Dachlos = Kopflos?

Heute möchte ich mal versuchen zu erklären, warum es Cabriolets gibt.
comp_comp_SAM_3237Und warum zur Hölle kaufen sich Leute überhaupt Autos ohne Dach?

Gut. Ich muss es ja zugeben. Ich bin nun nicht unbedingt ein Mensch der sowas neutral erörtern kann. Ich fahre ja selbst Cabrio. Aber ich gebe trotzdem mein bestes.

Eigentlich sind geschlossene Autos viel besser als Cabriolets. Schauen wir mal auf die Konstruktion. Das Dach eines normalen, geschlossenen PKWs ist für die Fahrzeugstabilität ziemlich wichtig. Wenn sich jetzt Herr Hubert denkt, er könne aus seinem comp_comp_SAM_1703Nissan Micra ein Cabrio machen, dann kann er es sehr gerne versuchen. Ohne den Ingenieuren bei Nissan Böses nachsagen zu wollen, wird das Auto aber danach ziemlich wabbelig fahren. Das Dach fehlt und nur noch der Boden hält das Heck und die Front zusammen. Und das reicht oft nicht. Das wäre so, als würde man versuchen zwei Ziegelsteine mit einem Blatt A4-Papier stabil zu verbinden. Es funktioniert nicht. Deshalb sind Cabrios oft wesentlich mehr verstärkt, als die Limousinen. So gibt es beim Golf 1 Cabriolet außer einem stärkerem Boden und dem Überrollbügel auch noch eine Verstärkung am Armaturenbrett. Die ganzen Verstärkungen, die ja auch wirklich nötig sind, treiben allerdings das Leergewicht ganz schön nach oben. Cabrios sind oft schwerer als ihre Basis. Es verbraucht also auch mehr Sprit. Hinzu kommt, dass die Aerodynamik durch das offene Dach nicht mehr so gut ist, was auch wiederum zu Mehrverbrauch führt.

Ihr werdet nun wahrscheinlich sagen: „Das bezahle ich gerne für ein wenig frische Luft!“ comp_comp_SAM_2548Das ist Quatsch. Klar kommt durch das fehlende Dach frische Luft. Aber nur, wenn ihr auf Landstraßen oder auf Autobahnen unterwegs seid. Heute stand ich neben einem alten Lastwagen an der Ampel. Als er anfuhr und meine Ampel noch rot war, habe ich bestimmt ein paar Lebensjahre durch die Abgase verloren. „Aber das fahren kühlt doch so schön ab!“ – Nein. Nicht immer. Klar, wenn es kalt draußen ist, kühlt es natürlich ab. Aber nicht, wenn draußen die Sonne scheint. Dann braucht man schon einen Hut, damit man keinen Sonnenstich bekommt. Bei einem normalen Auto hat man die meiste Zeit das Dach, dass einen vor der stechende Sommersonne schützt. In einem Cabriolet nicht. Wenn man mal an der Ampel oder in einem Stau steht, brennt das ganz schön auf das Gehirn.

comp_SAM_2550Viele moderne Autos (auch Cabriolets) haben eine Klimaanlage. Die ist viel schöner. Man kann die Temperatur regeln, man hat ein schattenspendendes Dach über dem Kopf und bekommt deshalb keinen Hitzschlag und kein kochendes Gehirn. Es ist viel angenehmer. Natürlich wirkt sich die Klimaanlage auch auf den Verbrauch aus, das darf man dabei nicht vergessen.
„Aber Cabrios haben doch Stil! Hast du das vergessen, Lars?“

comp_comp_SAM_2534Ich habe nicht vergessen, dass sich viele Leute Cabrios kaufen, weil sie meinen, sie sehen darin gut aus. Ein Cabrio soll also Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Jeder Cabriofahrer denkt so. Ich habe heute auch direkt vor einer Eisdiele geparkt. Als Single mit durchschnittlichem Aussehen und mit einem Cabrio muss man das machen. Allerdings ist nur ein Hund auf das Cabrio aufmerksam geworden und hat gegen das vordere, rechte Rad gepinkelt. Das klappt also auch nicht. Man könnte genauso gut mit einem geschlossenem Auto fahren. Bei einer Cabriofahrerin hätte es vielleicht sogar geklappt. Eine Frau in einem Cabrio sieht eigentlich immer gut aus. Bei Männern ist es eher oft die Midlife-Crises ist, die den Cabriokauf verursacht. Mist. Ich bin 18 – muss ich mir jetzt Sorgen machen? Mit einem sportlichem, teuren Cabriolet mag man vielleicht beeindrucken. Mit einem alten, silbernem Golf Cabriolet eher nicht.

comp_comp_SAM_2542Ebenso hat man in einem Cabriolet nicht so die Privatsphäre, wie in einem geschlossenem Auto. Die Musik – vorausgesetzt, das Radio funktioniert – wird von allen mitgehört, die sich in eurer Umgebung befinden. Und Musik sagt viel über  die Personen aus. Spielen die Wildecker Herzbuben, ist die Person wahrscheinlich schon in Rente. Spielt Chuck Berry, ist die Person wahrscheinlich im Jahr 1957 hängen geblieben (Ups?). Und spielt „krass korrekte HipHop“-Musik, steht die Person wahrscheinlich oft im Auto-Zubehör-Laden.
comp_comp_SAM_3243Man kann auch nicht einfach so über Passanten lästern reden, wie in geschlossenen Autos. „Schau dir mal den Pullover an, wie doof.“, ist in einem geschlossenem Auto gerade noch so in Ordnung zu sagen. In einem offenem Auto ist die Gefahr groß, dass die Person das auch hört. Und Leute verletzen will man ja nicht.
Ein weiterer Eingriff in die Privatsphäre ist der Diebstahl aus dem Cabrio. Wenn man das Cabrio offen stehen lässt, braucht nur einer durch das offene Dach zu greifen und – schwupps – ist der Regenschirm weg. Man muss also alles umso besser verschließen, wenn man sein Cabrio stehen lassen will. Und dann wird wahrscheinlich das Dach aufgeschnitten – außer man hat ein Blechdach. Dann hat man aber ja eigentlich nur ein großes Schiebedach. Bei den meisten Blechdachcabrios ist die Frontscheibe soweit nach hinten gezogen, dass man schon fast wieder ein Dach über dem Kopf hat.
Auch für die Frisur ist ein Cabriolet nicht gut. Entweder wird sie durch den Hut, den man comp_comp_SAM_3244trägt (Sonnenstich, nä?) oder durch den Fahrtwind zerstört. Selbst bei Weichei-Cabriofahrern wie mir, die mit Scheiben oben und Windschott fahren.
Dazu kommen noch Umwelteinflüsse. Wenn man offen irgendwo parkt, kann es gut sein, dass ein Vogel dahergeflogen kommt und das Auto als große, offene Toilette ansieht. Dann kan auch während der Fahrt passieren, ich spreche aus Erfahrung. Dagegen sind Leute, die einen auf die Sitze spucken, wenn das Auto geparkt ist, noch harmlos. Wenn es zu windig im Cabrio wird, kann man gut einen steifen Nacken bekommen. Leute mit Pollenallergien mögen wohl nicht gerne an Gräsern vorbeifahren.

Warum fahren Leute also Cabrios? Wenn sie mehr verbrauchen, nicht die gewünnschte Aufmerksamkeit ziehen, die Privatsphären schwinden lassen und auch nicht unbedingt für die Gesundheit gut ist? Na, ganz einfach. Sechs Gründe gibt es.

1.: Muss man das alles erlebt haben.
2. :Kann man sagen „Ich fahre Cabrio“ und alle denken es sei toll.
3. :Es ist toll.
4. :Man ist eins mit der Natur und grinst über beide Ohren beim Fahren.
5. E:s bringt Spaß

und 6.:
Ist alles, was ich oben erzählt habe, total irrelevant. „Cabrioleeet!“ hört sich einfach toll an.

CABRIOLET! Geschlossen kann doch jeder…

 

 

Watt'n Schrauber

Autoverrückt, restauriert einen Buckelvolvo mit wenig Budget, mag Fotografieren, Tanzen und ist manchmal wohl ein wenig durcheinander. Und mag Norddeutschland.

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