diesem kleinen Hafen ist inzwischen alles ruhig. Es läuft kein Mensch mehr mit seiner Katze unter dem Arm und dem Hund in Sichtweite durch die Gassen, wie es bei unserer Ankunft passiert ist. Auch die Enten, die uns heute Nachmittag noch fröhlich schnatternd begrüßten, scheinen schon zu schlafen. Wir sind noch nicht müde. Der Sturm ist schon lange vorbei, das Wasser steht fast still. Das Licht der Straßenlaternen, der dümpelnden Boote ringsherum und der Fassaden der Häuser an der anderen Seite des Hafens spiegeln sich dadrin. Wir setzen uns vor die große Terassentür und machen sie leicht auf. Leise plätschert das Wasser gegen das Hausboot und begleitet somit die Musik, die leise aus dem Laptop quasselt – passend zur Szenerie, die uns geboten wird.

Wir sitzen da und schauen. Ohne viel zu sagen. Eins wird mir dabei klar:

Nur immer das Gleiche tun und sehen… das ist echt doof!

Und:

Man kann direkt zum Ziel gelangen. Aber Umwege sind viel schöner.

 


Teil 1 der Reise: Tschüss Alltag, Hallo Abenteuer.

Teil 3 der Reise: Amsterdam, eisgekühlt.

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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5 Responses

  1. Moin aus dem zur Zeit ungemütlichen Niedersachsen,

    … alles gut und schön… aber, das wollte ich gestern schon fragen… warum kann man die Fotos Deiner Beiträge nicht vergrößern? So sind sie lediglich bunte Flecken zwischen Text – ohne wirklichen und erkennbaren Bezug zur Geschichte.

    Gruß
    Andreas

  1. 10. Januar 2018

    […] Teil 2 der Reise: Komm, Wir Segeln Nach Amsterdam […]

  2. 21. Januar 2018

    […] ← Komm, Wir Segeln Nach Amsterdam. […]

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