Zu viele Köche…

Bei einer Restauration kommt es immer zu Problemen. Meistens sind wir selber schuld.Der letzte Teil der Wiederbelebung meiner Hercules. Und wo gehört diese Schraube hin?

…verderben den Brei.

Ich habe schon ganz oft Hilfe angeboten bekommen, wenn ich an einem meiner Autos schraube. Während ich bei so „Tagesprojekten“ wie der Reparatur des Schiebedachs bei meinem Mercedes (Schöne Grüße an Lukas!) gerne einmal Hilfe annehme, habe ich es bei Langzeitprojekten nicht so gerne. Wenn ich etwas auseinandergebaut habe, dann kann ich mich auch meistens daran erinnern, wie etwas wieder zusammengehört. Okay – das „meistens“ ist vielleicht etwas übertrieben. Aber in solchen Fällen helfen mir dann immer die zahlreichen Fotos, die ich beim Zerlegen mache. Von der Restauration meiner Volvo-Dame „Elsa“ habe ich über zweiundzwanzigtausend Fotos. Ja, richtig gelesen. Über Zweiundzwanzigtausend. Anders hätte ich die alte Dame aber wahrscheinlich auch nie wieder hinbekommen. Woher ich das weiß? Naja, es gab da so einen kleinen Zwischenfall bei der Restauration meiner Hercules…

Es lief ja alles nicht ganz so glatt bei der Wiederbelebung meiner kleinen Hercules Mk 1 von 1977. Zwischendurch hatte ich tatsächlich einmal das Gefühl, dass die Hercules unter einem schlechten Omen stand. Lag es an der traurigen Geschichte, durch die das kleine Moped überhaupt zu mir fand? Wahrscheinlich nicht, denn Herrn Hansen geht es inzwischen wieder einigermaßen gut. Wenn ihr euch jetzt wundert, wer Herr Hansen ist, dann möchte ich euch bitten noch einmal die Kauf-Geschichte meiner kleinen Hercules durchzulesen: Wenn Männer weinen. Und falls ihr euch wundert, was bisher alles so schiefgegangen war – dann schaut euch die vorherigen Restaurationsgeschichten an: Während es bei der Bestandsaufnahme („Eine Herculesaufgabe“) alles noch recht überschaubar aussah, wurde kurz darauf aus dem Hoch ein Tief. Ich lernte zwar aus meinen Fehlern, doch kaum war fast alles für den Zusammenbau fertig, ging die Pechsträhne weiter. Und darüber möchte ich euch heute erzählen.

Es herrschte dicke Luft in der Garage

Ich habe ein echt gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Sie haben mich immer motiviert und unterstützt und haben mich auch immer mein Ding machen lassen, wofür ich ihnen immer unheimlich dankbar sein werde. Doch wie es manchmal so ist – es kommt auch schon mal zu Reibereien, aber das werdet ihr ja alle kennen. Wie ich oben schon schrieb, mag ich es nicht besonders, wenn andere Leute irgendwas von meinen Fahrzeugen auseinandernehmen. Doch leider hatte mein Vater das mit der Hercules so gemacht. Eigentlich ist auch nur deshalb die Restauration so „eskaliert“. Während ich eigentlich im Hinterkopf hatte, einfach nur die Kotflügel zu lackieren, die Reifen und Bremsen zu erneuern und sie dann zu fahren, hatte mein Vater anscheinend eine andere Vision. Als ich eines Tages in die Werkstatt kam, war von meiner MK1 nur noch ein nackiges Gerippe über. I was not amused. Wirklich nicht.

Kurz darauf merkte ich aber, dass mein Vater ganz recht gehabt hatte. Nun war die Substanz des Mopeds noch erstaunlich gut. In ein oder zwei Jahren hätte das allerdings ganz anders ausgesehen. Mein Ärger verflog damals auch schnell, als er mir erzählte, dass er in einem kleinen Büchlein Zeichnungen von allen Bauteilen gemacht hätte. Leider (und hier fängt die Pechsträhne an) war natürlich genau dieses Buch einige Monate später verschwunden. Irgendwo im inzwischen gewachsenen Chaos der Werkstatt war dieses kleine Büchlein abgetaucht. Das war natürlich ziemlich doof, denn zum einen wusste ich nicht, wie mein Vater was auseinander gebaut hatte und zum anderen war sich mein Vater bei einigen Bauteilen auch nicht mehr sicher. „So ein Moped ist ja aber nun auch keine Mondrakete“, meinte mein Vater irgendwann schließlich ganz verzweifelt, als wir nach drei Stunden Sucherei und Aufräumerei das Heftchen nicht mehr finden konnte. Damit hatte er recht.

Es wächst zusammen, was zusammengehört

Ich hatte alle benötigten Neuteile wie Reifen, Schläuche, Bremsen und Krümmer da. Die Kotflügel waren frisch lackiert, der Tank schien trotz langer Standzeit augenscheinlich sehr sauber und all die anderen Teile lagen in ihren Kisten auch schon bereit. Wie und wann welches Teil aber wohin montiert werden musste, das hatten wir nicht mehr so auf dem Schirm. Aber hey – aus Fehlern lernt man – das weiß ich inzwischen. Also machte ich mich mithilfe meines Vaters daran, das kleine Moped wieder zusammenzubauen. Vielleicht würden ihm ja einige Sachen wieder einfallen. Den Tank hatte ich übrigens schon gleich nach dem Lackieren des Rahmens montiert. Ich wollte verhindern, dass der blaue Originallack weiter zerkratzt – seid also nicht verwundert, wenn im Hintergrund noch die grundierten Kotflügel zusehen sind. Auf jeden Fall war das die Ausgangsbasis. Aus diesem Gerippe (mit Tank) sollte wieder ein Moped werden. Ich hatte Herrn Hansen ja versprochen, ihn damit zu besuchen.

Das erste Neuteil, das ich an der Hercules verbaute, war übrigens ein neuer Krümmer, der mich ungefähr 30€ kostete. Erst hatte ich überlegt, die komplette Auspuffanlage gegen einen neuen Satz zu tauschen (Das hätte dann ungefähr 60€ gekostet), doch mein Geiz hat dagegen entschieden. In den Schalldämpfer waren zwar einige Löcher gebohrt worden, doch die konnte ich schnell zu punkten. Ein paar Sprüher Auspuff-Lack später konnte man die auch kaum noch sehen. Die Stelle wollte ich also einfach in Richtung Kette drehen. Die andere Seite des Schalldämpfers darf ihre Patina aber gerne präsentieren. Leider war der Krümmer nicht mehr zu retten. Der war schlichtweg durchgerostet. Und das ist für einen Zweitakter ziemlich doof, denn er braucht einen gewissen Gegendruck, damit er richtig funktioniert. Das Abbauen dauerte dabei übrigens mehrere Tage. Die Mutter, durch die der Krümmer am Zylinder befestigt wird, saß bombenfest. Da half nur Geduld, Rostlöser und Hitze. Plopp!

Wie war das jetzt?

Als nächstes fand die Sitzbank wieder ihren Platz. Den Tank hatte ich ja schon festgeschraubt und das Unterteil der Sitzbank war auch entrostet. Dass der Bezug noch original ist, wundert mich übrigens wirklich, aber anscheinend wurde damals das beste Kunstleder genommen, was die Kunstkühe hergeben konnten. Da hab es dann übrigens auch die Verwirrungen, wann und wie die Sitzbank überhaupt montiert werden musste. An dem Rahmen hinter der Sitzbank sind nämlich auch noch der Gepäckträger und die Stoßdämpfer befestigt. Die Sitzbank wird vorne am Rahmen hinter dem Tank einhakt und seitlich festgeschraubt. Oder auch hinten? Genau da waren wir uns nun nicht mehr sicher. Vielleicht musste auch erst der Kotflügel montiert werden? Oder erst die Schwinge und dann der Kotflügel? Und dann der Gepäckträger? Wir montierten einfach erst einmal die Sitzbank mit zwei Schrauben. Die wären ja im Fall der Fälle schnell wieder abmontiert.

Doch dann entschieden wir uns doch recht schnell um. Wieso sollten wir nicht einfach die Schwinge und die Stoßdämpfer montieren? Dann hätten wir es ja relativ schnell raus, wie und wann wir die Rückbank anbauen könnten. Bei der Schwinge mussten wir kurz überlegen, wie herum sie eigentlich angebaut wird, doch das war doch relativ schnell ersichtlich. Was mich bei der Hercules immer noch wundert: Kaum eine Schraube war fest oder überhaupt verrostet. Viele konnte man nach über 40 Jahren einfach so wiederverwenden. Wer hätte das gedacht? Mein Mercedes macht ja schon nach „nur“ 30 Jahren Ärger… Aber egal. Heute möchte ich ja keine Mercedes-Fans verärgern, sondern die Geschichte meiner Hercules erzählen. Die Stoßdämpfer wollte ich ursprünglich auch ersetzen. Aber da Herr Hansen auch nur meine Statur hat, waren die tatsächlich noch voll in Ordnung. Also verbaute ich sie wieder. Man muss ja nichts wegschmeißen, was noch in Ordnung ist.

Mit Zahnpasta sieht man besser

Auch die Kotflügel sollten wieder verbaut werden. Als sie da so ungeschützt in der Garage herumlagen, hatte ich immer ein schlechtes Gefühl. Es hätte ja nur einmal eine aufgebrachte Schrauberhenne in die Garage kommen müssen – hätten sie mir dann alles umgeworfen, wäre der neue Lack schon zerkratzt. Den Kotflügelhalter musste ich übrigens von einer mehrere Zentimeter dicken Schicht Felgensilber befreien, der Chrom darunter ist noch super. Etwas mehr Aufwand war der hintere Kotflügel. Hier hatte ich schlichtweg vergessen, den Halter für die Rückleuchte und das Nummernschild zu entrosten. Und so gammelig wollte ich das Teil nun auch nicht an den frisch lackierten Kotflügel schrauben. Leider habe ich das „Nachher“-Bild vergessen, aber das seht ihr weiter unten, als schlussendlich alles zusammengebaut war. Das von innen blind gewordene Rücklicht schrubbte ich übrigens mit einer eklig schmeckenden Zahnpasta sauber. Die kleinen Schleifpartikel darin waren genug, um das Kunststoff wieder klar scheinen zu lassen.

Mit den Kotflügeln montiert, fehlten nun nur noch zwei Dinge zum Glück: Bremsen und Reifen. Da die Bremsen der Hercules eine noch schlechtere Bremswirkung hatten als meine Schuhe (Ich landete trotzdem in einem Busch), bestellte ich einfach einen neuen Satz Bremsbeläge. Wenn man ansonsten immer nur an Autos schraubt, ist es übrigens echt erstaunlich, wie günstig die Teile für ein Zweirad sind. Auch die vier Bremsbeläge haben keine dreißig Euro gekostet. Vorsichtshalber habe ich sogar die teureren genommen, um sie nicht in drei oder vier Jahren gleich noch einmal wechseln zu müssen. Wahrscheinlich werde ich die Bremsen sowieso nie abfahren, aber man weiß ja nie. Die Ankerplatte war übrigens ziemlich eingesifft. Auch davon habe ich natürlich kein Nachher-Bild gemacht. Irgendwie war ich wohl zu sehr auf die Arbeit fixiert. Ich musste mir auch nur drei Mal die Finger klemmen, bis ich die Bremsbacken endlich montiert hatte.

Die Reifen sträubten sich…

Ohne Reifen fehlt irgendetwas, oder? Die alten Reifen konnte ich nicht mehr verwenden, denn die waren nicht nur porös, sondern auch noch abgefahren. Ein Glück konnte mir eine Zweiradwerkstatt im Nachbarort mit neuen Reifen weiterhelfen. Es wurde genau derselbe Reifentyp, nur halt in neu. Nur war leider die Beschriftung inzwischen nicht mehr weiß. Also schnappte ich mir einen weißen Edding und malte sie einfach nach. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob das irgendwie schlecht für das Gummi ist und wie lange das hält – aber darüber kann ich ja noch berichten. Auch die Schläuche waren übrigens nicht mehr taufrisch und kamen auch gleich neu. Zumindest der hintere Reifen hielt nicht mehr wirklich Luft. Das Umziehen der Reifen war dabei kein großes Problem. Mit einem Reifenmontiereisen, das mein Vater noch von seiner Zündapp hat, die er vor über 50 Jahren mal fuhr, gingen die alten Reifen spielend leicht runter.

Nur das Aufziehen, das wollte nicht so richtig gelingen. Wobei… das ist nicht so ganz richtig. Das Aufziehen ging eigentlich auch erstaunlich einfach. Nur ließ sich das Hinterrad nicht aufpumpen. Selbst mit dem Kompressor hielt der Reifen kaum Luft und zischte einfach nur laut. Es half nichts, der Reifen musste noch einmal runter. In einem Wasserbad fanden wir dann auch den Übeltäter. In dem Schlauch war ein klitzekleiner Einstich, in den die Spitze meines Cuttermessers wunderbar reinpasste. Anscheinend war ich beim Aufschneiden des Kartons nicht vorsichtig genug. Upsa. Mit etwas Flickzeug ließ sich meine Dummheit aber schnell beheben. Bestraft wurde ich übrigens auch dafür, als ich beim erneuten Montieren des Reifens abrutschte. Einen halben Daumennagel kostete mich das. Aber egal. Der Anbau der Reifen ging dann doch recht flott von statten. Die gesäuberte und neu geschmierte Kette wurde in dem Zug gleich mitmontiert, genauso alle Verkleidungen. Und dann war es soweit:

Endlich Stapellauf!

Aus meinem ursprünglichen Plan, nur einmal kurz die Kotflügel zu lackieren und neue Bremsen und Reifen zu montieren, wurden vier Monate Arbeit. Natürlich habe ich nicht durchgehend an dem kleinen Zweirad gearbeitet. Zwischendurch hatte ich auch einmal keine Zeit oder nach einigen Tiefschlägen auch einfach mal keine Lust. Als ich sie an einem fast trockenen Herbsttag aus der Garage schob (es war inzwischen Oktober), freute ich mich so sehr, dass mir schon fast schwindelig wurde. Ich hatte nicht nur ein kleines Moped nach zwanzig Jahren Dornröschenschlaf wieder wachgeküsst, sondern auch mein Versprechen Herrn Hansen gegenüber eingehalten. Ich hatte sein kleines Moped, das über dreißig Jahre in seinem Besitz war, wieder fitgemacht. Außerdem hatte ich wieder einiges gelernt. Zum ersten Mal habe ich an diesem Projekt mit einer Lackierpistole lackiert und bin nach einigen Anlaufschwierigkeiten recht zufrieden. Das möchte ich aber auf jeden Fall noch etwas mehr üben.

Natürlich ist die MK1 nicht perfekt worden. Ich bin ja schließlich auch nur ein Laie und habe weder Mechaniker noch Lackierer gelernt. Aber ich bin zufrieden. An einigen Stellen zeigt das Moped Patina und Abnutzungsspuren, doch gerade die wollte ich ja auch erhalten. Als ich meine Zündapp rausholte und sie nebeneinanderstellte, startete ich die Hercules auch zum ersten Mal wieder. Schon beim ersten Tritt sprang sie an und knatterte fröhlich vor sich hin. Meine eher zickige Zündapp machte es ihr nach. Die erste Fahrt überließ ich übrigens meinem Vater. Ohne ihn hätte ich das kleine Moped wahrscheinlich nie so sehr zerlegt und auch nicht so gut konservieren können. Als wir mit unseren Mopeds über den Privatweg vor unserem Haus knatterten, kamen wir beide nicht mehr aus dem Grinsen heraus. Die Hercules lief wirklich schön. Natürlich ist sie noch nicht fertig. Die Tachowelle ist kaputt und muss noch neu. Außerdem will ich das Getriebeöl noch wechseln. Achja – und die ganz kaputten Aufkleber möchte ich auch noch ersetzen. Ihr werdet also noch genug von dem kleinen, blauen Zweirad zu lesen bekommen. Ich möchte auch mal den Laden besuchen, der die Hercules vor 43 Jahren neu verkaufte und immer noch existiert. Auch Herrn Hansen möchte ich noch einmal besuchen, schließlich habe ich es ihm ja versprochen.

Und Versprechen muss man auch einhalten.

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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