Amsterdam, eisgekühlt.
Amsterdam wollen wir noch genauer kennenlernen. Der Roadtrip stockt für einen Tag.Man kann ja auch in der Stadt Cooles entdecken. Einfach immer dem Schnurrbart nach.
Leise schwappend dümpeln die Boote im stillen Wasser der Grachten Amsterdams. Es ist Nacht geworden und ein Großteil von Amsterdam schläft. Eigentlich sagt man ja, Städte könnten nie schlafen, aber Amsterdam beweist uns gerade das Gegenteil. Es sind kaum mehr Menschen unterwegs, ab und zu hört man in weiter Ferne mal ein Auto über eine Pflasterstraße rummeln oder das Tuckern des Dieselmotors eines Grachtenschiffes. Ansonsten ist es erstaunlich still. Tagsüber ist hier ein großes Chaos mit Motorrollerfahrern, Radfahrern und Fußgängern. Und nun? Nun haben wir die Stadt fast für uns alleine. Die bunten Lichter einiger Light-Festival-Installationen spiegeln sich in den Grachten und verschwimmen dabei zu einem großen Farbspektakel, während sich direkt dahinter die großen, alten Gebäude in den Himmel recken. Einige sind beleuchtet, andere ganz dunkel. Aus einigen Fenster scheinen rote Lichter, andere schauen noch fern. McDonalds hat noch offen, einige Leute schieben sich im LED-Licht noch einen Burger in den Mund. Ab und zu huscht mal ein Radfahrer fast lautlos an uns vorbei. Ich schaue einem hinterher, bis er im Lichtermeer der Straße verschwindet. Man kann es nicht beschreiben. Ich schaue rüber zu Frau Langstrumpf, die genauso still wie ich die Schönheit dieser Stadt genießt. Ich bin ihr wirklich dankbar, dass sie mich überzeugt hat, das Auto nicht umzuparken und wir nun ein paar Kilometer durch die Stadt laufen. Eigentlich wollte ich ja nicht mehr laufen (ich hatte es mir heute Morgen noch fest vorgenommen!), aber dann hätte ich das alles, nein… sogar einen wunderschönen Tag verpasst.
Ich war mir nämlich wirklich sicher, als ich heute Morgen – der Morgen des dritten Reisetages unseres Roadtrips „Immer dem Schnurrbart nach“ – über den wackeligen Steg zum Hausboot lief, dass ich einfach nicht zum Laufen geboren wurde. Meine eigentlich schwarzen Schuhe hatten Plateausohlen und waren auch irgendwie matschbraun eingefärbt. Auch meine Jogginghose hatte auf der unteren Hälfte diese Farbe angenommen und klebte irgendwie ganz unangenehm kalt und nass an meinen Beinen. Laufen war halt einfach nichts für mich. Hätte ich besser hingeschaut, hätte ich gesehen, dass der Fußweg in einem Matschloch endet. Mehr Sport. Doofe Vorsätze für das neue Jahr. Noch leicht grummelnd, aber ohne Schuhe (die blieben auf dem Steg) betrat ich das Hausboot und wurde gleich lachend von Frau Langstrumpf begrüßt. Anscheinend fand sie auch, dass mir die neue Naturmode nicht so wirklich stand. „Vielleicht kannst du ja zumindest unseren Haustieren ein wenig zum Frühstück geben?“, fragte Frau Langstrumpf, immer noch über meine Ungeschickheit grinsend und reichte mir einen Beutel mit Entenfutter entgegen, das ich auch sofort an die gierigen Schnäbel verteilte. Einige fraßen mir direkt aus der Hand. Zumindest das konnte ich – kein Wunder. Das ging auch im Sitzen.
Ich wurde meist ein bisschen neidisch, wie flink und organisiert die kleinen Ameisen durch die Gänge ihres Baus huschten, der im Zoo ‚Micropia‘ steht. Hunderte kleiner Krabbler wuselten aufgeregt und hochmotiviert durch die Gegend, was ich auch tun würde, wenn ich so gut leben könnte wie die kleinen, arbeitseifrigen Insekten. Die Mitarbeiter von ‚Micropia‘ kümmern sich gut um den kleinen Ameisenstaat – ein frischer Teller mit alten Obst stand bereit. Die Ameisen sind übrigens so ziemlich die einzigen Lebewesen in dem Zoo, die man ohne Mikroskop erkennen kann. Die restlichen Bewohner sind eher mickrig. Es sind nämlich – wie der Name des Zoos (der irgendwie auch ein Museum ist) „Micropia“ verrät – Mikroben.
Falls ihr nun nicht wisst, was Mikroben sind, dann schämt euch. Wirklich. Ihr habt nämlich gerade welche bei euch. Ihr glaubt mir nicht? Ist aber so. Mikroben sind kleinste Lebewesen, also zum Beispiel Bakterien, Viren, Algen oder Pilze, und wir haben immer mit ihnen zu tun. Die meisten Leute ekeln sich vor der Welt der Mikroben eher – komplett zu unrecht. Und genau das möchte Mikropia seinen Besuchern zeigen. Mikroben sind selbst für tollpatschige Hobbyautoschrauber wie mich total interessant! Am meisten fasziniert hat mich dabei das Bärtierchen. So ein Tierchen sieht recht knuffig aus, ist aber meist unter einem Millimeter groß und es kann überall leben. „Cosmopolit“ nennt man sowas, erklärte mir Frau Langstrumpf, eine angehende Biologin. Die Tierchen können nicht nur im (Süß- oder Salz-) Wasser leben, sondern auch das Landleben stellt keine Probleme dar. Selbst im Weltraum können die kleinen Achtbeiner für einige Zeit überleben. Und da soll noch einmal jemand sagen, da draußen soll es kein weiteres Leben geben…
Micropia fesselte uns. Wirklich. Nachdem wir einige Stunden von Mikroskop zu Mikroskop liefen, unsere Besucherkarte an jeder Station abstempelten und nachgeschaut hatten, ob nun auf einem Handy oder der Klobrille einer öffentlichen Toilette mehr Bakterien waren, wollten wir wieder vom Parkplatz fahren. Leider konnte man dort nur mit einer Karte zahlen – und wir hatten unsere Karten nicht dabei. Ein Glück war der Parkplatz nur gut 200 Meter von Micropia entfernt, also war es für mich eine gute Übung noch einmal zur Kasse zu laufen ohne auf ein Matschloch zu treffen und meinen alten Dieselkombi ‚Harald‘ freizukaufen. Ein drittes Mal blieb mir der Weg aber erspart, denn der nette Herr, der hinter dem ‚Hilfeknopf‘ an der Schranke wohnte, machte die Absperrung auch so hoch, als unsere Karte trotz Bezahlens nicht funktionierte. Ich war ihm dankbar! Vielleicht war ich aber auch einfach zu doof die Karte zu bedienen.
„Frikandel haben wir leider nicht mehr“, lächtelte uns die Verkäuferin in der Schlachterei an. Verduzt schaute ich zu Frau Langstrumpf, die mich ebenfalls ungläubig anschaute. Anscheinend hatten wir doch einen deutschen Akzent in unserem Englisch. Harald parkte einige hundert Meter weit weg, am Kennzeichen konnte sie unsere Herkunft also nicht erkennen. Und Deutsch hatten wir gar nicht miteinander geredet. Allgemein ist es erstaunlich, wie gut die Leute in den Niederlanden Englisch reden, es werden sogar englische Fernsehsendungen ohne Untertitel ausgestrahlt. Das machte die Kommunikation für uns natürlich ein wenig einfacher, inzwischen war ich auch nicht mehr ganz so eingerostet wie am ersten Tag unserer Reise. Statt Frikandel wählten wir einfach zwei verschiedene Burgerfleischsorten, die später in der Pfanne sogar noch den Rauchmelder auf dem Hausboot aufschreien ließen…
Die Burger waren schon längst verdaut, als wir bei der Icebar ankamen. Wir wollten vorher noch ein wenig die Stadt erkunden und hatten Harald in ein Parkhaus in der Nähe des Hauptbahnhofes gestellt. Das war einige Kilometer von der Icebar weg, aber laufen üben wollte ich ja eh. Auf dem Weg zur Icebar starteten wir auch den zweiten Versuch des Geocachings, der aber leider auch scheiterte. Es waren einfach zu viele Menschen dort, um in Ruhe suchen zu können. In Ruhe gesucht haben wir auch den Königspalast und merkten erst, als wir schon fünf Mal daran vorbei gelaufen waren, dass es das Gebäude vor uns war. Wir hatten uns einen Palast irgendwie hübscher und aufregender vorgestellt. So aufregend, wie die Icebar zum Beispiel. Die ist nämlich wirklich einen Besuch wert!
Bei Minus 10 Grad ein paar Getränke in einer Bar, komplett aus Eis geschnitzt, zu trinken fanden nicht nur wir eine gute Idee. Die Eintrittskarten, die mit 19 Euro pro Person vielleicht nicht gerade ein Angebot waren, mussten wir schon einen Tag vorher kaufen, denn die Bar ist anscheinend immer ziemlich ausgebucht. Aber das ist ja auch klar, es ist halt nichts Gewöhnliches. Nach einem kleinen Spektakel, ein paar warmen Handschuhen, einer warmen Jacke und einer kleinen Einweisung, wie wir uns zu verhalten haben, durften wir die Eisbar betreten und unsere beiden Freigetränke genießen. Wir hatten einen guten Platz auf einem warmen Fell und konnten gut Leute beobachten. Wie man auf die Idee kommt, in einem kurzen Rock oder in Sandalen (Ich wusste gar nicht, dass die noch modern sind…) in eine Bar zu gehen, die eine Raumtemperatur von -10 Grad Celsius hat, konnten wir beide nicht verstehen. Aber so war es kein Wunder, dass einige Leute nach dem Genuss ihrer Getränke wieder in die Wärme stürzten. Auch wir mussten uns beeilen, aber eher mit dem Trinken, denn auch die Gläser waren aus Eis. Wirklich nicht alltäglich, aber genau das genossen wir. Die Bar passte wunderbar in unseren Urlaub – und ist wirklich einen Besuch wert.
And I will still be here, stargazing
I’ll still look up, look up
Look up for love
Harald rollt erstaunlich leise nagelnd durch die leeren Gassen Amsterdams. Die Lichter spiegeln sich nun nicht nur mehr in den Grachten, sondern auch noch im roten Lack meines alten Kombis. Frau Langstrumpf und ich begleiten ‚Kygo‘ singend bei seinem Lied ‚Stargazing‘. Zu Deutsch: Sternegucken. Wir gucken keine Sterne, sondern auf ebendiese Lichter dieser wunderschönen Stadt. Wir haben nur einen Bruchteil von Amsterdam bisher gesehen – und doch einen guten Eindruck bekommen. Morgen ist unsere Zeit hier wieder um, Den Haag ruft. Ich bin ein wenig traurig, ich würde gerne noch mehr von der Stadt sehen. Aber DenHaag wird klasse, ich bin mir sicher. Ich schaue rüber zu Frau Langstrumpf, die singend aus der Scheibe der Beifahrertür auf die glitzernden Grachten schaut, an denen wir eben noch vorbeiliefen. Ich setze den Blinker und biege ab. Ich versuche einen kleinen Umweg in Richtung Hausboot zu fahren. Den anderen Weg kennen wir ja nun schon.
Denn Abenteuer passieren nur, wenn man auch mal etwas Neues wagt.
Teil 2 der Reise: Komm, Wir Segeln Nach Amsterdam.
Teil 4 der Reise: [folgt]
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