„Wenn Sie nicht sofort wegfahren…“
Ich dachte immer, die Verkehrszeichen in Deutschland wären recht einfach zu verstehen. Eine Frau aus Bremen bewies mir das Gegenteil. Wo wären wir ohne Recht und Ordnung?
Freie Hansestadt Bremen.
Wahrscheinlich verbringe ich inzwischen mehr Zeit hinter dem Lenkrad als in meiner Wohnung. Aber das habe ich mir ja selbst zuzuschreiben. Schließlich war ich es, der vor fast drei Jahren seine Wohnung in Hamburg an den Nagel hängte und wieder an die Nordsee zog. In den letzten Jahren trieb ich auch fast ausschließlich auf dieser Strecke den Kilometerstand meines Autos nach oben. Fünfzigtausend Kilometer im Jahr. Und das ganz ohne Hornhaut an den Händen oder am Gesäß. Letzteres ist übrigens auch noch knackig rund – und nicht plattgesessen. Wurde mir zumindest gesagt.
Doch in letzter Zeit wurden die Strecken sogar noch länger. Hannover stand auf der Liste mit den Fahrzielen. Oder Braunschweig. Auch Kolding war schon dabei. Und nun zum ersten Mal Bremen. Noch nie war ich in der Hansestadt an der Weser und als ich an diesem Morgen durch die Stadt fuhr, wünschte ich mir, dass das auch so geblieben wäre. Menschen sind ja schon blöd. Wenn sie im Stau stehen, wollen sie fahren. Wenn sie aber fahren müssen, weil sie keinen Parkplatz finden, wollen sie stehen. Man kann es ihnen nie recht machen. Und auch mir an diesem Morgen nicht. Vor gut eineinhalb Kilometern Entfernung plärrte das Navi etwas von „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“, doch einen Parkplatz in der Nähe hatte die hochmoderne Landkarte nicht für mich reserviert. Da sehe ich noch starken Nachholbedarf, liebe TomTom-Entwickler.
„Hey! Sie! Sie dürfen hier nicht parken!“
Um ehrlich zu sein – zuerst fühlte ich mich gar nicht angesprochen, als ich meine sieben Sachen aus dem Kofferraum genommen und die Heckklappe zugeschlagen hatte. Vor einem wohl ehemals silbernen Polo hatte ich eine gerade genügend große Lücke erwischt und meinen alten Kombi in einem Schwung rückwärts in die Lücke gesetzt. Kurz hoffte ich beim Aussteigen auf einen kleinen Applaus von den Menschen in der Umgebung, schließlich klappte das Parkmanöver ganz ohne elektrische Helferlein – aber in Bremen muss man wohl mehr tun, als einen roten Kombi mit Schnurrbart auf der Frontstoßstange einzuparken. Das einzige, was ich ernten konnte, war der böse Blick einer Frau im gesetzteren Alter, die ein paar Meter weiter ihr Fahrrad abschloss. Und als ich nach dem Abschließen meines Autos nun wieder hochschaute, sah ich, dass diese Frau nun in meine Richtung gestampft kam. Mit hochrotem Kopf unter ihrem quietschgrünen Fahrradhelm.
„Hey, Sie! Können Sie nicht lesen?!“
Mit schäumenden Mundwinkeln und einem fast mörderischen Blick, der mich an einen wilden Stier in einer Stierkampfarena erinnerte, kam sie auf mich zu. Kurz überlegte ich, ob ich den roten Lack meines Auto nicht irgendwie schnell umfärben könnte, um die Dame etwas zu beruhigen, doch ohne Matschregen oder tausende Tauben mit Durchfall fiel mir keine Möglichkeit ein, das umzusetzen. „Sind Sie auch noch taub, oder was?!“ Inzwischen wurde ihre Aussprache deutlich lauter, aber nicht verständlicher. Während ich noch überlegte, ob die Zunahme der Lautstärke nun an ihrer gestiegenen Wut lag oder einfach daran, dass sie nun keine fünfzig Zentimeter von mir entfernt stand, kam schon das nächste, laut keuchende „Was ist denn jetzt?!“ über ihre Lippen. Ich verkniff es mir, ihrem Speichel beim Versickern in den Stoff meiner Jacke zuzusehen und schaute ihr direkt in die blutrot unterlaufenen Augen.
„Ähm, Sie müssen sich irren…“, sagte ich in dem freundlichsten Ton, der aus meiner Stimme und meinem norddeutschen Dialekt herauszuholen ist. Insgeheim mit der Hoffnung, die Dame so vor dem Platzen ihres Kopfes zu bewahren. „Ich darf hier parken.“ Doch es funktionierte nicht wirklich. Der Rotton ihres Kopfes wurde noch dunkler als vorher, als sie ihn mir energisch entgegen streckte. Erst jetzt erblickte ich die beiden, großen, freundlichen Augen auf ihrem Helm. Und das lächelnde Gesicht mit der langen Zunge. Ein hockender Laubfrosch war auf den Fahrradhelm aufgedruckt. Das Grinsen verkniff ich mir aber lieber. „ACHJA?! Und was ist das da?!“, schrie sie mir mit immer noch feuchter Aussprache ins Gesicht. Trotz einigen Speicheltropfen auf meiner Brille konnte ich das Verkehrsschild erkennen, auf das sie zeigte.
„Das heißt ABSOLUTES Halteverbot! Merken Sie sich das!“
Natürlich wusste ich, warum sie mich anbellte wie ein Hund an der Kette. Schon vor meinem applauslosen Einparkmanöver hatte ich das Schild entdeckt. Groß und rund stand es neben dem silbernen Kleinwagen, der langsam von der Natur zurückerobert wurde. Es war blau, mit einem roten Kreuz in der Mitte und einem roten Kreis drumherum. Absolutes Halteverbot. Jeder kennt es. Doch dieses Schild war noch gar nicht gültig. Erst in zwei Tagen sollte das absolute Halteverbot hier gelten – was die Dame wohl übersehen hatte, ich ihr aber auch freundlich erklärte. „Blödsinn!“, blaffte sie mich daraufhin an. „So etwas gibt es gar nicht!“ Wirklich Lust auf Diskussionen hatte ich nicht, also hängte ich mir meine Tasche über die Schulter und wollte losgehen.
„Wenn Sie nicht sofort wegfahren, rufe ich die Polizei!“
Mit mahnend ausgestrecktem Zeigefinger stellte sie sich mir in den Weg. „Hier dürfen keine Autos parken!“ So langsam wurde mir die Situation wirklich unangenehm, außerdem musste ich ja noch über einen Kilometer zu meinem Termin laufen. „Und was ist mit dem Wagen hier?“, fragte ich höflich und deutete auf den Polo, dessen Antenne und Beifahrertürgriff schon von Schlingpflanzen umwuchert wurden. „Der steht ja auch nicht erst seit gestern hier.“ Ich konnte den Satz kaum zu Ende sprechen, als sie mit einem harschen: „Das ist hier ja jetzt gar nicht das Thema!“, antwortete. Mir wurde es wirklich zu blöd. Nachdem mir ein resignierendes „Na, dann ist ja gut“ über die Lippen gekommen war, ließ ich die Dame schlussendlich stehen, ignorierte ihr Gezeter und machte mich auf den Weg.
„Ich rufe dann jetzt einen Abschleppwagen!“, hörte ich sie mir noch hinterher rufen. Als ich mich noch einmal umdrehte, winkte sie triumphierend grinsend mit ihrem Handy in der Hand. Ein älterer Herr mit Prinz-Heinrich-Mütze und Handstock, der plötzlich neben ihr stand und wie in Trance auf ihren Froschhelm starrte, fragte für mich noch deutlich hörbar: „Ach, hat der junge Mann eine Panne?“ – doch auf ihre Antwort wartete ich nicht mehr.
Spät abends kam ich zu meinem Auto zurück, das noch genauso an Ort und Stelle stand, wie ich es abgestellt hatte. Unter dem Scheibenwischer klemmte auch kein Knöllchen. Bevor ich mich hinter das Steuer setzte, schaute ich mich noch einmal um, aber auch von einem Froschhelm war weit und breit nichts mehr zu sehen. Bevor ich den Zündschlüssel drehte, kam ich zu dem Schluss, dass es zwar manchmal nervig ist, so viel zu fahren – doch Geschichten wie diese verleihen der Vielfahrerei doch genau die richtige Würze.
Und nach Bremen fahre ich in Zukunft besonders gern.
Herrlich…
Ich pendle zwischen Friedrichstadt und Delmenhorst. Freut mich, dass ich nicht der Einzige mit entsprechenden Erfahrungen in Bremen und Umgebung bin. Die Behüter der Parkplätze sind da ein ganz besonderer Menschenschlag:)
Grüße aus der Holländerstadt
Hey David,
pendelst du denn täglich ganz bis Delmenhorst? Dann werden wir uns schon sicherlich auf der A23 begegnen sein.
Also – Grüße in die „Nachbarschaft“ – Friedrichstadt ist klasse!
Lars
Nope, Wochenendheimfahrer 🙂
Die freien Tage verbringe ich im echten Norden.
Auf der Autobahn sind wir uns noch nicht begegnet, der rote Kombi fiel mir aber vor dem großen Supermarkt mit Waschstraße in eurer Kreisstadt schonmal auf:)
Mit volvoschraubenden Grüßen,
David
Hey David,
das kann gut sein! Ist ja Ding 😉
Pendelst du denn mit einem Volvo? Ich hupe nächstes Mal einfach, wenn ich einen sehe 🙂
Schöne Grüße
Lars
Wenn der Blockwart nicht kriegt, was er will…
Die war abends deswegen nicht da, weil sie einen Herzinfarkt bekommen hat, nachdem die Polizisten ihr das Halteverbot erklärt hatten. Hab sowas mit nem Oberblockwart in Hannover mal erlebt, weil ich es gewagt habe, ohne Plakette in die Zone zu fahren. Mit einem damals 26-jährigen 32b-Fliessheck, der Euro-1 nachgerüstet war. Also plakettentauglich, was dem Blockwart von den Polizisten bestätigt wurde. Nach dem mündlichen Hinweis darauf, besser eine Plakette in meinen Oldtimer zu kleben, wurde ich mit meinem „Schrotthaufen“ weiter aufs übelste beschimpft und hab den Denunzianten dann auch stehen gelassen…..
Die Polizisten haben die ganze Zeit die Augen verdreht, der war denen wohl bekannt..
Wenn man wegen sowas bei wichtigen Terminen zu spät kommt, sollte man das schon aufzeichnen, weil es einem hinterher immer keiner glauben will.
Hey Thorsten,
ich glaube, so ein Erlebnis hatte wohl schon echt jeder Mal – deinen 32b hattest du doch zum Schluss auf H-Kennzeichen angemeldet, oder?
Ich bin gespannt. Morgen fahre ich noch einmal nach Bremen. Ich hoffe, dann wird das ein bisschen entspannter. Parkplätze sollte es an der Classic Motorshow wohl genügend geben.
Schöne Grüße
Lars