Pizza, Probleme, Passat Pacific
Oder: Wenn aus einem Traggelenk-Wechsel an einem Passat ein kleines Happening wird. Heute schraube ich auf einer fremden Baustelle. Mr. Sandman? Bring me Benzin!
Es ist Freitagabend.
Ich sitze hier gerade auf meinem Sofa, meine Katze liegt am Fußende und pennt. Der Holzofen in der Küche bollert, mein Tee steht auf dem Couchtisch und dampf fröhlich vor sich hin. Das Licht ist gedimmt und die Kerze in der Laterne, die dahinten vor der hölzernen, halbhohen, weißen Wandverkleidung steht, flackert ein bisschen. Es ist eine Duftkerze. Ich hasse Duftkerzen, doch die hier stinkt nur ganz minimal. Nicht so wie das Klopapier mit Parfum, das ich aus Versehen gekauft habe. Während ich hier so schreibe, singt Nina Simone im Hintergrund leise „I’m feeling good“. Und ich fühle mich gut. So richtig gut sogar. Fast so wie an dem Freitagabend vor einigen Wochen. Nur war meine Katze nicht da. Und es war auch nicht mein Sofa. Dafür gab es Pizza. Und im Hintergrund liefen französische Lieder – Citroen-Fahrer eben. Aber lasst mich doch mal von vorne anfangen.
Vor ein paar Wochen habe ich noch darüber philosophiert, wie schön und motivierend es ist, mit Freunden zu schrauben. Und nur ein paar Tage später fand ich mich nach Feierabend hinter dem Steuer meines treuen Alltagsdiesels wieder, auf dem Weg nach Kiel. Wobei nicht nur Kiel das Ziel (Höhöhö! Das reimt sich.) war, sondern das Hauptquartier vom Sandmann. Nicht dem Sandmännchen aus dem Fernsehen, vor dem ich mich immer hinter dem Fernsehsessel versteckt habe, damit mich der Schlafsand nicht trifft, sondern Jens. Der Schreiber, der Sänger und das Gesicht hinter dem Blog Sandmanns Welt. Jens hatte mich auf eine kleine Schrauber-Session eingeladen. Es ging um den Passat seines Schwiegervaters, der die Hauptuntersuchung nicht so richtig bestanden hatte. Und da wegschmeißen doof ist, wollten wir ihn retten. Doch dafür musste ich erst einmal in Kiel ankommen. Und der Weg von der Nordsee nach Kiel ist echt ein bisschen doof. Zum Glück gibt es Radios.
Eine kleine Zeitreise…
Ich habe irgendwie ein Herz für Passat 35i. Und das ist nun bestimmt ein Satz, den ihr noch nicht oft gehört habt. Allgemein gelten Passats ja eher als Spießerkarren, als langweilige Familienbomber und Vertreterkisten. Und irgendwo mag das ja auch stimmen. Für mich ist aber nicht ganz so. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit auf den Rücksitzen verschiedener Passat verbracht. Meine Eltern fuhren schon immer Passat – und tun es auch noch heute. Und der erste Passat, an den ich mich erinnern kann, war ein 1996er Passat Variant Pacific, fast genau wie der, den wir retten wollten. Nur halt in rot und als Diesel. Der meiner Eltern wurde 1999 verkauft, vor ein paar Jahren habe ich ihn sogar einmal wiedergetroffen. Der vom sandmannschen Schwiegerpapa fährt noch. Also fast. Ich freute mich auf die Schraubersession am Passat. Viel mehr freute ich mich aber noch auf Jens.
Wir haben schon zusammen mit Alex (Schöne Grüße!) auf der Motorhaube eines Ford Taunus gelegen und über das Leben philosphiert, einen Weinabend mit ganz viel Chili in Dänemark verbracht, der damit endete, dass ich morgens halbnackt aus dem Auto direkt vor die Füße zweier Däninnen fiel. Wir haben schon viele Abende an einer Feuertonne genossen und waren dabei umringt von V8-Motoren. Oder haben versucht, eine neue Wasserpumpe in einen Mercedes-Sechszylinder zu operieren. Mit Jens wird es niemals langweilig. Jens kann singen, Jens kann schreiben, Jens kann schrauben – es gibt eigentlich nichts, was Jens nicht kann. Er kann sogar Igel füttern. Zumindest tat er das, als ich mit Harald bei der Casa Sandmann auftauchte. Und nicht nur das. Alex von der Motorhaube mit seinem violettfarbenen Volvo Turbo war auch schon da und hatte mir sogar etwas mitgebracht. Nur eine Kleinigkeit. Einen ganzen Kofferraum voller alter Auto-Zeitungen. Vielen, lieben Dank noch einmal, Alex!
Der nächste Morgen.
Die Flex schrie und unter dem alten Passat flogen die Funken. Ich saß tatenlos daneben, dachte über Schmetterlingskissen und Pizza nach, als plötzlich ein Traggelenk an mir vorbeiflog. „Das Neue, bitte!“ Dr. Sandmann hatte es geschafft. Das alte, poröse Gelenk hatte nun ein für alle Mal ausgedient. Nun hatte Dr. Sandmann aber noch den schwersten Teil vor sich: Die neue Prothese musste eingesetzt werden. Ich assistierte ihm mit Tupfer und Schere Maulschlüssel und Schrauben und kaum war noch kurz die Stabi-Stange zur Seite gelegt, flutschte das neue Traggelenk auch schon an seinen neuen Bestimmungsort. Nur noch alles befestigen und zunähen – und die erste Operation hatte der Patient überstanden. Schon echt sinnig aufgebaut, so ein Passat 35i. Wie Lego Als ich gerade wie Austin Powers versuchte, den Passat von der Rampe zu fahren, kam Alex mit seiner Vespa schon an. Kaum war der Passat neu positioniert, war auch schon das linke Federbein draußen. Lego halt. Der Federteller hatte sich verabschiedet.
Und dann ging das Drama los. Das Federbein war tatsächlich noch das Originale von 1996, also inzwischen nicht nur so alt wie ich, sondern auch schon einigen Jahren der Witterung ausgesetzt – und die Schraube oben auf dem Domlager war… äh… ziemlich fest. Und wir hatten auch nicht das richtige Werkzeug da. Alex schwang sich auf seine Vespa, um Werkzeug zu besorgen, Jens sprach auf einmal irgendetwas von Bremsen und ich drehte mich einfach mal um. Inzwischen war es in der Welt des Sandmanns ziemlich voll geworden. Jens‘ älteste Tochter war mit ihrem Freund im VW up! angekommen, der nicht nur neue Bremsen, sondern auch Winterreifen haben wollte. Und ein Citroen XM in schwarz mit Anhänger stand auch plötzlich auf dem Hof, dessen Fahrer sich fleißig über den Schlacht-XM von Jens hermachte. Und Marc war auch da und schaute, was so Phase ist. „Du könntest dir mal den Türgriff anschauen!“, hallte Jens‘ Stimme aus dem Radkasten des weißen Up!. Wo er recht hat, hat er recht.
„Hat mal jemand ein Pflaster?“
Wahrscheinlich ist ein neuer Türgriff für einen Passat 35i Facelift nicht teuer. Und auf dem Schrottplatz bekommt man ein gebrauchtes Exemplar für fast umsonst. Nur an einem Samstag Nachmittag bringt einem das nicht so viel. Jens hatte schon einen Türgriff gekauft – aber leider für den B3, also für den Passat ohne Kühlergrill. Und der ist nicht nur zu lang, sondern funktioniert auch noch ganz anders. Also war Reparieren statt Wegwerfen angesagt. Habe ich eigentlich schon einmal gesagt, dass so ein Passat wie Lego ist? Im Nu war der Türgriff draußen. Ein Pinn, der wohl im früheren Leben mal eine Niete war, war etwas herausgerutscht. Ich drückte ihn wieder rein und presste ihn noch etwas zusammen, damit er nicht so schnell wieder abhauen konnte. Das brachte aber leider keine Besserung. Der Türgriff drückte nicht mehr weit genug nach unten, um die Tür zu entriegeln. Ich musste irgendwie den Finger verlängern.
Doch zum Glück hat VW den Finger, der den Schnapper von der Tür drückt, genauso dick gemacht, dass man eine kleine Unterlegscheibe draufschieben kann, die an einer kleinen Plastiknut sogar festhält. Und man kann auch gleich noch zwei Muttern hinterherschieben. Und damit die nicht klappernd in die Tür fallen, wickelt man halt noch zwei abgeschnittene Klebestreifen eines Heftplasters darum. Gaffatape geht wohl auch, aber ich habe auf „Außenschraubereinsätzen“ immer nur Heftpflaster dabei. Aus Gründen. Für mehr Stabilität wickelt man dann noch eine Schlauchschelle drumherum – fertig. Und wenn ihr euch jetzt wundert, warum ich euch das so schreibe – genauso habe ich den Türgriff an dem Schraubertag bei Jens repariert. Leider war die Aktion mit dem Fensterheber auf der Fahrertür nicht so erfolgreich.
Eine harte Nuss…
Irgendwann wurde das Wimmelbild, das sich in der Welt vom Sandmann gebildet hatte, etwas leerer. Der schwarze XM erhob sich ächzend unter der Last von zweihunderttausend Navigationsgeräten und flog über unseren Köpfen davon in Richtung Berlin und der kleine up! zischte frisch winterbereift und bebremst auf und davon. Und so blieben nur Jens, Marc, Alex und ich. Und ein Federbein, das sich einfach nicht zerlegen lassen wollte. Es gingen einige Imbus-Bits und -Schlüssel drauf, es tropfte der Schweiß und es qualmte das Gummi. Die Mutter wollte sich einfach nicht lösen lassen. Irgendwann blieb wohl nur noch mein müder Elektro-Schlagschrauber als Grund für die sture Schraube übrig. Alex schwang sich auf seine Vespa, Jens und ich setzen uns in meinen Golf und wir fuhren in die Werkstatt von Alex. Dort gab es einen richtigen Schlagschrauber. Die Mutter war innerhalb einer Sekunde ab.
Doch unsere Freudentänze, die sofort Regenwolken über Kiel auftauchen ließen, waren nur von kurzer Dauer. Kaum war ein Bier geöffnet und das Federbein zerlegt, fiel uns auf, dass Jens die falschen Domlager geliefert wurden – obwohl er nach Baujahr geliefert hatte. Auch ein kleiner Videocall mit Jürgen (Schöne Grüße nach Bayern!) konnte keine Lösung mehr finden. Ein paar Stunden später stand ich an der Kanalfähre in Breiholz. Obwohl meinem Bauch unheimlich leckeres Chili schwappte, war ich unzufrieden. Bei Jens Zuhause stand ein Passat mit ohne Federbein herum – wir hatten unser Tagesziel nicht erreicht. Und auf einem Sonntag ein Domlager zu finden ist ja praktisch unmöglich. Aber das wird euch Sandmann erzählen. Schaut auch mal bei seinem Blog vorbei – da könnt ihr den Tag noch einmal aus seiner Sicht nachlesen. Und was davor und danach so passiert ist.
Ich werde mich jetzt zurücklehnen und überlegen, ob ich euch die Geschichte von der Anhalterin und dem Hasen auf der Rücktour noch erzähle. Was meint ihr?
Ay Lars,
ja! Bitte die Geschichte mit der Anhalterin. So hatte der Abend dann doch noch was Lustiges 😀
Danke dass du da warst, mein Freund. Alex und du habt euch echt ins Zeug gelegt. Und dass der Passat nun inzwischen doch wieder eine frische Plakette hat (Spoileralarm) ist auch mit euer Verdienst! Jetzt müssen wir nur noch schauen, wie du deinen Federspanner wieder zurück bekommst. Der verbindet sich sonst langsam mit dem XM Kofferraum 😉
Schönes Wochenende zu der Katze, den Duftkerzen und dem Poschmeichler mit Kamille!
Sandmann
Hey Sandmann,
dann muss ich die Geschichte ja doch noch einmal tippen. Die ist ja fast wieder unglaublich gewesen 😉 Mir hat diese kleine Schrauberaktion echt gefreut – und dass der Passat inzwischen wieder unterwegs ist, ist das Tüpfelchen auf dem i. Das mit dem Federspanner kriegen wir garantiert wieder hin – zwischen den Jahren werde ich wohl einmal kurz nach Hamburg fahren.
Ich wünsche dir und deiner Familie fröhliche Weihnachten!
Schöne Grüße
Lars