LowBudgetBenz – Teil 19: Katastrophe am Scheibenrahmen

Es gibt so Aufgaben an Hein, die wollte ich eigentlich nicht angehen und einfach so lassen. Eine dieser Baustellen waren die Scheibenrahmen. Und trotzdem habe ich sie angefangen.

Ihr seht richtig!

Ich habe mal wieder eine Geschichte von Hein für euch. Nicht so ganz chronologisch – aber wieso und weshalb, werdet ihr in der nächsten Berichterstattung von Hein lesen. Einige meinten schon, ich hätte das Auto weggekantet, weil ich ja nun seit ein paar Monaten mit Ove unterwegs bin. Aber das würde ich auf gar keinen Fall tun. Zum einen ist an Hein nun so ziemlich alles neu und durchgeschweißt – und zum anderen will ich die Blüten meiner Arbeit dann auch ein bisschen genießen und mit Hein reisen und fahren und überhaupt. Und es stecken so viele Stunden und Stunden an Arbeit dran – ich kann den alten Kahn eigentlich gar nicht mehr verkaufen. So einen 124er würde ich nie wiederbekommen, behaupte ich jetzt einfach mal. Und schon gar keinen Siebthand-230E mit fast 300 000 Kilometer auf der Uhr. Aber ich schweife ab…

Es gibt so Baustellen, die ich bei Hein nie wirklich angehen wollte. Und dazu gehörte unter anderem auch die kleinen Rostherde an der Front- und Heckscheibe, die mein alter Kahn entwickelt hatte. Die wollte ich einfach ein bisschen beischleifen, Owatrol drüber und den Lack ausbessern. Aber je länger ich an Hein geschweißt und gearbeitet habe, desto lauter wurden die Stimmen meiner Freunde, die meinten: „Mach es jetzt einmal ordentlich, du wirst dich ansonsten später ärgern!“ Und insgeheim wusste ich ja, dass sie recht hatten. Aber trotzdem: Die Scheiben bei einem 124er sind geklebt und würde bestimmt kaputtgehen – und besonders bei der Heckscheibe wäre das ein teures Vergnügen. Dachte ich mir. Und dann erzählt mir Karsten von seinem Schneidewerkzeug. Und Daniel war auch neugierig, wie man die Heckscheibe eines W124 ausbaut…

Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht.

Die beiden waren echt motiviert. Daniel ist KFZ-Meister und arbeitet in einer Mercedes-Vertragswerkstatt, Karsten ist beruflich nur mit Mercedes unterwegs und kennt die Dinger auch im Schlaf. Ich frage mich nur, warum die beiden Hein so kritisch anschauen. Inzwischen ist es fast wieder ein Auto geworden – wenn man ihn denn so nennen kann. An dem Scheibentag habe mich extra ein bisschen zurückgehalten und nicht so sehr über die Marke mit dem Stern hergezogen – ich war und bin immer noch echt dankbar, dass die beiden ganz selbstlos ihre Hilfe angeboten haben. Denn ohne die beiden wäre ich echt aufgeschmissen gewesen. Wobei – die ersten Schritte hätte ich vielleicht sogar noch alleine hinbekommen.

Ein paar Plastikclipse lösen (es ist nicht ein einziger zerbrochen – da war ich echt beeindruckt!) und Schrauben rausdrehen – das hätte ich bestimmt hinbekommen. Aber Daniel ging es irgendwie schneller von der Hand, den Einarmwischer (von vielen geliebt, ich finde den eher so semi-gut) auszubauen als ich es gekonnt hätte. Übung macht den Meister. Und ich bin gerade mal beim Titel „Watt’n Schrauber“ angekommen. Aber egal. Tatsächlich ist das meiste die Vorarbeit gewesen. Auch wenn die Innenverkleidung an der Scheibe wohl hätte drin bleiben können, haben wir sie doch lieber ausgebaut, um nichts zu beschädigen. Und dabei sind wir dann auch auf darauf gestoßen, dass Hein anscheinend eine nachgerüstete Alarmanlage hat. Zum Glück ist die bisher weder losgegangen noch hat sie die Wegfahrsperre aktiviert oder so. Ich habe für einen Alarm keine Fernbedienung…

The first cut is the deepest

Dieser kleine dünne Faden soll eine Scheibe heraustrennen können. Hört sich unglaublich an? Dachte ich auch. Aber das ist wohl eine Art Nylonschnur, die unter Zug so stabil wird, dass man damit Käse, Brot, Finger, Knochen – oder halt Scheibenkleber schneiden kann. Okay – bei Finger und Knochen bin ich mir nicht so sicher. Aber wenn die Schnur so hartnäckigen Scheibenkleber durchgeschnitten bekommt, kann sie auch Tilsitter in feine Scheiben schneiden. Ich würde fast was drauf verwetten… aber wie dem auch sei. Karsten hatte eine wirklich spacige Apparatur mitgebracht, mit der man die Scheibe ruckzuck rausschneiden können sollte. Dazu muss man an einer Stelle durch den Scheibenkleber pieksen und diese Schnur durchführen. Das innere Ende wird an der Spindel des Geräts festgemacht und aufgewickelt. Wartet mal… so sieht das aus:

Damit wird die Schnur aufgewickelt. Das andere, äußere Ende der Schnur wird einmal um die Falz gelegt, die zwischen Scheibe und Karosserie besteht und am Ende irgendwo an der Batterie festgebunden. Betätigt man das Gerät dann mit einem Akkuschrauber (oder per Hand), dann wird die Schnurr straff und schneidet so nach und nach durch den Scheibenkleber – und et voila: Die Scheibe ist draußen. So war zumindest der Plan. Und bei der Frontscheibe klappte das tatsächlich auch relativ mühelos. Wobei das eigentlich egal gewesen wäre, dann die Frontscheibe hatte sowieso einen Riss. Ich habe mal während der Fahrt einen Stein eingefangen – und die Scheibe war praktisch sofort kaputt. Schade drum, aber sie war sowieso zerkratzt. Ein bisschen komplizierter wurde es an der Heckscheibe…

Rust is a crime!

Die Heckscheibe hat nämlich noch einen echt schicken, aber auch selten dämlichen Zierrahmen mit Zierrahmendichtungen. Nach einem kurzen Blick ins Werkstatt-Info-System von Mercedes, hieß es da, man sollte die Scheibe erst obenrum rausschneiden, dann den Rahmen entfernen und untenrum ausschneiden und dabei noch zehn Kopfstände machen, ein Buch rückwärts lesen und sich mit dem kleinen Zeh in der Nase bosen. Oder so. Hörte sich auf jeden Fall kompliziert an. Deshalb entschieden wir uns, die Schnur einfach unter den Zierrahmen und dessen Dichtungen zu legen und die Scheibe so rauszuschneiden. Sie musste aber heil bleiben. So ganz günstig sind neue Heckscheiben nämlich nicht…

Mit ganz viel Fingerspitzengefühl und Sorgfalt gingen Daniel und Karsten ans Werk. Ich stand eher daneben und habe zugeguckt – zum einen wurde es im Auto bullenheiß und zum anderen konnten die beiden wirklich nicht jemanden gebrauchen, der andauernd im Weg stand. Übrigens gab es bei der Heckscheibe noch etwas zu beachten: Hein hat hinten keine Verbundglasscheibe, wie es viele 124er haben. Hein hat einfach nur eine Scheibe, die bei einem Schlag mit dem Hammer in ein riiiesiges Puzzle zerspringen würden. Und ich hasse Puzzle. Vor allen Dingen welche, die vorher die Heckscheibe meines Autos waren.

Faden verloren

Die Heckscheibe wehrte sich mächtig – und das lag nicht an dem Marienkäfer, den wir nach scheinbar 34 Jahren aus dem Scheibenkleber zogen. Andauernd riss die Nylonschnur und wir konnten wieder von vorne beginnen. Ich weiß gar nicht, wie oft es passiert ist. Zehn Mal? Wenn nicht sogar zwölf oder mehr? Könnte sein, wäre auf jeden Fall nicht so weit von der echten Nummer entfernt. Andauernd machte es „pflööng“ und die Schnur war ab und wir konnten es wieder neu anhaken, teilweise umlegen und auftüddeln. Nur um nach zwei Minuten das nächste „pflööng“ zu hören. Was eine Scheiße. Ich weiß nicht genau, wie viele Stunden wir damit verbracht haben, die olle Scheibe auszubauen. Schließlich wollte sie ja niemand kaputtmachen. Auch wenn ich natürlich nicht böse geworden wäre, wäre sie dabei kaputtgegangen. Mein Auto, mein Risiko. Ansonsten hätte ich es in eine Werkstatt bringen müssen und dafür bezahlen. So einfach ist das. Und nach nur vier Stunden war die Heckscheibe auch endlich raus:

Die braune Pest

Der Schock saß tief. Mehr wohl noch bei mir als bei Daniel und Karsten. Wenn ihr das Bild ein bisschen näher ranholt (keine Sorge, ich zeige gleich noch eine Detailaufnahme, ihr verpasst nichts), dann werdet ihr sehen: Ja. Das Dach ist durchgerostet. Und der Scheibenrahmen ist an einer Stelle auch noch weggegammelt. NOCH eine Baustelle mehr – von der ich aber natürlich insgeheim schon wusste, dass sie kommen wird. Schließlich waren die Rostbläschen schon beim Kauf 2018 nicht so leicht zu übersehen. Ich frage mich gerade, was mich damals überhaupt geritten hat, den Wagen zu kaufen. Aber wahrscheinlich wollte ich einfach auch mal einen Mercedes besitzen und fahren. Und fahren tat er echt gut. Ansonsten würde ich nun wohl nicht so viel Zeit und Geld in die olle Kiste reinbuttern. Achja – bevor ich euch die Detailaufnahme zeige, habe ich hier wieder ein Video für euch, in dem ihr alles „live“ miterleben könnt:

Katastrophe. Aber gut – Blech ist ja bekanntlich geduldig. Und das wird auch hier der Fall sein. Nun habe ich schon so viel an Hein geschweißt, da kommt es auf das ein oder andere Blech mehr oder weniger nun auch nicht mehr drauf an. Meine Gasflasche ist voll, mein Schweißgerät ist motiviert und Bleche werden sich schon finden lassen.

Doch was es für mich bedeutet: Hein verzögert sich schon wieder. Eigentlich wollte ich mit dem alten Kahn bald in den Urlaub fahren. Ob das was wird? Das steht wohl in den (Mercedes-) Sternen geschrieben. Ihr werdet es ja zu lesen bekommen. Ich suche mir nun meine Schutzbrille und meine Akku-Flex und fahre zum Schrottplatz.

Und vielleicht lasse ich Hein doch einfach da…

Über Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.
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Eine Antwort zu LowBudgetBenz – Teil 19: Katastrophe am Scheibenrahmen

  1. Thorsten sagt:

    Moin Lars,

    das Werkzeug kenne ich. Ich hatte vor ein paar Jahren mal das Problem, einen Saab 9000 Scheibenrahmen zu brauchen für einen Aero, dessen Rahmenso ähnlich aussah wie der von Hein.
    Hab ich preiswert bekommen, nur leider mit Scheibe drin. Das ohne so ein Tool rauszuschneiden, wenn kein Auto mehr an dem Scheibenrahmen hängt, ist mehr als doof. Mit dem Werkzeug ging das aber hervorragend.

    Deine Beweggründe für Heins Rettung kann ich verstehen, auch wenn es unwirtschaftlich scheint. Nur aus solchen haben etliche Brot-und-Butter Oldtimer überhaupt überlebt. Richtig denken darf man dabei nicht. zumindest nicht, wenn es gut werden soll.
    Andersrum: So solide Autos wie Hein gibts nicht mehr neu. Was einfach klaglos mehrere hundert tkm und drei Jahrzehnte oder mehr überdauert, ist Geschichte.

    Mit der Ausrede, das sowas heute zu 80% recyclingfähig ist werden uns Bastelbuden angeboten, die ihren Preis nicht wert sind. Also ist das wohl doch nicht sooo unwirtschaftlich. Und wenn das Benzin alle oder unbezahlbar ist, kann man immer noch auf elektrisch umbauen.

    Weitermachen!

    Grüsse aus Niedersachsen.

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